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Beschäftigung So dramatisch reagieren die Arbeitsmärkte in Südeuropa auf die Krise

Die EU will ihre Mitglieder im Kampf gegen die durch die Coronakrise entstehende Arbeitslosigkeit unterstützen. Für Spanien, Italien und Griechenland wäre das essentiell.
11.04.2020 - 18:41 Uhr Kommentieren
Normalerweise beginnt zu Ostern die Urlaub-Saison auf Mallorca – doch nicht in diesem Jahr. Quelle: dpa
Mallorca

Normalerweise beginnt zu Ostern die Urlaub-Saison auf Mallorca – doch nicht in diesem Jahr.

(Foto: dpa)

Athen, Rom, Madrid Griechenland, Spanien und Italien führen bereits jetzt das Ranking der EU-Staaten mit den meisten Arbeitslosen an. Just Spanien und Italien sind zudem die Länder, die europaweit am heftigsten unter dem Coronavirus leiden.

Beide kommen zusammen auf mehr als 35.000 Todesfälle und haben ihrer Wirtschaft einen kompletten Shutdown verordnet. Allein der treibt die wirtschaftlichen Schäden abermals in die Höhe. Griechenland hat gerade erst begonnen, die schlimmste Schuldenkrise seiner Geschichte hinter sich zu lassen und hat noch immer mit derzeit 16,3 Prozent Europas höchste Arbeitslosenquote.

Die EU-Staaten haben sich auf Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro geeinigt, mit dem Kurzarbeits-Regelungen gefördert werden sollen. In Spanien gibt es solche Regelungen bereits, in Italien nur für Großkonzerne.

Spanien

Der Arbeitsmarkt ist die Achillesferse der spanischen Wirtschaft. Ein Viertel aller Verträge sind nur zeitlich befristet, das betrifft 4,4 Millionen Menschen. 56 Prozent dieser Verträge laufen über weniger als sechs Monate. So sehr sich die Regierung auch bemüht, via Kurzarbeit die Arbeitslosigkeit in Schach zu halten – bei den befristeten Verträgen kann sie nichts tun. Laufen sie aus, werden sie in der aktuellen Krise mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verlängert.

Genau das erklärt auch den Verlust von fast einer Million Jobs allein in den ersten 15 Tagen des Alarmzustands, der seit Mitte März gilt. Im März sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 830.000. „Das waren zu einem Großteil befristete Verträge, die nur wenige Wochen oder sogar nur Tage dauerten und im März ausliefen“, sagt José Ignacio Conde-Ruiz, von der Business School Esade.

Er erwartet für das zweite Quartal einen noch viel drastischeren Einbruch, wenn auch Verträge mit längeren Laufzeiten auslaufen. „Das wird furchtbar werden“, prognostiziert er.  

Typisch sind solche befristeten Verträge im Tourismus, der besonders unter der Pandemie leidet. Hoteliers und Restaurants fangen in der Regel im März an, Mitarbeiter für die Oster- und Sommersaison einzustellen. Dieses Jahr dürften jedoch kaum ausländische Touristen kommen – und deshalb auch keine Jobs entstehen.

Die spanische Denkfabrik Fedea geht davon aus, dass dieses Jahr innerhalb von acht Wochen 1,7 Millionen weniger befristete Verträge geschlossen werden – so viele waren 2018 in demselben Zeitraum entstanden. „Es deutet alles darauf hin, dass dieses Jahr das schlechteste in der Geschichte des spanischen Arbeitsmarktes wird“, fürchtet Conde-Ruiz. Bereits vor der Coronakrise lag die Arbeitslosigkeit bei 14 Prozent.

Zu denjenigen, die nun auf der Straße stehen, kommen diejenigen hinzu, deren Unternehmen Kurzarbeit beantragt haben. Sie zählen nicht zu den Arbeitslosen, auch wenn sie de facto komplett zuhause bleiben.

Bis Ende vergangener Woche hatten 446.549 spanische Unternehmen nach Angaben der Wirtschaftszeitung El Economista in allen 17 autonomen Regionen für 3,1 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit beantragt. Das sind 16,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Spanien. Ihnen zahlt der Staat 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze, die Unternehmen stocken die Zahlungen aber häufig auf.

Der Staatsanteil ist zwar höher als die 60 Prozent im deutschen Kurzarbeit-Modell. Dafür lag der Durchschnittslohn in Spanien 2018 mit rund 35.800 Euro aber auch deutlich unter den 46.100 Euro von Deutschland.

Italien

Das Kurzarbeitergeld liegt in Italien zwar mit 80 Prozent des Lohnausgleichs für maximal zwölf Monate relativ hoch. Aber Kurzarbeits-Modelle gibt es bislang nur für die großen Industriebetriebe, die Beiträge an die Sozialversicherung INPS gezahlt haben. Profitieren können also nur rund 20 Prozent der Beschäftigten. Und es gibt eine Obergrenze von 1200 Euro, die Mitarbeiter pro Monat erhalten.

