Beitrittsverhandlungen Das Ende der Merkel-Ära bremst die EU-Erweiterung um den Westbalkan

Den Westbalkan in die Staatengemeinschaft zu integrieren ist für die EU von zentraler geopolitischer Bedeutung.
Brüssel Der Abschied steht kurz bevor: An diesem Montag reist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf den Westbalkan – um ein letztes Mal die Regierungschefs jener sechs Länder zu treffen, die auf einen EU-Beitritt in nicht allzu ferner Zukunft hoffen: Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina.
Den Auftakt macht ein Treffen zwischen Merkel und dem serbischen Präsident Aleksandar Vučić in Belgrad. Am Dienstag geht es weiter nach Albanien, wo die Kanzlerin den albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama zu bilateralen Gesprächen trifft. Anschließend steht eine gemeinsame Gesprächsrunde mit allen Regierungschefs der sechs Länder auf dem Programm.
Für die Hauptstädte des Westbalkans ist das Ende der Merkel-Ära bitter: Sie verlieren eine wichtige Fürsprecherin in der Europäischen Union und drohen damit noch länger als ohnehin schon in einer Warteposition zu verharren.
Denn mit Frankreich sperrt sich eines der mächtigsten EU-Mitgliedsländer gegen Fortschritte im Beitrittsprozess und zieht immer wieder andere Mitgliedstaaten auf seine Seite. Mit Merkel als Gegenpart und einflussreiche Frankreich-Beschwörerin hofften die Westbalkan-Länder dennoch immer, dass es mit ihrer EU-Integration vorangeht. Und in der Tat wurden Fortschritte erzielt.
Nun ist ungewiss, ob es der nächsten deutschen Bundesregierung auch gelingt, in dem Maße wie Merkel Einfluss auf Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und andere EU-Länder zu nehmen, die in der Erweiterungsfrage gerne von ihrem Vetorecht Gebrauch machen. Als die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) am vergangenen Mittwoch beziehungsweise Montag Macron in Paris besuchten, war die EU-Integration des Balkans kein Thema.
Zähe Verhandlungen, permanente Blockaden
Derzeit verhandelt Brüssel nur mit Serbien und Montenegro konkret über einen EU-Beitritt, was noch einige Jahre andauern wird. Im Fall von Albanien und Nordmazedonien hatten die Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr zwar entschieden, Beitrittsverhandlungen zu eröffnen, geschehen ist aber nichts. Der Grund: Bulgarien legte ein Veto ein.

Der Streit mit Griechenland zog sich über Jahrzehnte.
Sofia streitet sich mit Skopje um die teils gemeinsame Geschichte und will „Nordmazedonisch“ nicht als eigene Sprache anerkennen, da es sich dabei um einen bulgarischen Dialekt handele. Außerdem soll sich Nordmazedonien ausschließlich „Republik Nordmazedonien“ nennen dürfen, da mit dem Begriff „Nordmazedonien“ auch der nördliche Teil der geografischen Region Mazedonien gemeint sein könne, der wiederum zum Teil zu Bulgarien gehört.
Für Nordmazedonien ist das ein weiterer Tiefschlag. Die EU-Kommission hatte den Mitgliedstaaten schon vor über 15 Jahren empfohlen, mit Skopje über einen EU-Beitritt zu verhandeln.
Doch auch damals war der Name des Landes ein Problem. Griechenland blockierte über Jahre hinweg den Beginn von Beitrittsverhandlungen aufgrund des Namens „Mazedonien“, wie sich Nordmazedonien bis Anfang 2019 nannte. Eben wegen jener geografischen Region Mazedonien, die zum Großteil in Griechenland liegt. Nordmazedonien blieb nichts anderes übrig, als sich umzubenennen.
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Als Athen daraufhin endlich sein Veto zurückzog, folgte die Blockade aus Frankreich. Der offizielle Grund war, dass zuerst der Beitrittsprozess reformiert werden müsse. Der inoffzielle: die Angst vor wachsender EU-Skepsis im eigenen Land.
Erst ein Vorschlag der EU-Kommission über eine Reform des Beitrittsprozederes (die jedoch keine wirklichen Veränderungen beinhaltete) und Kompromissgeschachere mit Deutschland sorgten dafür, dass Paris einlenkte. Frankreich ist jedoch bis heute ein erweiterungsskeptisches Land, das sich seinerseits überhaupt nicht bemüht, eine Lösung für die Bulgarien-Blockade zu finden – anders als Deutschland unter Merkel.
Den Westbalkan in die Staatengemeinschaft zu integrieren ist für die EU eigentlich von zentraler geopolitischer Bedeutung. Das dennoch zögerliche Vorgehen der EU-Hauptstädte nutzen andere weltpolitische Mächte wie Russland, China oder die Golfstaaten gerne aus, um ihren Einfluss in der Region auszubauen und EU-Skepsis zu säen.
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