Corona-Impfstoff Urteil gegen Astra-Zeneca: Warum die EU vorerst trotzdem nicht mehr Impfstoff bekommt

Das Unternehmen konnte weniger produzieren, als es sich vorgenommen hatte.
Brüssel Wochenlang hatte sich der Streit zwischen dem Impfstoffhersteller Astra-Zeneca und der Europäischen Union (EU) zugespitzt, bis die EU-Kommission schließlich Klage einreichte. Nun ist ein erstes Ergebnis da.
Um was geht es?
Die EU-Kommission hatte im Sommer 2020 einen Vertrag mit dem britisch-schwedischen Pharmaunternehmen Astra-Zeneca über 300 Millionen Impfstoffdosen abgeschlossen, zu liefern waren diese bis Ende Juni 2021, mit einigen Zwischenetappen. Diese Zwischenziele hat Astra-Zeneca nie erfüllt.
Das Unternehmen führte Produktionsprobleme an Standorten in der EU an, was die EU auch hätte gelten lassen müssen. Im Vertrag gibt es eine „best effort“-Klausel, also die Aussage, dass Astra-Zeneca alle vertretbaren Anstrengungen unternehmen muss, um den Vertrag einzuhalten. Wenn das aber nicht ausreicht, kann es dafür keine Strafe geben.
Nun belieferte Astra-Zeneca den Kunden Großbritannien allerdings fristgerecht. Daraus leitete die EU-Kommission ab, dass Astra-Zeneca keinesfalls alles tat, um die Lieferverpflichtungen an die EU einzuhalten – und klagte vor einem belgischen Gericht. Das Gericht gab der EU nun recht: Wenn die Kapazitäten innerhalb der EU nicht ausreichen, muss Astra-Zeneca die EU auch von England aus beliefern. Dabei geht es um ein Werk in Oxford.
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Wozu verpflichtet das Gericht Astra-Zeneca?
Im Urteil gibt es nun zwei Auflagen für Astra-Zeneca: Erstens muss das Unternehmen gewisse Mengen zu fixierten Zeitpunkten an die EU-Staaten liefern und eine Strafe zahlen, wenn das nicht passiert. Die Mengen sind aber so niedrig angesetzt, dass sie leicht zu erfüllen sind: Insgesamt soll das Unternehmen bis zum 27. September 80,2 Millionen Dosen geliefert haben.
Diesen Wert wird es schon Ende Juni überschritten haben, teilt das Unternehmen mit. Laut der Anwälte, die den Fall für die EU-Kommission betreuen, hat ihre Klage dazu geführt, dass Astra-Zeneca schneller geliefert hat.
Die zweite Auflage ist, die „best effort“-Klausel so auszulegen, dass dabei auch die Produktionsstandorte auf britischem Boden einbezogen werden. Auf die Begründung, man könne die EU nicht beliefern, weil die dortigen Fabriken nicht funktionieren, darf sich das Unternehmen also nicht berufen. Die EU-Kommission verspricht sich davon schnellere Lieferungen, bis die 300 Millionen vereinbarten Dosen erreicht sind.
Astra-Zeneca-Chef Pascal Soriot hat inzwischen zugegeben, dass er der britischen Regierung ein Vorzugsrecht eingeräumt hat. Da er das der EU nicht offenlegte, kann auch das kein Grund sein, die EU nachrangig zu beliefern, so das Gericht.
Wer hat gewonnen?
Die Forderungen der EU gingen deutlich über das Urteil hinaus. Sie hatte 130 Millionen Dosen bis Ende Juni gefordert. Außerdem wollte sie 10 Euro Strafe pro verzögerter Impfdosis – und zwar für jeden einzelnen Tag der Verzögerung. Das Gericht sieht nun eine Strafe von 10 Euro pro verzögerter Dosis vor – allerdings nur ein Mal. Außerdem wird es wegen der niedrigen zu erfüllenden Werte kaum zu einer Zahlung kommen.
Trotzdem zeigte sich die EU-Kommission sehr zufrieden. „Diese Entscheidung bestätigt die Position der Kommission“, ließ sich Präsidentin Ursula von der Leyen zitieren: „Astra-Zeneca hat nicht im Sinne seiner Verpflichtungen aus dem Vertrag gehandelt.“
Politisch ist das sehr wichtig für die Kommission. Sie zeigt damit, dass die Verzögerungen nicht auf einen Verhandlungsfehler auf EU-Seite zurückzuführen sind, sondern auf ein rechtswidriges Verhalten von Astra-Zeneca.
Der Impfstoffhersteller ist auch zufrieden: Er hat nun relativ viel Zeit, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Der bevorzugte Kunde Großbritannien ist bis dahin längst ausreichend mit Impfstoffen versorgt.
Wie unterschiedlich die beiden Parteien das Urteil bewerten, lässt sich in den Pressemitteilungen nachlesen. Hier gibt es die Mitteilung von Astra-Zeneca, hier gibt es die Mitteilung der EU-Kommission, hier liegt das Urteil des belgischen Gerichts.
Noch ist der Prozess nicht beendet. Für den 24. und 29. September hat das Gericht weitere Termine angesetzt, um zu überprüfen, ob Astra-Zeneca seine Verpflichtungen einhält. Dann könnte es auch weitere Entscheidungen über Strafen oder Lieferverpflichtungen treffen.
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