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Betrug vermutet Lukaschenko gewinnt umstrittene Wahl in Weißrussland – Ein Toter bei Protesten

Über 80 Prozent der Bevölkerung sollen den alten und neuen Präsidenten Weißrusslands gewählt haben. Die Oppositionskandidatin Tichanowskaja erkennt die Wahlniederlage nicht an.
09.08.2020 Update: 10.08.2020 - 01:19 Uhr 1 Kommentar

Demonstrant bei anhaltenden Protesten in Minsk gestorben

Minsk Die Wahlkommission in Belarus hat Amtsinhaber Alexander Lukaschenko zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Der 65-Jährige habe 80,23 Prozent der Stimmen bei dem Urnengang am Sonntag erzielt. Die von Experten vorab als stärkste Oppositionskandidatin gewertete Swetlana Tichanowskaja sei auf etwa 9,9 Prozent gekommen, teilte Wahlkommissionschefin Lidia Jermoschina am Sonntag mit. Die Wahlbeteiligung war nach Angaben von Jermoschina so hoch, dass manche Wahllokale in Minsk länger geöffnet blieben als ursprünglich vorgesehen.

Lukaschenko strebte eine sechste Amtszeit an. Im Wahlkampf ging er hart gegen Kritiker vor. Hunderte Menschen wurden festgenommen. Auch am Wahltag gab es viele Festnahmen in der Ex-Sowjetrepublik.

Tichanowskaja erkennt keine Niederlage gegen Lukaschenko an. Das sagte ihre Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend. „Es kann keine Anerkennung eines solchen Wahlergebnisses geben“, sagte Sprecherin Anna Krasulina.

Es sei damit zu rechnen gewesen, dass die staatlichen Meinungsforscher Lukaschenko bereits rund 80 Prozent der Stimmen zuschreiben würden. „Das ist fern jeder Realität.“ Tichanowskaja und ihre Mitstreiterin Maria Kolesnikowa wollten am Abend bei einer Pressekonferenz über die Protestlage in Belarus informieren.

In einzelnen Orten kam es zu Siegesfeiern für Tichanowskaja. Die Menschen riefen die Uniformierten auf, sich dem Wählerwillen zu beugen und dem Volk anzuschließen. In einzelnen Ortschaften habe die Polizei kaum Widerstand leisten können gegen die Menschenmengen, berichteten oppositionsnahe Internetportale.

Einzelne örtliche Wahlkommissionen traten vor die Menschenmengen und verkündeten Ergebnisse, nach denen Staatschef Lukaschenko eine schwere Niederlage erlitten habe. Teils kam Tichanowskaja demnach auf zwischen 80 und 90 Prozent der Stimmen.

Aus dem Ausland gab es belarussischen Medien zufolge Prognosen, nach denen Tichanowskaja teils mehr als 80 Prozent der Stimmen erhalten habe. In Minsk rief die Wahlleiterin Lidija Jermoschina dagegen die vier Gegenkandidaten von Lukaschenko dazu auf, ihre Niederlage anzuerkennen. „Das wichtigste ist, eine Niederlage eingestehen zu können“, sagte sie.

Hundertschaften um den Präsidentenpalast

Bei den Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Weißrussland ist Bürgerrechtlern zufolge ein Mensch getötet worden. Das Todesopfer sei von einem Gefangenentransporter der Polizei umgefahren worden, teilte die Aktivistengruppe Spring 96 am Montag mit. Mindestens 120 Menschen seien festgenommen worden. Aber das seien nur vorläufige Zahlen.

Tausende Menschen versammelten sich nach den ersten Auszählungsergebnissen auf zentralen Plätzen, um gegen Wahlfälschungen zu demonstrieren. In sozialen Netzwerken wurden Videos veröffentlicht, die etwa in der Hauptstadt Minsk zeigten, wie Polizisten auf Menschen einschlugen. Wiederum andere Passanten attackierten daraufhin die Sicherheitskräfte, um eine Festnahme zu verhindern. In Minsk setzten die Beamten Leuchtgranaten ein, um die Menschen zu vertreiben.

Tichanowskaja rief die Sicherheitskräfte in der Nacht zum Gewaltverzicht auf. „Ich möchte Polizei und Militär daran erinnern, dass sie Teil des Volkes sind“, sagte sie nach Angaben ihres Wahlkampfstabs. An ihre Anhänger appellierte sie, Provokationen zu unterlassen. „Ich weiß, dass die Menschen in Belarus morgen in einem neuen Land aufwachen werden“, meinte Tichanowskaja.

