Bundeshaushalt Die „Zukunftsquote": Ein neues Maß zeigt, wie zukunftsfähig Investitionen sind

Beide Politiker sollen Interesse daran haben, in der „Zukunftskoalition“ Finanzminister zu werden.
Berlin Eines war Olaf Scholz (SPD) in seiner Zeit als Bundesfinanzminister immer besonders wichtig: die Höhe der Investitionen im Haushalt. Er habe sie auf ein Rekordniveau angehoben, rund 50 Milliarden Euro, und verstetigt. Scholz spricht dann gern von „Zukunftsaufgaben“, die man im Etat abdecke.
Allerdings ist die Abgrenzung bei Investitionen im Haushalt schwierig. Fragwürdige Subventionen wie das Baukindergeld zählen dazu, genauso wie coronabedingte Haushaltszuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit. Personalausgaben für Grundlagenforschung oder Bildung zählen dagegen nicht als Investition.
Ökonomen vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben nun einen Ansatz entwickelt, wie sich Investitionen besser und exakter im Haushalt darstellen lassen: durch eine sogenannte „Zukunftsquote“. Die Studie, die das ZEW im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt hat, liegt dem Handelsblatt vor.
Die Zukunftsquote gibt an, „in welchem Umfang der Haushalt Mittel für Ziele bereitstellt, die erst in der mittleren oder ferneren Zukunft einen Nutzen stiften werden“, heißt es in der Studie. Die ZEW-Forscher haben sie auch gleich ausgerechnet.
Im Bundeshaushalt 2019, dem letzten Etat vor der Coronapandemie, lag die Zukunftsquote bei 18,3 Prozent. 65,3 Milliarden Euro waren demnach Zukunftsausgaben. Insgesamt umfasste der Haushalt 356 Milliarden Euro.
Ampel soll ihre Politik an neuer Quote messen lassen
Das ZEW empfiehlt, solch eine Zukunftsquote künftig regelmäßig zu nutzen. Aus Sicht von Projektleiter und ZEW-Forscher Friedrich Heinemann bietet sich das Konzept gerade für ein mögliches Ampelbündnis an.
Schließlich haben SPD, FDP und Grüne verkündet, eine „Fortschrittskoalition“ bilden zu wollen. „Gerade eine neue Regierung, die erklärtermaßen verstärkt die Zukunftsaufgaben des Landes angehen will, muss ihre Finanzpolitik an einem solchen Indikator messen lassen“, sagt Heinemann.
Kein Budgetindikator sei perfekt, so Heinemann, „aber unsere Zukunftsquote kann den Parlamenten tatsächlich eine neue hilfreiche Orientierungsmarke an die Hand geben, um auf der Ausgabeseite des Budgets in umfassender Weise die Leistung für die nächste Generation zu beziffern“.
Zunächst einmal haben die ZEW-Experten die Zukunftsquote für die Haushalte 2019 und 2021 errechnet. Nach den 18,3 Prozent im Jahr 2019 sank die Quote im Etat 2021 auf 17 Prozent oder knapp 85 Milliarden Euro.
Zukunftsorientierung des Haushalts tendenziell gestiegen
Das liegt vor allem an den vielen Corona-Rettungsprogrammen, durch die der Bundeshaushalt auf 548 Milliarden Euro stieg. Das erklärt auch, warum zwar die absolute Summe an Zukunftsausgaben zulegte, aber die Quote sank.
Im langfristigen Trend ist die Entwicklung dagegen überraschend positiv. Seit Anfang der 2000er-Jahre deuten die Daten darauf hin, dass die Zukunftsorientierung des Bundeshaushalts tendenziell gestiegen ist – trotz der Ausweitung vieler Sozialprogramme und steigender Rentenausgaben.
Der Grund: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie für Investitionen legten stärker zu als die Sozialausgaben, deren Anstieg aufgrund der guten Beschäftigungslage eher moderat ausfiel, weil der Staat weniger Geld etwa für Arbeitslosenhilfe ausgeben musste.

Scholz rühmt sich damit, dass in seiner Amtszeit die „Zukunftsausgaben“ der Bundesregierung gestiegen seien.
Ausgangspunkt der ZEW-Studie ist eine Systematisierung der Ausgaben im Bundeshaushalt. „In die Zukunftsquote Eingang finden solche Positionen, die einen Beitrag zur Erhaltung oder Verbesserung von Sach-, Natur- und Humankapital oder technischem Wissen leisten“, heißt es in der Studie. Das können klassische Investitionen im Forschungs- und Bildungsbereich sein. Aber auch Personalausgaben, wenn sie einen umweltpolitischen Beitrag leisten, Innovationen fördern oder das Bildungssystem verbessern.
Nicht eingeschlossen sind hingegen Ausgaben, bei denen der Gegenwartsnutzen im Vordergrund steht oder mit denen Vergangenheitslasten finanziert werden. Ein Beispiel dafür sind etwa die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an die Rentenkasse.
Nimmt die Politik den Vorschlag auf?
Die Zukunftsausgaben können noch unterschiedlich gewichtet werden, je nach Nutzen beispielsweise nur zu 25 Prozent einfließen oder komplett. So skizziert das ZEW in der Studie vier mögliche Ausgestaltungen der Quote: Sie unterscheiden sich in der Frage, ob Zukunftsausgaben möglichst eng oder großzügiger definiert werden. Zudem gibt es eine Quote, bei der Investitionen grundsätzlich einberechnet werden, bei einer anderen werden einige, deren Zukunftsnutzen nicht so groß ist, nur mit 50 Prozent einbezogen. Das ZEW empfiehlt den Ansatz, bei dem auch Investitionsausgaben nach Nutzen gewichtet werden.
Anschließend haben die ZEW-Experten einen Algorithmus entwickelt, mit dem sich die Zukunftsquote in den Haushaltsplänen, die mehr als 3000 Seiten umfassen, berechnen lässt. Die Expertenkommission „Forschung und Entwicklung“ hatte in ihrem diesjährigen Gutachten einen ähnlichen Vorschlag gemacht.
Ursprünglich kommt der Vorschlag für eine Zukunftsquote von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, um so mehr Investitionen in Bildung, Forschung, neue Technologien, Umwelt- und Klimaschutz sowie moderne Infrastruktur in Gang zu setzen. Doch ob eine solche Quote tatsächlich eingeführt wird, liegt nun nicht mehr in der Hand der Union – sondern in der von Robert Habeck (Grüne) oder Christian Lindner (FDP). Einer von beiden wird der künftige Bundesfinanzminister sein. Sofern die Ampel sich nicht überraschend zerlegt.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.