Corona-Hilfen Griechenland zahlt Hilfskredite vorzeitig zurück – doch die Finanzlage bleibt prekär

Epidemiologisch ist in Griechenland keine Entspannung in Sicht.
Athen In Kürze will Griechenlands Finanzminister Christos Staikouras 3,3 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington überweisen. Es handelt sich dabei um Hilfskredite aus den Jahren der Schuldenkrise, die Athen jetzt vorzeitig zurückzahlen möchte.
Damit begleicht Griechenland knapp zwei Drittel seiner noch ausstehenden Schulden beim IWF. Mit der außerplanmäßigen Tilgung will Finanzminister Staikouras die Zinslast senken, das Währungsrisiko mindern und die Schuldentragfähigkeit des Landes verbessern.
Trotz der Rückzahlung der IWF-Kredite bleibt Griechenlands Schuldensituation aber prekär. Die Staatsschulden erreichten Ende 2020 einen neuen Rekord. Die Corona-Pandemie wirft das Land beim Schuldenabbau weit zurück.
Der IWF muss der außerplanmäßigen Tilgung noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Die Bestätigung wird in den nächsten Tagen erwartet. Bereits vergangene Woche hatte der Euro-Stabilitätsfonds ESM der vorzeitigen Rückzahlung der IWF-Kredite zugestimmt. Sie werde „einen positiven Effekt für die Finanzen des Landes haben“, erklärte ESM-Chef Klaus Regling. Damit senke Griechenland die Kosten für den Schuldendienst und stärke das Vertrauen der Finanzmärkte, so Regling.
Der Euro-Fonds könnte verlangen, dass Athen zugleich mit der Tilgung der IWF-Darlehen auch einen entsprechenden Anteil seiner Schulden beim ESM und dessen Vorgänger EFSF zurückzahlt. Das wären 104,5 Milliarden Euro – eine unerschwingliche Summe. Voraussetzung für die vorzeitige Tilgung der IWF-Kredite war deshalb der jetzt vom ESM ausgestellte „Waiver“, eine Verzichtserklärung.
In den Krisenjahren 2010 bis 2018 flossen Hilfskredite von 289 Milliarden Euro nach Griechenland. 31,5 Milliarden davon kamen vom IWF. Im Gegensatz zu den Darlehen des EFSF und des ESM, die Laufzeiten bis ins Jahr 2070 haben, handelte es sich bei den Hilfen des Währungsfonds um Darlehen mit kurzen Fälligkeiten.
Das meiste Geld hat Griechenland bereits zurückgezahlt. Aktuell schuldet Athen dem IWF noch Kredite von 4,3 Milliarden Sonderziehungsrechten (SZR). Das entspricht nach aktuellem Kurs 5,16 Milliarden Euro.
IWF soll als Gläubiger Griechenlands bleiben
Bei den jetzt zur Rückzahlung vorgesehenen 3,3 Milliarden Euro handelt es sich um Kreditraten, die planmäßig zwischen März 2021 und Ende 2022 fällig werden. Für die Tilgung kann Griechenland auf vorhandene Rücklagen und die Erlöse aus bereits am Kapitalmarkt begebenen Anleihen zurückgreifen.
Erst Ende Januar platzierte das Land eine zehnjährige Anleihe über 3,5 Milliarden Euro am Markt. Der Zinskupon für den zehnjährigen Bond betrug 0,75 Prozent. So billig konnte sich Griechenland noch nie am Markt refinanzieren, seit das Land 2001 den Euro einführte.
Mit der vorzeitigen Tilgung spart Finanzminister Staikouras beim Schuldendienst in diesem und im nächsten Jahr knapp 40 Millionen Euro, denn der IWF verlangt für seine kurz laufenden Kredite höhere Zinsen, als Griechenland sie für die langfristigen ESM-Kredite oder am Kapitalmarkt bezahlen muss. Die Ablösung der Darlehen mindert auch das Währungsrisiko, da der Kurs der SZR zum Euro schwankt.
Staikouras hätte deshalb am liebsten alle ausstehenden IWF-Kredite abgelöst. Das wollen die Euro-Partner, allen voran Deutschland, aber nicht. Ihnen ist wichtig, dass der IWF als Gläubiger Griechenlands mit seiner Expertise und seinem Gewicht bei den regelmäßigen Prüfungen an Bord bleibt.
Griechenland steht unter verschärfter Beobachtung der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, des ESM und des IWF. Vertreter dieser vier Institutionen prüfen alle drei Monate die Bücher in Athen. Der ESM als größter Gläubiger führt parallel dazu seine eigenen Prüfungen durch. Im Rahmen des sogenannten „Frühwarnsystems“ erstellen ESM-Experten alle drei Monate eine Analyse zur Finanzlage des Schuldners.
Die hat sich, nach einer Konsolidierung in den Jahren 2018 und 2019, infolge der Belastungen durch die Corona-Pandemie inzwischen wieder deutlich verschlechtert. Die Regierung pumpt Milliarden in die Wirtschaft, um strauchelnde Unternehmen zu stützen und gefährdete Arbeitsplätze zu erhalten.
Keine finanzielle Entspannung in Sicht
Die Primärbilanz des Haushalts 2020, die den Schuldendienst ausklammert, schloss mit einem Minus von 18,2 Milliarden Euro statt eines geplanten Überschusses von 3,5 Milliarden. Die Brutto-Staatsschulden erreichten nach Angaben des staatlichen Rechnungshofs Ende 2020 mit 374,01 Milliarden Euro eine neue Rekordhöhe.
Auch für dieses Jahr ist keine Entspannung der schwierigen Finanzlage in Sicht. Seit Anfang November ist das Land bereits im Lockdown. Niemand weiß, wann Geschäfte und Gastronomie wieder öffnen oder ob sich die Hoffnung auf eine Erholung des Tourismus in diesem Sommer erfüllt.
Davon hängt viel ab für die Wirtschaft und die Staatsfinanzen. Die Tourismusbranche steuerte in guten Jahren mehr als ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt bei und ist damit der stärkste Wachstumsmotor der griechischen Wirtschaft.
Epidemiologisch ist keine Entspannung in Sicht: Vergangene Woche meldete Griechenland die höchste jemals an einem Tag festgestellte Zahl von Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz erreichte einen neuen Höchstwert. Sie schnellte von 30 Ende Januar auf 125.
Corona-Hilfen von 27 Milliarden Euro hat Finanzminister Staikouras seit Beginn der Pandemie bereits verteilt. Im diesjährigen Haushalt waren weitere 7,5 Milliarden angesetzt, aber das wird nicht reichen. Staikouras rechnet jetzt mit Kosten von mindestens 11,6 Milliarden.
Zugleich brechen wegen der Rezession die Haushaltseinnahmen weg. Sie lagen im Januar um 17,4 Prozent unter dem Plan. Schon jetzt ist absehbar, dass Griechenlands Schuldenberg in diesem Jahr weiterwachsen wird. Daran ändert auch die vorzeitige Tilgung der IWF-Kredite nichts.
Mehr: Die EU setzt Schuldenregeln noch ein Jahr länger aus – mindestens
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