Den Videos zufolge waren allein in der Hauptstadt schätzungsweise 10.000 Menschen im Zentrum unterwegs. Autos hupten auf den Straßen. Die Sicherheitskräfte sperrten viele Metro-Stationen ab. Bürger berichteten, dass das Internet landesweit nicht funktionierte. Hundertschaften wurden am Präsidentenpalast zusammengezogen.

Der neue alte Präsident Weißrusslands hatte im Vorfeld Konkurrenten von der Wahl ausgeschlossen. Quelle: imago
Alexander Lukaschenko

Der neue alte Präsident Weißrusslands hatte im Vorfeld Konkurrenten von der Wahl ausgeschlossen.

(Foto: imago)

Die Polizei nahm viele Demonstranten fest. Eine genaue Zahl lag zunächst nicht vor. Die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach am Abend von zunächst mehr als 50 Festnahmen. Es soll auch viele Verletzte gegeben haben.

Auch in anderen Städten des Landes gab es Proteste. In der Stadt Baranawitschy, südwestlich von Minsk, zählten Beobachter bis zu 10.000 Demonstranten. Die Polizei habe auch Tränengas eingesetzt. In Brest im Westen der Ex-Sowjetrepublik gingen die Sicherheitskräfte ebenfalls hart gegen friedliche Demonstranten vor.

Wahlleiterin Lidija Jermoschina erklärte die Präsidentenwahl bereits gegen Mittag für gültig, nachdem die Mindestbeteiligung von 50 Prozent erreicht war. Um 18 Uhr Ortszeit wurde sie mit mehr als 79 Prozent angegeben. Die meisten Wahllokale schlossen um 20 Uhr Ortszeit. In Minsk wurde die Stimmabgabe verlängert, weil viele Menschen ihre Stimme nicht abgeben konnten. Jermoschina sagte, dass nicht genügend Stimmzettel verfügbar gewesen seien und niemand mit einer solchen Wahlbeteiligung gerechnet habe. Ergebnisse der Wahl werden spätestens am Montag erwartet.

„Regierung fühlt sich schwach“

Die Oppositionelle wurde von vielen für ihre Kandidatur gefeiert.
Swetlana Tichanowskaja bei der Stimmabgabe

Die Oppositionelle wurde von vielen für ihre Kandidatur gefeiert.

„Belarus hat noch nie einen solchen Zulauf an den Wahlurnen gesehen. Das ist Ausdruck für den starken Wunsch nach Veränderung“, sagte die Politologin Maryna Rakhlei der Deutschen Presse-Agentur. Es seien auch viele 40- bis 50-Jährige unter den Wählern gewesen, die erstmals überhaupt abgestimmt hätten. Rakhlei wertete das als starkes Zeichen gegen Lukaschenko. „Die Regierung fühlt sich schwach und reagiert mit Brutalität“, sagte sie.

Auch im Ausland bildeten sich lange Schlangen. An der Botschaft in Moskau etwa war sie zeitweilig zwei Kilometer lang. Internationale Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren diesmal nicht im Einsatz.

Sie hatten noch nie eine Wahl in dem wirtschaftlich von Russland abhängigen Land als demokratisch anerkannt. Die OSZE hatte ihre Abwesenheit mit einer fehlenden Einladung begründet. Wegen der Corona-Pandemie gab es zudem massive Reisebeschränkungen, auch für internationale Journalisten.

Bürger, Journalisten und Aktivisten beklagten am Wahltag massive Probleme mit dem Internet. Vor allem viele regierungskritische Seiten waren in Belarus nicht abrufbar. Tichanowskajas Stab warnte vor einer kompletten Abschaltung des Netzes.

Auf diese Weise wollten die Behörden organisierte Proteste verhindern. Ziel Tichanowskajas ist es, die Wahl zu gewinnen, als Präsidentin alle politischen Gefangenen freizulassen und dann freie Neuwahlen anzusetzen. Insgesamt waren in dem Land zwischen Polen und Russland 6,8 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Zur Wahl standen noch drei weitere Kandidaten, die aber als chancenlos galten.

Mehr: Zehntausende demonstrieren in Minsk für Opposition.

  • dpa
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1 Kommentar zu "Betrug vermutet: Lukaschenko gewinnt umstrittene Wahl in Weißrussland – Ein Toter bei Protesten"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ich koennte mir vorstellen, dass es nicht 80 % waren, sondern einige weniger. Aber ich
    kann mir nicht vorstellen, dass es moeglich gewesen soll, das Ergebnis so zu faelschen,
    dass Lukaschenko keine Mehrheit bekommen haette. Von Lukaschenko weiss ich nicht
    viel, ausser dass er im Westen eine schlechte Presse hat. Ich kann mir aber durchaus
    vorstellen, dass eine Mehrheit fuer stabile Verhaeltnisse gestimmt hat.

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