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Brexit gefährdet Prestigeprojekt Europäisches Patentgericht steht vor dem Aus

Es sollte das Prestigeprojekt für innovationsstarke Unternehmen in Europa werden: das Einheitspatent mit dem dazugehörigen Gericht. Doch nach dem Brexit steht beides auf der Kippe. Die deutsche Industrie ist alarmiert.
06.07.2016 - 17:28 Uhr Kommentieren
Seit Jahrzehnten wartet die gesamte europäische Wirtschaft auf einfacheren, günstigeren Patentschutz für ihre Erfindungen – doch das geplante Einheitspatent steht nach dem Brexit vor dem Aus. Quelle: dpa
Europäisches Patentamt in München

Seit Jahrzehnten wartet die gesamte europäische Wirtschaft auf einfacheren, günstigeren Patentschutz für ihre Erfindungen – doch das geplante Einheitspatent steht nach dem Brexit vor dem Aus.

(Foto: dpa)

Durch den Brexit steht das lang ersehnte Europäische Patentgericht vor dem Aus. Denn nach dem Votum der Briten für den EU-Ausstieg könnte nicht nur das europäische Einheitspatent zusammenbrechen. Auch der geplante Gerichtssitz in London würde keinen Sinn mehr machen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt nun vor einer Hängepartie für deutsche Unternehmen, die bekanntlich sehr patentstark sind. „Am besten wäre es, wenn Großbritannien das Abkommen so schnell wie möglich ratifizieren würde“, sagte BDI-Rechtsexpertin Julia Hentsch dem Handelsblatt. „Die Industrie wartet darauf.“

Doch so einfach dürfte es mit der Ratifizierung nicht werden. Jahrzehntelang verhandelten die EU-Mitgliedsstaaten über ein einheitliches Patent und ein einheitliches europäisches Patentgericht. 2013 wurde das Vorzeigeprojekt beschlossen, jetzt im Juli sollte für das Gericht ein halbjähriger Probebetrieb beginnen. Im April 2017 sollten Zentralkammer und Außenstellen ihre Arbeit aufnehmen. Zeitgleich würde auch das neue EU-Patent in Kraft treten. So war der Plan, der nun jedoch ins Wanken gerät.

Bislang herrscht in Europa ein Flickenteppich. Will ein Unternehmen seine Innovationen europaweit schützen lassen, wendet er sich an das Europäische Patentamt (EPA) und wählt dort die Länder aus, für die das Patent gelten soll. Allerdings muss das EPA-Patent dann noch bei den nationalen Patentämtern angemeldet werden – was mit Bürokratie, Übersetzungskosten und Gebühren verbunden ist. Für die Unternehmen stellt das einen enormen Aufwand da und jährliche Kosten in Millionenhöhe. Prozesse gegen Patentverletzungen müssen ebenfalls vor nationalen Gerichten geführt werden, mit sehr unterschiedlicher Rechtsprechung.

Diese Patente sorgten für Ärger
Die „Harvard-Krebsmaus“
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Das Europäische Patentamt erteilte 1992 erstmals ein Patent auf ein Tier. Forscher der Harvard-Universität hatten der Maus menschliche Brustkrebsgene übertragen. An ihr sollten neue Therapiemethoden für den Menschen getestet werden.

(EP 169672)

(Foto: dpa)
„Embryonale Stammzellen“
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Das Patent wurde 1999 auf die Gewinnung tierischer und menschlicher embryonaler Stammzellen erteilt. Das Patent erstreckte sich aber auch auf die damit mögliche Züchtung von Embryonen sowie die Herstellung gentechnisch veränderter Tiere oder Menschen.

(EP 0695351)

(Foto: picture-alliance / medicalpictur)
„Brokkoli-Patent“
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Eine konventionell gezüchtete Brokkoli-Sorte wurde 2002 patentiert. Die Sorte hat einen hohen Anteil eines Stoffes, der krebshemmend wirken soll. Kritiker fürchteten, dass künftig jede Tier- und Pflanzenart patentiert werden könnte, wenn Züchtungen wie Brokkoli zu einer Erfindung erklärt werden.