Die meisten Beschäftigten, rund 47 Prozent, arbeiten in den kleinen und mittleren Betrieben. Nun soll auch für Dienstleister und Kleinbetriebe Kurzarbeit eingeführt werden. Bislang unterstützt der Staat sie anders: So sind zehn der 25 Milliarden des ersten Hilfspakets für Familien und für Arbeitnehmer vorgesehen, die in Betrieben mit weniger als fünf Mitarbeitern beschäftigt sind.

Dazu gehört, dass im März für die Firmen die Lohnnebenkosten und die Mehrwertsteuer ausgesetzt wurden. Für den März galt das erste Hilfspaket, das zweite für April und Mai kommt noch.

Selbständige erhalten 600 Euro Soforthilfe für den März. Im April und Mai sollen es 800 Euro sein, steuerfrei. Das Heer der Selbständigen ist in Italien größer als in anderen EU-Staaten. Dazu gehören Handwerker, Landwirte, Start-Ups, aber auch Künstler, Schauspieler und Saisonarbeiter aus dem Tourismus. Sie stellen mit rund fünf Millionen Menschen rund 21 Prozent der Beschäftigten. Und gerade die Ein-Mann-Unternehmen sind von der Coronakrise besonders betroffen.

Das Geld ist immer noch nicht ausgezahlt, denn am 1. April, dem ersten Tag für Anträge, brach die Homepage der Sozialversicherung INPS, der Staatlichen Anstalt für soziale Fürsorge, zusammen. „Wir hatten 100.000 Anfragen pro Stunde“, sagte Gabriella Di Michele, Generalsekretärin des INPS. Am Ende waren es 3,058 Millionen Anträge. Das Geld soll zehn bis fünfzehn Tage nach dem Antrag auf dem Konto sein.

Und es gibt ein weiteres spezifisch italienisches Problem: die Schattenwirtschaft, die nach der letzten Erhebung des Statistikamts ein Volumen von 192 Milliarden Euro hat. Geschätzt wird, dass rund 3,7 Millionen Menschen schwarz arbeiten, vor allem im Süden. Denen ist nun durch die Ausgangssperre das Einkommen weggebrochen. Deshalb kam es zu Plünderungen von Supermärkten in Sizilien.

Wieviel Jobs die Krise kosten wird, kann bislang nur geschätzt werden. Immerhin ruht seit dem 23. März die Produktion. Der Verband Confesercenti, der 250.000 kleine und mittlere Unternehmen vertritt, rechnet mit 60.000 Arbeitsplätzen. Rund 15.000 kleine Betriebe könnten schließen, vor allem Restaurants und in der Tourismusbranche. Im Februar lag die Arbeitslosigkeit bei 9,7 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei 29,6 Prozent – das war vor der Coronakrise. 

Griechenland

Den griechischen Arbeitsmarkt trifft das Coronavirus in einer besonders kritischen Phase. Das Land ist noch dabei, sich zu erholen: Im vergangenen Jahrzehnt vernichtete die Schuldenkrise fast jeden vierten Job. Von 4,5 Millionen Arbeitsplätzen im Vorkrisenjahr 2008 waren 2013 nur noch 3,5 Millionen übrig.

Die Arbeitslosenquote erreichte mit 28 Prozent ein historisches Hoch. Seither fällt sie zwar, lag aber im Dezember 2019 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – noch immer bei 16,3 Prozent. Das ist der höchste Stand in der EU vor Spanien.

Seit Mitte März fast alle Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten und Hotels schließen mussten, bangen wieder Hunderttausende um ihre Jobs. Vor allem im Tourismus: Er trägt nach Berechnungen des griechischen Verbandes der Tourismusunternehmen (Sete) direkt und indirekt knapp 31 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Nach einer Statistik des World Travel & Tourism Council (WTTC) hängen in Griechenland 989.000 Jobs am Fremdenverkehr. Das sind fast 22 Prozent aller Arbeitsplätze.

Eine gesetzlich verankerte Regelung zur Kurzarbeit gibt es in Griechenland zwar nicht. Aber die Regierung ergreift ad hoc Maßnahmen. 1,7 Millionen Beschäftigte der von den Zwangsschließungen betroffenen Unternehmen bekommen für März und April staatliche Hilfen von 800 Euro pro Monat. Die Differenz zum letzten Nettolohn trägt der Arbeitgeber. Auch rund 700.000 Selbständige erhalten staatliche Hilfen.

Den Unternehmen hilft der Staat mit Steuerstundungen, Kreditsubventionen und Bürgschaften. Im Gegenzug dürfen die Betriebe während der Zwangsschließungen keine Kündigungen aussprechen. Danach aber schon.

Schätzungen, wie viele Jobs die Corona-Krise in Griechenland kosten wird, wagt bisher niemand. Das hängt von der Tiefe und Dauer der Rezession ab. Viele Unternehmen werden die Krise trotz der Staatshilfen nicht überleben. Hunderttausenden Menschen droht deshalb der Verlust des Arbeitsplatzes und der Absturz in Armut, denn eine Grundsicherung wie Hartz IV gibt es in Griechenland nicht.

Mehr: Furcht vor Kreditausfällen: So geht es den Banken in Griechenland, Italien und Spanien

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