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Corona-Pandemie Europa will eine Milliarde Impfstoffdosen für arme Länder spenden

In der WHO-Region Europa fallen immer mehr überschüssige Impfstoffdosen an. Sie könnten in Entwicklungsländern viele Menschenleben retten – aber auch Verteilungskämpfe provozieren.
04.08.2021 - 19:28 Uhr Kommentieren
Im Afghanistan sind Impfangebote knapp. Das könnte sich mit den Spenden aus Europa jedoch bald ändern. Quelle: dpa
Studenten in Kabul warten auf ihre Impfung

Im Afghanistan sind Impfangebote knapp. Das könnte sich mit den Spenden aus Europa jedoch bald ändern.

(Foto: dpa)

Genf Dem Belgier Hans Kluge eilt der Ruf voraus, seine Worte genau zu wählen. Der Regionaldirektor für Europa der Weltgesundheitsorganisation vermeidet auch in der Corona-Pandemie Ankündigungen, die sich später als Luftnummern erweisen.

Doch diesmal scheint Kluge sich sicher. In der Region Europa der WHO „werden wir in den kommenden Monaten einen Überschuss von fast einer Milliarde Impfstoffdosen haben“, sagte er dem Handelsblatt. Dies sei eine „großartige Neuigkeit“.

Die meisten dieser Vakzin-Dosen gegen Covid-19 werden in EU-Staaten anfallen und sollen laut Kluge über das internationale Programm Covax in ärmere Länder gelangen, in der Regel gratis. „Einen kleineren Teil vergeben die Länder bilateral – und da helfen wir bei der Suche von Empfängern.“

Das Eine-Milliarde-Versprechen, falls es eingelöst wird, könnte der Welt einen enormen Schub im Kampf gegen Covid-19 geben. Noch immer klafft beim Impfen ein riesiger Graben zwischen armen und reichen Staaten. Nach Berechnungen der WHO wurden bis zur zweiten Julihälfte rund 3,7 Milliarden Dosen gegen Covid-19 verimpft – die einkommensstarken Länder verabreichten aber in Relation zur Bevölkerungszahl 62-mal mehr Impfungen als die einkommensschwachen Länder.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus prangert diese Ungleichverteilung als „schockierend“ an und warnt: „Die Covid-19-Pandemie demonstriert in eindeutiger und schmerzhafter Weise, dass niemand vor der Krankheit sicher ist, solange nicht alle sicher sind.“

Kommende Lieferungen aus der WHO-Region Europa sind zwar grundsätzlich eine gute Nachricht, doch Experten warnen, dass die Lieferungen auch Verteilungskämpfe auf der Südhalbkugel auslösen können. Welche Menschen in Lateinamerika, Afrika oder Asien bekommen als Erste die begehrten Produkte von Biontech-Pfizer oder Moderna?

„Das internationale Programm Covax muss die Distribution sorgfältig organisieren, damit sich keine Nation abgehängt fühlt“, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Genf.

Covax lieferte 177 Millionen Dosen aus

Covax kauft mit Gebergeldern die Wirkstoffe oder erhält sie als Spende. Dann gibt Covax die Präparate kostenfrei an arme Staaten ab. Noch zu Beginn des Jahres gelobte der Covax-Lenker Seth Berkley die Lieferung von „mindestens zwei Milliarden Impfdosen“ bis Dezember. Doch bislang konnte Covax die hochgeschraubten Erwartungen nicht erfüllen. Bis Dienstag dieser Woche händigte das Netzwerk erst 177 Millionen Dosen aus.

Zahlreiche Probleme behindern den Erfolg von Covax: von Finanzierungsproblemen über Verzögerungen im Beschaffungsprozess bis hin zu logistischen Hürden in den Empfängerländern.

Die meisten der gespendeten Covax-Einheiten stammen aus den USA. Insgesamt stellten die US-Amerikaner bislang mehr als 110 Millionen Dosen kostenfrei bereit. Und das Weiße Haus versprach am Dienstag sogar, eine halbe Milliarde Dosen ab Ende August zu versenden. Immerhin hatte US-Präsident Joe Biden sein Land zum „Arsenal für Impfstoffe“ für die Welt ausgerufen. Kommt es nun zum Geber-Wettkampf zwischen den USA und der WHO-Region Europa?

Eine Krankenschwester demonstriert sitzend gegen fehlende Mittel im Kampf gegen Corona. Im Hintergrund hält jemand ein Plakat mit dem Schriftzug „Nurses can't  breath“ (Krankenschwestern können nicht atmen) in seinen Händen. Quelle: dpa
Proteste in Simbabwe

Eine Krankenschwester demonstriert sitzend gegen fehlende Mittel im Kampf gegen Corona. Im Hintergrund hält jemand ein Plakat mit dem Schriftzug „Nurses can't breath“ (Krankenschwestern können nicht atmen) in seinen Händen.

(Foto: dpa)

Im Gegensatz zu den USA agiert die WHO-Region Europa mit ihren 53 Ländern nicht als einheitlicher Block: Neben Deutschland und allen anderen EU-Staaten gehören auch Großbritannien, die Schweiz, Russland und asiatische Staaten wie Usbekistan zu der WHO-Region. Dass diese unterschiedlichen Einheiten und Nationen an einem Strang ziehen, dürfte eher unwahrscheinlich sein.

Vielmehr wenden sich die reichen Staaten Europas einzeln an Covax. So sagte etwa Schwedens Regierung insgesamt drei Millionen Impfdosen zu. Ende Juli gab Stockholm bekannt, dass die ersten Vakzine des britisch-schwedischen Herstellers Astra-Zeneca an ihren Bestimmungsorten wie Afghanistan eintreffen.

Streit mit der Welthandelsorganisation

Die Millionen-Lieferungen erzeugen für die Europäer unverhofft günstige Nebenwirkungen: Es geht um den zähen Covid-19-Streit bei der Welthandelsorganisation. Dort lehnen die EU, Deutschland und andere Staaten des Kontinents beharrlich eine zeitweise Aufhebung des internationalen Patentschutzes für Impfstoffe gegen Covid-19 ab.

Indien, Südafrika und ihre Verbündeten fordern hingegen die Aussetzung des Rechts auf geistiges Eigentum an den Wirkstoffen. Damit wollen sie eine Produktion im globalen Süden ermöglichen. Seit Oktober 2020 dauert das Tauziehen in der WTO nun schon an – und ein Ende ist nicht in Sicht.

„Das ist ein sehr emotionaler Zwist, und er lässt sich nicht so einfach stoppen“, erläutert WTO-Sprecher Keith Rockwell. Doch dürfte mit jeder gespendeten Impfstoffdose der Ruf nach einer Aufweichung des Patentschutzes ein klein wenig leiser werden. Die reichen Staaten des Nordens müssen nur schnell genug liefern.

Mehr: „40 Milliarden Euro pro Jahr für eine Welt ohne Hunger“: Entwicklungsminister Müller mahnt Industrieländer.

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