China und EU „Wird unsere Position verbessern“: Europäische Wirtschaft lobt Investitionsabkommen trotz Defiziten

Das Investitionsabkommen mit China gewährt EU-Unternehmen einen Marktzugang in China in wichtigen Branchen wie Elektroautos, Chemikalien, Telekommunikationsgeräte und medizinische Geräte.
Brüssel In der europäischen Wirtschaft wird das EU-Investitionsabkommen Comprehensive Agreement on Investment (CAI) trotz mancher Defizite durchwegs gelobt. „Wir sehen CAI grundsätzlich positiv. Das Investitionsabkommen wird nicht alles lösen, aber es wird unsere Position verbessern“, sagte Markus Beyrer, Generaldirektor des europäischen Arbeitgeberdachverbands BusinessEurope, dem Handelsblatt am Freitag in Brüssel.
„CAI ist der erste Schritt zu einem Gleichgewicht zwischen China und EU. Denn wir werden deutlich mehr Marktzugänge erhalten. Die Wettbewerbsvorteile der Staatsunternehmen werden relativiert, und der erzwungene Technologietransfer wird eingeschränkt.“
Auch Rechtsexperten werten das Investitionsabkommen, das am Freitag veröffentlicht wurde, als Fortschritt. „Das Investitionsabkommen ist ein Meilenstein“, sagte China-Experte Heiner Braun von der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer dem Handelsblatt.
„Ironischerweise haben die Europäer, insbesondere die Deutschen, von dem Druck profitiert, den Trump auf China ausgeübt hatte. Denn vor allem dieser Druck hat zu mehr Reziprozität geführt. Das gilt insbesondere für die Automobilindustrie und für Banken und Versicherungen. Es ist positiv, dass es künftig mehr Marktzugänge für Unternehmen aus der EU geben wird.“
Das Investitionsabkommen mit China, dessen vorläufiger Vertragstext von der Kommission am Freitag veröffentlicht wurde, gewährt EU-Unternehmen einen Marktzugang in China in wichtigen Branchen wie Elektroautos, Chemikalien, Telekommunikationsgeräte und medizinische Geräte.
Auch EU-Investitionen im Dienstleistungsbereich wie beispielsweise für Cloud-Dienste, die Finanzbranche, private Gesundheitsversorgung, Umweltdienstleistungen sowie im internationalen See- und Luftverkehr werden künftig möglich werden. CAI umfasst nach dem vorläufigen Vertragstext auch Verbesserungen im Arbeits- und Umweltschutz.
Nach der Ablösung von Donald Trump durch den neuen US-Präsidenten Joe Biden mehren sich die Stimmen in Brüssel, die in CAI keine künftige Belastung für die transatlantischen Beziehungen sehen. „Das CAI wird das neue Verhältnis mit den USA nicht grundsätzlich beschädigen.“
Zweifel an Chinas Vertragstreue
„Wir brauchen eine koordinierte Chinapolitik mit Washington, um einen positiven Druck aufzubauen“, ist Beyrer überzeugt. „Der Moment für einen Abschluss des Investitionsabkommens war einzigartig. Durch das Momentum wurde der neue US-Präsident Biden nicht beschädigt“, ist sich auch Außenwirtschaftsexperte Uwe Salaschek von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer sicher.
Für Fragezeichen sorgt allerdings die Vertragstreue Chinas. In Brüssel herrschen daran große Zweifel. „Es ist uns bewusst, dass die Chinesen sich nicht immer vollständig an Abkommen halten“, sagte Arbeitgebervertreter Beyrer in Brüssel. Auch bei Außenwirtschaftsexperten gibt es Unsicherheiten. „Auf dem Papier ist in Sachen Transparenzmechanismen viel in dem Vertragsentwurf geschehen. Doch die Frage der Umsetzung bleibt“, warnt der Jurist Salaschek.
Die EU-Kommission gibt sich im Umgang mit China unterdessen keinen falschen Hoffnungen hin. „Wir sind nicht naiv“, sagte Binnenmarkt-Kommissar Breton zum Investitionsabkommen in einem Gespräch mit dem Handelsblatt und anderen europäischen Medien. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Vereinbarungen umgesetzt werden.“ Er wisse noch aus seiner Zeit als CEO des Elektronikkonzerns Thomson, wie schwierig das Investieren in China sei. „Der Schutz von IT muss noch diskutiert werden“, sagte Breton.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zum Umgang mit China: "Wir sind nicht naiv."