(EP 1069819)

(Foto: dpa)
„Patent auf Schweine“
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Das Amt patentierte 2008 ein Verfahren, bei dem per Genanalyse die Zucht von Schweinen mit besserem Fleisch ermöglicht werden soll. Dabei wird ein Gen identifiziert, das für saftigeres Fleisch sorgen soll, das auch beim Braten weniger schrumpft.

(EP 1651777)

(Foto: dpa)
„Patente auf Schimpansen“
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Drei Patente auf genveränderte Schimpansen wurden 2012 vergeben. Bei zweien wurden DNA-Stücke von Insekten, Zecken und Krabben ins Erbgut geschleust. Sie spielen bei der Entwicklung von Krebstherapien eine Rolle. Beim dritten Patent wurde das Immunsystem der Schimpansen dem des Menschen angenähert. Damit sollten Antikörper-Therapien getestet werden.

(EP 1572862/EP 1456346/EP 1409646)

(Foto: dpa)

Das geplante Einheitspatent sollte hingegen vom EPA erteilt werden und automatisch in allen EU-Staaten gelten. Nur Spanien will zunächst nicht mitmachen. Bei Streitigkeiten wäre das Europäische Patentgericht mit Sitz in Paris zuständig, mit Kammern in München und London. Das brächte Rechtssicherheit bei Patentstreitigkeiten.

Doch das geplante Patentsystem wäre ohne Großbritannien kaum noch etwas wert. Zum einen muss Großbritannien das Abkommen zwingend ratifizieren, weil es neben Deutschland und Frankreich zu den drei EU-Staaten mit den meisten Patenten zählt. Diese Ratifikation ist mit dem Brexit nun zunächst blockiert. Rechtlich fragwürdig wäre zudem, ob das Einheitspatent nach dem EU-Ausstieg in Großbritannien überhaupt gelten würde. Das könnte das Patent insgesamt zu Fall bringen, weil einer der größten Märkte aus dem Patentschutz fiele. Dass in London eine Kammer des Europäischen Patentgerichts residiert und für die EU bindendes Recht spricht, wäre rechtlich ebenfalls umstritten.

„Die Auswirkungen des britischen Referendums auf das Europäische Patentgericht sind derzeit völlig offen“, meint denn auch die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). „Tatsächlich würde ein Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU sowohl das Übereinkommen zum Patentgericht in der bisherigen Fassung als auch den Standort London in Frage stellen“, sagte sie dem Handelsblatt.

10 Innovationen, die unser Leben veränderten
Fotovoltaik
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Solarzellen wandeln die nahezu unerschöpfliche Strahlungsenergie der Sonne direkt in elektrische Energie um – dass sie das können, geht indirekt auf Albert Einstein zurück. Der fotovoltaische Effekt in Solarzellen nämlich ist nichts anderes als ein Sonderfall des fotoelektrischen Effekts für den Einstein im Jahr 1922 den Physiknobelpreis erhielt.

Derzeit macht Solarstrom zwar bloß wenige Prozent der globalen Energieversorgung aus, an entlegenen Orten ohne elektrische Infrastruktur jedoch sind Solarzellen eine der wenigen Möglichkeiten, zuverlässig elektrische Energie zu gewinnen. 

(Foto: dpa)
GPS
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Die eigene Position an der Erdoberfläche auf wenige Dezimeter genau bestimmen, und das an jedem beliebigen Ort der Welt – das geht nur mit Satelliten. Grundlage von Navigationsgeräten und hochpräzisen Kartenwerken ist die Raketentechnologie, für die seit Mitte des 20. Jahrhunderts Chemie, Metallurgie und Ingenieurwissenschaft Pate stehen.

