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Corona-Impfungen Sputnik V „made in Europe“: Russlands Impfstoff soll in Italien produziert werden

Noch gibt es in der EU keine Zulassung für Russlands Corona-Impfstoff Sputnik V. Trotzdem will die Pharma- und Biotechfirma Adienne ihn nun in Italien produzieren.
10.03.2021 - 15:55 Uhr Kommentieren
Der russische Impfstoff wird bereits in mehreren Ländern außerhalb Russlands gespritzt. Quelle: AFP
Ampullen mit Sputnik V

Der russische Impfstoff wird bereits in mehreren Ländern außerhalb Russlands gespritzt.

(Foto: AFP)

Moskau, Zürich, Brüssel, Rom Auch wenn die europäische Arzneimittelbehörde (Ema) den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V noch nicht zugelassen hat: In einem Gewerbegebiet nordöstlich der italienischen Metropole Mailand soll der Impfstoff ab Juli hergestellt werden. Hier will die Pharma- und Biotechfirma Adienne, die ihren Sitz im schweizerischen Lugano hat, bis Ende des Jahres bis zu zehn Millionen Dosen produzieren.

Selbst wenn Staaten wie Ungarn, die Slowakei und Tschechien Sputnik V bereits zugelassen haben oder eine Zulassung prüfen lassen: Italien wäre das erste EU-Land, das Moskaus Impfstoff vor Ort produziert. Die italienische Regierung soll nicht über den Deal informiert gewesen sein. Dabei ist der Vorgang ein Politikum. Sputnik V kam im August 2020 als erster Corona-Impfstoff weltweit auf den Markt – allerdings ohne die entscheidende Phase 3 einer klinischen Studie abzuwarten.

Russland feiert die Vereinbarung bereits als großen Erfolg: Von einem „lokalen Sieg“ sprach der konservative Moskauer Politologe Witali Tretjakow. Die Notlage in einzelnen Ländern sei so groß, dass die Politiker auf den „gesunden Menschenverstand“ hörten – statt auf die Vorgaben aus Brüssel.

Bisher hat das Pharma-Unternehmen Adienne nur ein zugelassenes Medizinprodukt, das bei Stammzellentransplantation in der Krebsbehandlung eingesetzt wird. Zudem forscht die Firma an Therapien für extrem seltene Krankheiten, sogenannte „orphan drugs“.

Nun katapultiert die Vereinbarung von Adienne mit dem russischen Staatsfonds Russian Direct Investment Fund (RDIF) das kleine Unternehmen in die Weltöffentlichkeit. Der RDIF ist eine sogenannte Private-Equity-Gesellschaft, sammelt also Kapital etwa bei Banken, Versicherungen oder Privatpersonen ein und investiert es dann in Unternehmen, deren Risiko-Ertrags-Verhältnis günstig ist.

Skepsis in Brüssel

„Die Russen wollten aus politischen Gründen ein Vakzin. Das erinnert mich an den Kalten Krieg“, meint Christian Ehler. Er ist der industrie- und forschungspolitische Sprecher der Fraktion der christlich-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament. Der Industrieexperte bezweifelt angesichts der niedrigen Impfquote in Russland, dass Sputnik V bald in „wirklich substanziellen Mengen“ für die EU zur Verfügung stehen könnte. Für den CDU-Politiker ist es eine „Tragödie“, dass sich populistische Regierungen auf den russischen Impfstoff einlassen würden.

Die osteuropäischen EU-Länder stehen derweil wegen hoher Corona-Inzidenzwerte unter großem Druck. Wie alle anderen EU-Staaten haben sie das Recht auf eine nationale Impfstoff-Zulassung. Denn die EU verfügt in der Gesundheitspolitik nur über sehr geringe Kompetenzen.

Sputnik V wird in einem ähnlichen Verfahren wie das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers Astra-Zeneca produziert. Momentan prüft die Ema die Sputnik-Zulassung, dessen Wirksamkeit bei 91,6 Prozent liegen soll. Die EU-Kommission versucht, hierbei eine politisch neutrale Rolle einzunehmen. Wie deren Chefsprecher zuletzt sagte, würden Impfstoffe unter fachlichen Gesichtspunkten von der Ema geprüft – und nicht unter politischen. Das gelte auch für Sputnik V.

Die österreichische Chemikerin und Ema-Chefin Christa Wirthumer-Hoche hatte vor einer frühzeitigen Zulassung gewarnt – und sie mit „russischem Roulette“ verglichen. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte den Vergleich „unzulässig“. Solche Kommentare würden die Glaubwürdigkeit der Ema untergraben. Vertreter des Gamaleja-Instituts, wo der Impfstoff hergestellt wird, verlangten eine öffentliche Entschuldigung für die ihrer Meinung nach politische Aussage der Ema-Chefin.

In der EU wird hinter vorgehaltener Hand von einem politischen PR-Trick des Kremls gesprochen. Misstrauisch wird auch der Ende 2020 geschlossene Kooperationsvertrag der Russen mit Astra-Zeneca beäugt. Forscher der Universität Oxford sollen testen, ob sich der Wirkstoff der Briten mit Sputnik V kombinieren lässt. Beide Mittel beruhen auf der gleichen Technologie: sogenannten Vektoren weit verbreiteter Erkältungsviren.

Produktion von Sputnik V auch ohne EU-Zulassung

Erst in der vergangenen Woche hatte die EU ihre Sanktionen gegen Russland wegen der Inhaftierung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verschärft. Eine Sputnik-Zulassung – die Ema prüft sie derzeit in einem beschleunigten Verfahren – wäre daher ein großer politischer Erfolg für Moskau. Für Donnerstag wird unterdessen die EU-Zulassung des US-Impfstoffs des Unternehmens Johnson & Johnson erwartet. Im Gegensatz zu Sputnik und den bisher bereits zugelassenen Impfstoffen muss dieser nur einmal gespritzt werden.

In Italien soll die Sputnik-Produktion aber so oder so anlaufen. Dafür braucht es nur noch eine Genehmigung der italienischen Behörden. Sollte der Impfstoff keine EU-Zulassung bekommen, will der russische Staatsfonds RDIF die Dosen zurückkaufen und in Länder exportieren, in denen das Mittel verimpft werden kann.

Die Schweiz als Sitz von Adienne kommt dabei vorerst nicht infrage: Bei der Zulassungsbehörde Swissmedic sei noch kein Antrag auf Zulassung für Sputnik V eingegangen, hieß es kürzlich. Durch die Partnerschaft mit einem Schweizer Unternehmen dürfte der Impfstoff aber auch für eine Zulassung vor Ort die größte Hürde genommen haben.

Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte den Chef der russisch-italienischen Handelskammer Vincenzo Trani mit der Aussage, dass es „viele andere Länder gibt, wo das Vakzin gebraucht wird“. Laut RDIF ist Sputnik V bereits in 46 Staaten zugelassen. Und das selbst inmitten von Italien: Im Zwergstaat San Marino, das kein EU-Mitglied ist, wird der Impfstoff schon seit Ende Februar verabreicht.

Mehr: EU-Staaten nehmen Impfstoffversorgung immer mehr selbst in die Hand – Frederiksen und Kurz reisen nach Israel.

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