Beppe Sala Italienweit sind die Grünen eine Randerscheinung – doch in Mailand stellen sie die Nummer eins

Im März trat der alte und neue Bürgermeister den Grünen bei. Nun will er Mailand noch moderner, umweltfreundlicher und lebenswerter machen.
Mailand Die Grünen sind in Italien eine Randerscheinung: Im Parlament ist die Partei nicht vertreten, in Umfragen blieben sie bislang unter der Drei-Prozent-Hürde. Doch nun regieren sie Mailand, die zweitgrößte Stadt Italiens, das Herz im wirtschaftsstarken Norden.
Gewählt wurde am Sonntag und Montag, seit Dienstagmorgen steht das Ergebnis fest: Mit 57 Prozent der Stimmen hat Bürgermeister Beppe Sala deutlich gegen das rechte Lager gewonnen – und geht in die zweite Amtszeit.
Der ehemalige Manager, der den Reifenhersteller Pirelli führte und Finanzvorstand beim Telekommunikationskonzern Tim war, kam 2016 als parteiloser Kandidat der Sozialdemokraten ins Rathaus. Nun will er Mailand noch moderner, umweltfreundlicher, lebenswerter machen – im März trat er den Grünen bei.
„Ich bin immer meinen Idealen gefolgt“, erklärte er damals im Handelsblatt-Interview. „Wenn ich verlieren sollte, ist das für mein Leben keine Tragödie.“ Aber er wollte verstehen, ob die Mailänder bereit sind für die „ökologische Revolution“. Das sind sie offenbar.
Sala will bis 2030 eine schadstofffreie und autoärmere Stadt. Er ist überzeugter Klimaaktivist und Proeuropäer, das ließ er auch im Wahlkampf erkennen, den er ruhig und besonnen führte, ohne Attacken auf den Gegner aus dem rechten Lager – der sich ausgerechnet gegen Radwege positionierte, die Sala in der Pandemie so vehement ausbaute.
Die Wahl ist historisch, nicht nur für die Grünen, die erstmals eine große Stadt im Land regieren: Seit 1993 gewann kein Kandidat aus dem Mitte-links-Spektrum mehr ohne Stichwahl.
„Die nächsten fünf Jahre werden die schwersten in der jüngeren Geschichte der Stadt sein“, verkündete Sala nach seinem Triumph. Noch immer sei die Stadt inmitten der Pandemie, die Milliarden aus dem EU-Wiederaufbaufonds müssten richtig investiert und die Olympischen Winterspiele im Jahr 2026 vorbereitet werden. Sala, der BWL in Mailand studiert hat, will die ganze Stadt einbinden und verspricht „noch mehr Mut bei der Umweltherausforderung“.
Mutig war Sala schon 2010, als er die Unternehmenswelt in Richtung Mailänder Verwaltung verließ. Später kümmerte er sich federführend um die Expo 2015, die die Stadt nachhaltig verändert hat: Seitdem ist Mailand viel moderner, grüner, digitaler. Auf den alten Expo-Flächen sind mittlerweile Start-up-Hubs, Parks und Universitäten entstanden.
Sala will Mailand zum Vorbild für Europa und die Welt machen
Der 63-jährige Sala will Mailand nun zum „Vorbild für Italien“ machen, aber auch für „Europa, für die Welt“. Mailands Radsharing-System etwa kommt heute auf knapp 5500 Räder mit 320 Stationen. 1000 der Räder sind schon heute E-Bikes. Rein elektrisch unterwegs sind auch 60 Busse, bis 2030 sollen alle 1200 Fahrzeuge elektrisch sein.
Mailand hat die grüne Wende dringend nötig. Es gibt Tage im Winter, in denen die Emissionsgrenzwerte deutlich überschritten werden, die Luftverschmutzung ist höher als in vielen anderen Städten Italiens. Salas Antwort darauf ist sein Klimaprojekt „Mailand 2030“, mit dem er das Bahnnetz um 50 Prozent ausbauen will.
Auch die „Stadt der 15 Minuten“, ein Konzept, das Metropolen auf der ganzen Welt gerade umsetzen, schreitet voran. Sala will damit die einzelnen Viertel zu Zentren des Lebens machen, mit Schulen, medizinischer Versorgung, Parks und Sport. „Die Mobilität reduziert sich dadurch ganz automatisch“, glaubt Sala.
Auch den sozialen Wohnungsbau will Sala, der den Wahlsieg seiner im Sommer 2020 verstorbenen Mutter widmete, weiter stärken: In Mailand gibt es schon heute rund 70.000 Sozialwohnungen mit 150.000 Bewohnern. Für eine 1,4-Millionen-Stadt ein hoher Wert. Die meisten Häuser entstanden in den 30er-Jahren und in der Nachkriegszeit. Die Stadt steckt derzeit viel Geld in Renovierungen, macht die Gebäude energieeffizienter, entfernt Asbest. Die Stadtverwaltung will Sala weiter digitalisieren. Schon heute lassen sich gut 70 Prozent der Dokumente für die Bürger digital herunterladen, immer mehr Services sind online möglich.
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