Auch hier spielt der Sicherheitsrat die entscheidende Rolle – daran ändert auch das neue Verfahren nichts. Laut UN-Charta einigt sich der Rat auf einen Kandidaten und schlägt ihn der Vollversammlung vor, die über den Vorschlag abstimmt. Doch wird durch das neue Procedere, das im September von der Vollversammlung beschlossen worden war, dieses Gremium von vornherein stärker in den Auswahlprozess einbezogen. Alle Mitgliedstaaten bekommen nun die Möglichkeit, die Kandidaten selber unter die Lupe zu nehmen.
In einem gemeinsamen Brief hatten die Präsidenten von Vollversammlung und Sicherheitsrat im Dezember die Mitgliedstaaten aufgefordert, Kandidaten vorzuschlagen. Acht Vorschläge gingen ein. Bewerbungsschreiben und Lebensläufe wurden auf einer UN-Website veröffentlicht. Die Kandidaten stellen sich nun in den nächsten Tagen in "informellen Gesprächen" der Vollversammlung vor. Der Ablauf, wie er vom Präsidenten des Gremiums, dem Dänen Mogens Lykketoft, festgelegt wurde, hat aber durchaus den Charakter eines Job-Interviews. Zwei Stunden werden jedem Kandidaten gewidmet. Dieser stellt sich anfangs bis zu zehn Minuten lang vor, danach folgt eine lange Fragerunde. Die weiteren Schritte sind noch nicht im Detail fixiert. Der Sicherheitsrat soll aber "vor Ende Juli" mit der Prüfung der Kandidaten beginnen, wie es in dem Schreiben vom Dezember heißt.
Vier Frauen und vier Männer: die Chefin der UN-Kulturorganisation Unesco, die Bulgarin Irina Bokova, die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark, die moldauische Ex-Außenministerin Natalia Gherman, der ehemalige Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), der Portugiese Antonio Guterres, der frühere mazedonische Außenminister Srgjan Kerim, der montenigrische Ex-Ministerpräsident Igor Luksic, die kroatische Ex-Außenministerin Vesna Pusic und der frühere slowenische Staatschef Danilo Türk. Dass sechs Kandidaten aus Osteuropa kommen, erklärt sich aus dem geographischen Rotationsprinzip. Zwar steht dieses so nicht in der Charta, doch ist es zur festen Tradition geworden, dass der Posten nacheinander aus verschiedenen Weltregionen besetzt wird. Von den bisher acht Generalsekretären kamen drei aus Westeuropa, zwei aus Asien, zwei aus Afrika und einer aus Lateinamerika. Aus Osteuropa stammte also noch keiner - deshalb herrscht bei den Osteuropäern die Erwartung, dass sie diesmal zum Zuge kommen.
Schwer zu sagen. Da sich die Vetomacht Russland für einen Osteuropäer einsetzt, haben es die Neuseeländerin Clark und der Portugiese Guterres wohl von vornherein schwerer. Auch gibt es eine Tendenz zugunsten einer Frau, da es bisher nur Männer auf dem Posten gab. In der Entschließung vom September hatte die Vollversammlung deshalb empfohlen, Frauen für den höchsten UN-Posten vorzuschlagen.