Doch hinter dem Mitte der 1980er Jahre in Betrieb genommenen System steht nicht nur Rocket Science, auch die Zeitmessung genügt höchsten Ansprüchen Um die Entfernungen der Satelliten untereinander und zum Empfänger an der Oberfläche auf wenige Meter genau zu bestimmen, messen die Satelliten die Laufzeiten der Signale mit hochpräzisen Cäsium-Atomuhren. 

(Foto: ap)
Zelluläre Mobilfunknetze
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Nicht nur durch ständige Erreichbarkeit haben Handys den Alltag global drastisch verändert. Daten zwischen nicht ortsfesten Telefonen auch bei Millionen Netzteilnehmern zuverlässig zu übertragen, stellt hohe Ansprüche an Informationstechnologie und Netzwerkarchitektur. Moderne Mobilfunknetze überdecken die Landschaft mit einander überlappenden Funkzellen. Jede von ihnen wird von einer zugehörigen Basisstation abgedeckt, die Funksignale mit den Mobilgeräten in ihrer Zelle austauscht. Die Basisstationen enthalten meist mehrere Sende- und Empfangseinrichtungen, die über unterschiedliche Frequenzen mit den Endgeräten kommunizieren können.

Wann welche Basisstation mit welchem Mobiltelefon austauscht, bestimmt eine zwischengeschaltete Ebene von Kontrolleinrichtungen, die jeweils mehrere Basisstationen steuern. Diese Base Station Controller organisieren auch den so genannten Handover, den Übergang eines Geräts von einer Funkzelle in die andere. In der nächsthöheren Ebene, bei den Mobile-Services Switching Centers (MSC) gelangen die Daten dann in das Festnetz.

(Foto: ap)
Die Pille
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Das Prinzip der hormonellen Verhütung stammt bereits aus den 1920er Jahren des 20. Jahrhunderts, aber erst die Chemiker Carl Djerassi und Louis Miramontes synthetisierten mit Norethindron das erste künstliche Gelbkörperhormon, das den Eisprung unterdrückt. Diese so genannten Gestagene sind Steroidhormone, und deren komplizierte chemische Struktur mit vier Ringen und sechs Stereozentren machte ihre Synthese zu einer schwierigen Aufgabe.

1960 wurde das erste Medikament auf Basis dieser Entdeckung zugelassen. Seither hat die orale Verhütung die Situation von Familien, aber insbesondere von Frauen in der Gesellschaft drastisch verändert. Dass Schwangerschaft und Kinderzahl mit dem neuen Präparat kontrollierbar wurden, gibt Müttern und Vätern zuvor ungeahnten Freiraum nicht nur in Ausbildung und Beruf, sondern insgesamt bei der Lebensplanung.

(Foto: ap)
Flüssigkristallbildschirme
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Flachbildschirme finden sich heute zumindest in den Industrieländern in fast jedem Haushalt – sie sind zum universellen Darstellungsmedium der digitalen Welt geworden. Ohne Flüssigkristalle, die diese flachen und leichten Bildschirme erst ermöglichen, gäbe es kein mobiles Internet, keine Touchscreens und auch keine Großbildfernseher. Diese Anwendungen verdanken wir zwei besonderen Eigenschaften solcher Moleküle: Eine basiert darauf, dass sie sich verhalten wie eine Flüssigkeit, die zweite ist typisch für kristalline Festkörper. Zum einen nämlich können sich die Moleküle frei bewegen – und sich so bei Bedarf in einem Magnetfeld ausrichten.

Zum anderen sind sie in dieser geordneten, kristallinen Anordnung doppelbrechend: Mit dem Übergang zur geordneten Phase verändert sich ihre Durchlässigkeit für polarisiertes Licht, und mit Hilfe gegeneinander gedrehter Polarisationsfilter kann man kleine Kammern mit Flüssigkristallen zwischen lichtdurchlässig und lichtundurchlässig hin und her schalten. Dieses Prinzip steht hinter allen Flüssigkristallbildschirmen, angefangen von den Sieben-Segment-Anzeigen der ersten Taschenrechnern bis hin zu den heutigen modernen Smartphones mit weit über einer Million farbiger Pixel.

