Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Belt and Road Trotz Kritik an der Seidenstraße: EU treibt Infrastrukturpartnerschaft mit China voran

Europa und China loten den Bau neuer Zugstrecken aus. Dabei hat Brüssel gerade erst verkündet, den wachsenden Einfluss Pekings zurückdrängen zu wollen.
05.10.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Überall auf der Welt lässt China Häfen und Straßen bauen, Zugstrecken und Datenkabel verlegen, um neue Handelswege zu erschließen. Quelle: action press
Neue Seidenstraße

Überall auf der Welt lässt China Häfen und Straßen bauen, Zugstrecken und Datenkabel verlegen, um neue Handelswege zu erschließen.

(Foto: action press)

Brüssel, Peking Es waren nur ein paar Sätze in der Rede von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zur Lage Europas, doch sie ließen die Welt aufhorchen. Von der Leyen kündigte eine europäische Alternative zur umstrittenen Seidenstraßen-Initiative der Chinesen an. „Wir möchten Verbindungen schaffen, keine Abhängigkeiten“, sagte sie.

Überall auf der Welt lässt China Häfen und Straßen bauen, Zugstrecken und Datenkabel verlegen. Europas anfängliche Aufgeschlossenheit ist mittlerweile einer tiefen Beunruhigung gewichen. Denn mit den Infrastrukturprojekten der Chinesen, auch bekannt als „Belt and Road“, verbreiten sich Korruption und ein wachsender Einfluss der Kommunistischen Partei (KP).

Von der Leyen will nun dagegenhalten, Europas Antwort auf „Belt and Road“ heißt „Global Gateway“. Die EU leitet damit einen außenpolitischen Strategiewechsel ein, auf den Mitgliedstaaten, Industrieverbände und Bündnispartner seit Langem warten. Gerade die USA machen sich dafür stark, dass die demokratische Welt zusammenrückt, um die Herausforderung durch das autoritäre China zu bewältigen.

Umso stärker dürfte es die Amerikaner irritieren, dass die Kommission parallel zu Global Gateway eine Infrastrukturpartnerschaft mit China vertiefen will. Nach Recherchen des Handelsblatts laufen in der Kommission die letzten Vorbereitungen für eine Machbarkeitsstudie, die Strecken für neue Eisenbahnverbindungen zwischen der Volksrepublik und der EU identifizieren soll.

Die politische Brisanz ist kaum zu überschätzen: Das erste Projekt, das die Europäer nach der Ankündigung von Global Gateway vorantreiben, ist ausgerechnet eine Kooperation mit den Chinesen.

Machbarkeitsstudie kostet Millionen

Interne Dokumente zeigen, dass sich die EU die Machbarkeitsstudie eine Million Euro kosten lässt, von chinesischer Seite soll ein gleich hoher Betrag fließen. Das Projekt ist bei der einflussreichen Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) aufgehängt. Die Umsetzung sollen die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD) und die unter chinesischer Führung stehende Asiatische Infrastrukturinvestment-Bank (AIIB) übernehmen.

„Sowohl die EU als auch China verpflichten sich zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft“, heißt es in einem der Papiere. Auch „Synergien zwischen Chinas BRI und den transeuropäischen Transportnetzen“ der EU werden hervorgehoben. BRI steht für „Belt and Road Initiative“.

Synergien mit der geopolitischen Vision von Chinas Staatschef Xi Jinping? Das Eisenbahnprojekt „wird Washington, Tokio, Delhi und andere Hauptstädte aufhorchen lassen“, sagt Noah Barkin, Experte für die Beziehungen zwischen China und Europa beim German Marshall Fund. „Während die EU einen neuen geostrategischen Ansatz für Infrastrukturpolitik propagiert, finanziert sie gemeinsam mit China eine umfangreiche Studie über neue Bahnstrecken, die wie maßgeschneidert für Peking und seine ‚Belt and Road‘-Ambitionen zu sein scheinen.“ Aus deutschen Wirtschaftskreisen heißt es, das Vorhaben sei „erklärungsbedürftig“.