Aus der Sicht der Freshfields-Experten ist CAI für die EU günstiger als für China. Denn es gewähre den Mitgliedsländern in vielen Branchen einen deutlich besseren Marktzugang. China hingegen habe bislang schon einen guten und diskriminierungsfreien Zugang zum Binnenmarkt. Das Investitionsabkommen schaffe zudem erstmals eine völkerrechtliche Rechtsposition in China über die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) hinaus.
In Wirtschaftskreisen findet auch viel Zustimmung, dass für die Autoindustrie der in China boomende Markt der Elektrofahrzeuge geöffnet wird. „Die Schwelle von einer Milliarde Euro für den Markteintritt in die E-Mobilität ohne Joint-Venture-Zwang ist nicht schön, aber ein Anfang für den Zukunftsmarkt“, sagte China-Experte Braun.
Auch sei es von Vorteil, dass künftig auch Krankenhausbetreiber aus der EU die Möglichkeit erhalten, Privatkliniken in Shanghai oder Peking zu betreiben.
Lobend wird anerkannt, dass die EU die außenwirtschaftlichen Maßnahmen gegen chinesische Investoren in der EU beibehalten und insbesondere kritische Infrastrukturen sowie Technologien weiterhin gegen unwillkommene Aufkäufe aus China schützen kann. Auch die Schaffung einer Schiedsgerichtsbarkeit sei ein Fortschritt. Bislang habe es einen derartigen Schutz nicht gegeben.
Schutz der Daten bleibt Schwachpunkt
Ein Schwachpunkt bleibt weiterhin der Schutz von digitalen Daten. Denn die Sicherheit der Daten ist nicht Bestandteil des Investitionsschutzabkommens. Das ist aus der Sicht von Unternehmen in China alles andere als zufriedenstellend. „Durch einen geringeren Zwang für Joint Ventures sinkt auch das Risiko eines erzwungenen Technologietransfers und eines Missbrauchs des geistigen Eigentums. Natürlich sind viele Formulierungen relativ offen. Doch das ist mehr als nichts“, ist China-Experte Braun überzeugt.
Ein Wirtschaftsvertreter in Brüssel, der ungenannt bleiben wollte, vermisste einen durchsetzbaren Rechtsschutz für Investoren. „Kein Unternehmen würde den chinesischen Staat verklagen“, prognostiziert er. „Der Rechtsschutz muss in einem separaten Abkommen geregelt werden.“
In China sind 5200 deutsche Unternehmen mit einer Million Beschäftigte investiert. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) stieg China im vergangenen Jahr erstmals hinter den USA zum wichtigsten Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft auf.
Der dortige Exportumsatz belief sich zuletzt auf 95 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hat China Frankreich von Platz zwei verdrängt. Laut DIHK werden die deutschen Exporte nach China in diesem Jahr um sechs Prozent zulegen. 2020 sind sie um knapp zehn Prozent eingebrochen. Das Wirtschaftswachstum in China belief sich im vierten Quartal auf 6,5 Prozent.
Vertrag wird finalisiert
Für das Gesamtjahr wird nach offiziellen Angaben mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 2,2 Prozent gerechnet. China gilt als ein Stimulator der Konjunktur in Deutschland.
Der Optimismus sei trotz der Pandemie groß, denn die Geschäftslage habe sich weiter verbessert. „China war überraschend schnell wieder arbeitsfähig“, sagte ein Wirtschaftsvertreter zu den Folgen der Pandemie, die in China ihren Anfang genommen hatte.
Die Bedeutung von China wird für Deutschland weiterwachsen. „China kratzt an den USA als wichtigstes Abnehmerland für Deutschland“, sagte ein deutscher Wirtschaftsvertreter, der ungenannt bleiben wollte.
Der am Freitag veröffentlichte Vertragstext wird in den nächsten Monaten von Experten finalisiert. Erst dann kann der Ratifizierungsprozess im Europaparlament und -rat beginnen. Im EU-Parlament werden harte Diskussionen zu den Themen Menschenrechte und Arbeitsschutz erwartet. „Mir ist sehr bewusst, dass das Europäische Parlament wegen des Arbeitsschutzes Vorbehalte hat“, sagte EU-Kommissar Breton zuletzt. Insider in Brüssel rechnen damit, dass CAI frühestens im nächsten Jahr in Kraft treten wird.
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