(Foto: ap)
Kunststoffe
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Das wohl sichtbarste Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung sind die Kunststoffe. Chemisch gesehen umfasst diese als Plastik bezeichnete Werkstoffklasse alle klassischen organischen Polymere, sie bestehen aus kohlenstoffreichen Kettenmolekülen, zusammengesetzt aus einfachen chemischen Bausteinen. Plastik ist heute überall. Nicht nur weil es billig ist, sondern weil es so viele unterschiedliche Sorten mit unterschiedlichen Eigenschaften gibt – sie sind hart oder weich, vertragen mal Hitze, mal aggressive Chemikalien, bilden Dämmschäume für klimaneutrale Häuser, sterile Verpackungen für die Medizin oder spritsparende Autoreifen.

Das Geheimnis dieser Vielfalt ist einfach, dass es sehr viele unterschiedliche Bausteine gibt, von denen jeder einzelne ein Material mit spezifischen Eigenschaften bildet. Einen Nachteil allerdings haben Kunststoffe: Sie entstehen heute noch fast ausschließlich aus Erdöl. Allerdings arbeiten Forschungsgruppen weltweit bereits an vergleichbaren Materialien aus natürlichen Quellen.

(Foto: dpa)
Integrierte Schaltkreise
7 von 10

Die moderne Computertechnologie basiert auf der Möglichkeit, Millionen elektronische Bauelemente binnen kurzer Zeit auf kleinstem Raum zu einem Mikrochip zu vereinen. Ohne integrierte Schaltkreise bräuchte man selbst für die Rechenleistung eines Mobiltelefons eine Lagerhalle voller Transistoren – und eine zweite für die Kühlung. Grundlage dieser Technologie, dank der bis zu 9 Millionen elektronische Bauteile auf einen Quadratmillimeter passen, sind einerseits die Halbleiter und andererseits das chemische Verfahren der Fotolithografie.

Elektrische Bauteile für logische Operationen gab es in Form von Röhren und Transistoren bereits zuvor, doch erst die Erkenntnis, dass Konstrukte aus Halbleitern die gleiche Funktion ausüben können, macht es möglich, solche Bauteile auf kleinstem Raum in eine Oberfläche einzubauen. Um derart kleine Strukturen herzustellen, ist allerdings chemisches Knowhow erforderlich: So genannte Fotolacke, die unter Licht aushärten, sowie Ätz- und Waschlösungen helfen die Strukturen zu formen, aus denen der Mikrochip schichtweise aufgebaut ist.

(Foto: AFP)

Ähnlich sieht das auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner: „Das Prestigeprojekt hängt derzeit komplett in der Schwebe.“ Fechner warnt jedoch davor, das Einheitspatent einfach aufzugeben. Dafür sei die wirtschaftliche Bedeutung für deutsche Unternehmen und Erfinder viel zu groß. „Es werden aber auf jeden Fall Nachverhandlungen nötig sein“, sagte Fechner dem Handelsblatt. Dass London nun noch Gerichtssitz wird, hält der SPD-Politiker indes für ausgeschlossen.

Die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), betonte: „Das Vereinigte Königreich muss dabei sein, so steht es klar im Gesetz.“ Das entbinde Deutschland, Frankreich und die anderen Mitgliedstaaten jedoch nicht von der Pflicht, erst einmal das Gesetz zu ratifizieren. „Wie es weitergeht, wird man erst sehen und sagen können, wenn Großbritannien tatsächlich einen Austrittsantrag gestellt haben sollte und darüber verhandelt werden wird“, sagte Künast dem Handelsblatt. Der Rechtsausschuss vertagte am Mittwoch die Beratungen über das Europäische Einheitspatent erst einmal.

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