Auch innerhalb der EU-Kommission gibt es erhebliche Bedenken. Denn die Route würde Zentralasien durchqueren – und damit Länder, die im strategischen Interesse der Chinesen liegen. Über den genauen Verlauf ist noch nicht endgültig entschieden, ein für den Dienstgebrauch erstelltes Eckpunktepapier zeichnet allerdings schon eine Route vor: „Erwartet werden Iran, Syrien, Afghanistan, Pakistan, Irak und Indien“, ist dort zu lesen. 

Globalisierung nach den autoritären Vorstellungen der KP

Das steigert die Brisanz noch weiter: Warum sollte die EU China dabei behilflich sein, seinen Einfluss in diesen Ländern auszuweiten? Zumal es bereits mehrere Trassen gibt, auf denen Fracht per Zug zwischen China und Europa transportiert wird.  

Mit der Seidenstraße formt China die Globalisierung nach den autoritären Vorstellungen der KP. Statt Projekte fair auszuschreiben, schanzt es eigenen Unternehmen Großaufträge zu und überfrachtet Länder mit Schulden, schafft Abhängigkeiten. „Sinozentrische Strukturen, die nicht in unserem Interesse liegen“, erkennt das Auswärtige Amt.

Grafik

Zwar sind die Finanzmittel in den vergangenen Jahren – auch wegen innerchinesischer Kritik – zurückgegangen. Einer aktuellen Studie des US-Analyseinstituts Aiddata zufolge haben aber 42 Länder mit niedrigem bis mittlerem Einkommen Schulden gegenüber China in Höhe von mehr als zehn Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts angehäuft.

Die Kommission lässt sich mit einer Stellungnahme Zeit: „Das Hauptziel der Studie besteht nicht darin, ein bestimmtes Land beim Aufbau der Infrastruktur zu unterstützen“, schreibt ein Sprecher dann. Vielmehr liege es im europäischen Interesse, die „Interoperabilität“ und die „Nachhaltigkeit“ der Verkehrsnetze zu gewährleisten.

China ist der größte Importeur der EU und ihr zweitwichtigster Exportmarkt. Jeden Tag werden Waren im Wert von einer Milliarde Euro ausgetauscht. Containerschiffe dominieren den Handel, doch Züge werden zunehmend attraktiv. 2020 stiegt das Frachtvolumen auf der Schiene trotz der Pandemie um 50 Prozent. Ökonomisch kann es also durchaus Sinn machen, neue Strecken auszuloten. Doch ökonomisch sinnvoll erschien es der EU auch, kurz vor dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden ein Investmentabkommen mit China zu verabreden. Politisch war es ein Desaster.

Grafik

Den Chinesen kommt die kooperative Haltung der Europäer jedenfalls sehr gelegen. Gemeinsame Projekte zwischen China und Europa, auch Machbarkeitsstudien, dienen der chinesischen Staatsführung als Beweis, dass China fähig ist, internationale Partnerschaften zu schließen. Je stärker die Spannungen mit Washington werden, desto mehr betont Peking seine Verbindungen zu Brüssel. Das Regime will verhindern, dass sich Europa mit den USA gegen China verbündet.  

Vorangetrieben wird das europäisch-chinesische Infrastrukturprojekt nicht von der Kommissionsspitze, sondern von der Generaldirektion Move, quasi dem Verkehrsministerium der EU. Die Tatsache, dass der Beamtenapparat ein Eigenleben führt, erschwert die Versuche der Kommission seit Jahren, auf die Herausforderung durch China zu reagieren.

USA sind genervt von widersprüchlichen Signalen

Schon 2018, in der Amtszeit des früheren Kommissionschefs Jean-Claude Juncker, nahm sich die Behörde vor, Infrastrukturpolitik geostrategisch zu durchdenken. Damals erfand die EU den sperrigen Begriff „Konnektivität“, an dessen Stelle nun „Global Gateway“ gerückt ist. Doch was nach wie vor fehlt, ist eine Strategie, von konkreten Projekten ganz zu schweigen.  

Die Generaldirektion Move will Schritte vermeiden, die China provozieren könnten. Gleiches gilt für die Generaldirektion für internationale Partnerschaften, die Hüterin der milliardenschweren Geldtöpfe, die für Infrastrukturhilfen infrage kommen. Von „Win-win“-Lösungen mit Peking schreiben die Beamten intern, nicht von systemischer Rivalität mit einer machtbewussten Diktatur. „Win-win“ ist ein Schlagwort, das auch die chinesische Staatsführung gern benutzt. Wobei die „Gewinne“ am Ende zumeist bei China landen, wie Kritiker betonen.  

Ursula von der Leyen: „Wir möchten Verbindungen schaffen, keine Abhängigkeiten.“ Quelle: AP
EU-Kommissionspräsidentin

Ursula von der Leyen: „Wir möchten Verbindungen schaffen, keine Abhängigkeiten.“

(Foto: AP)

Auf Leitungsebene der EU wird inzwischen ganz anders gedacht. Von der Leyen machte keinen Hehl daraus, dass Global Gateway gegen die Expansion der chinesischen Machtsphäre gerichtet ist. Es mache für Europa keinen Sinn, eine Straße „zwischen einem Kupferbergwerk in chinesischem Eigentum und einem Hafen zu verlegen, der ebenfalls in chinesischem Eigentum ist“, sagte sie in ihrer Rede zur Lage Europas. Noch deutlicher werden Vertreter der Mitgliedstaaten. „Die EU bereitet sich darauf vor, Chinas ‚Belt and Road‘-Initiative zurückzudrängen“, verkündete ein Brüsseler Diplomat im Sommer.  

Den Amerikanern reichen solche gefälligen Formulierungen nicht mehr. Sie sind genervt von den widersprüchlichen Signalen der EU in der Chinapolitik. Die Asienstrategen im Weißen Haus setzen deshalb auf neue Bündnispartner, auf Indien, Australien und Japan – Regionalmächte, die die Bedrohung durch das außenpolitisch zunehmend übergriffige China viel akuter spüren als die Europäer. Der Aukus-Pakt, den die Amerikaner kürzlich mit Australiern und Briten aus der Taufe hoben und der Frankreich einen lukrativen U-Boot-Deal gekostet hat, ist Ausdruck dieser Neuorientierung.  

Gemeinsame China-Agenda in weiter Ferne

In Europa war die Empörung groß, dass die USA im Geheimen ein Bündnis schmieden, das die Sicherheitsarchitektur in Asien verändert. US-Präsident Biden setze die America-first-Politik seines Vorgängers Donald Trump fort, zürnten europäische Diplomaten. Die vertiefte Infrastrukturpartnerschaft mit China zeigt allerdings, dass die Europäer im Zweifel ähnlich unabgesprochen agieren.   

Die Hoffnung, dass es der EU und den USA unter Biden gelingt, eine gemeinsame China-Agenda zu formulieren, scheint sich nicht zu erfüllen. „Wir schmieden derzeit nichts großes Gemeinsames mit den Amerikanern“, sagt Mikko Huotari, Direktor der Berliner China-Denkfabrik Merics, was gerade an der „Unentschiedenheit der europäischen Chinapolitik“ liege: „Wir wollen mehr Distanz, weniger Abhängigkeiten, aber zugleich wollen wir eine Abnabelung oder gar eine Konfrontation vermeiden.“ 

Einerseits Global Gateway verkünden, andererseits eine Infrastrukturpartnerschaft mit Peking vertiefen: Dieses Hin und Her ist symptomatisch für Europas strategischen Wankelmut.

Mehr: Internes Strategiepapier: G7-Staaten wollen Chinas Seidenstraßen-Initiative kontern

Startseite
1 Kommentar zu "Belt and Road: Trotz Kritik an der Seidenstraße: EU treibt Infrastrukturpartnerschaft mit China voran"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Move muss gestoppt werden. Wer ist übrigens an der Spitze? Und hat der oder die Verantwortlichen ein Konto auf den Kaimans das von der Chinesischen Staatsbank gepflegt wird? Bitte recherchieren.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%