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Corona-Pandemie Impf-Europameister: Wie Malta sich an die EU-Spitze gesetzt hat

Mit cleveren Impfstoffkäufen und harten Corona-Maßnahmen will Malta schon im Juni zur Covid-freien Urlaubsdestination werden. Besuch einer Insel in Aufbruchstimmung.
09.05.2021 - 09:08 Uhr 1 Kommentar
Noch auf Malta gilt überall die Maskenpflicht, ab Juni soll sie am Strand und Pool wegfallen. Quelle: Reuters
Maltas Hauptstadt Valletta

Noch auf Malta gilt überall die Maskenpflicht, ab Juni soll sie am Strand und Pool wegfallen.

(Foto: Reuters)

Valletta, Victoria, St. Julian’s Der bärtige Mann mit dem Ohrring, der gerade aus einer der weißen Impfboxen kommt, ist erst Mitte 30. Ein Pflaster klebt auf seinem Arm, vor ein paar Sekunden hat er seine erste Impfdosis bekommen. Er ist weder Risikopatient noch pflegt er alte Menschen. Er hat einfach nur Glück, in Malta zu leben: Der Inselstaat zwischen Sizilien und Nordafrika ist Impf-Europameister.

Während im Rest Europas noch vielerorts die Alten und Kranken auf ihre Dosen warten, werden in Malta schon die Jüngeren immunisiert. „Ich habe als Barbier viele Kontakte und bin froh, dass ich jetzt geschützt bin“, sagt der Mann in der umfunktionierten College-Aula im Örtchen Paola. Auch wenn er normalerweise viel an der Regierung kritisiere: „Gerade können wir uns wirklich nicht beschweren.“

Malta hat die höchste Impfquote in ganz Europa. Quelle: Christian Wermke
Impfzentrum in der Aula des MCAST-College

Malta hat die höchste Impfquote in ganz Europa.

(Foto: Christian Wermke)

Doch wie hat Malta das geschafft? Die Impfungen begannen hier Ende Dezember – wie überall in der EU. Die Dosen wurden auf alle Länder prozentual gleich verteilt. Und trotzdem rennt der Staat dem Rest des Kontinents vakzintechnisch davon. Stand Donnerstag sind mehr als 54 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft, die zweite Dosis haben bereits rund 25 Prozent erhalten. Pro 100 Einwohner wurden 79,82 Dosen verabreicht – damit liegen die Malteser sogar noch vor den Briten (74,66).

Während in Ländern wie Italien, Deutschland und Frankreich noch Sieben-Tage-Inzidenzen jenseits der 120er-Marke stehen, ist der Wert in Malta zuletzt auf 36,7 gefallen. Schon im Juni will das Land den Tourismus massiv hochfahren – und für sich als sichere Urlaubsdestination werben. „Wir werden die Herdenimmunität mit mindestens 70 Prozent Impfquote bis Juni erreichen“, verspricht Vize-Regierungschef Chris Fearne, der gleichzeitig Gesundheitsminister ist.

Die gesamte Bevölkerung will er bis September komplett durchimpfen. Gerade sind die Bürger ab 40 Jahren an der Reihe, in der dritten Mai-Woche starten sie hier mit 30 plus. Die Jüngeren kommen auch jetzt schon zum Zug, wenn sie besonders viele Kontakte haben.

Malta hat alle freien Kontingente der EU aufgekauft

Es ist eine Mischung aus drei Faktoren, die Malta zum Impf- und Tourismusvorreiter der Union machen: Cleverness, Schnelligkeit und Härte. Clever war das Land vor allem bei der Vakzinbeschaffung. „Wir haben nicht nur alle anteiligen Impfstoffe akzeptiert, die uns zugeteilt wurden“, erklärt Fearne. „Wir haben auch Impfstoffe genommen, die andere EU-Länder nicht wollten.“

Gab es andere Verträge, etwa direkt mit den Herstellern? „Nein“, betont der 58-Jährige, alle Impfstoffe seien über die EU erworben und beschafft worden. Aber wann immer ein EU-Staat auch nur ein paar Tausend Dosen abgelehnt hat, schlug Malta zu. Bei rund 441.000 Einwohnern macht das den großen Unterschied aus.

Genaue Daten, wie viele Zusatzdosen er gekauft hat, will Fearne nicht nennen. Sollten aber alle bisher bestellten Dosen ausgeliefert werden, hätte Malta gut doppelt so viele wie nötig. Der gelernte Mediziner weist darauf hin, dass es möglicherweise noch eine dritte Auffrisch-Dosis brauche. Doch selbst dann werde Malta noch in der Lage sein, anderen EU-Ländern oder Drittstaaten mit Impfstofflieferungen zu helfen. Anfragen hat Fearne schon jetzt genügend.

Schnell ist die Logistik: Das Staatsgebiet ist klein, misst mit 316 Quadratkilometern in etwa so viel wie das Bundesland Bremen. „Innerhalb einer Woche nach Erhalt einer Charge ist sie bereits verimpft“, sagt Fearne. Niemand muss lange warten. Wer sich im Impfportal registriert, bekommt die erste Dosis normalerweise innerhalb einer Woche.

Hart sind die zuletzt beschlossenen Maßnahmen. Malta war nie im völligen Lockdown, das Haus durfte man jederzeit verlassen – immer mit Maske. Aber zuletzt sind die Regeln wieder strenger geworden, um den Tourismus zu retten. Mitte März lag die Inzidenz noch bei etwa 500, die Regierung zog die Notbremse. Schulen: für Wochen geschlossen. Geschäfte: erst seit Kurzem wieder auf. Restaurants und Bars: noch immer zu.

Partymeile ohne Party, Casino ohne Zocker

Im Halbrund ziehen sich Hotels und Ferienhäuser um die kleine Marina von Portomaso. Die Charter-Yachten schaukeln vor sich hin, außer umherstreunenden Katzen und ein paar Pärchen auf der Mole ist hier an diesem Abend Ende April nicht viel los. Thai-Restaurant, Pizzeria und Inder, die sich auf halbrunden Terrassen bis zum Wasser ziehen: alle geschlossen. Das Casino neben dem Hilton-Hotel, normalerweise 24 Stunden geöffnet, ist auch dicht. Die Strandstadt St. Julian’s, eine Auto-Viertelstunde von Valletta entfernt, ist normalerweise das Ausgehviertel der Insel.

Doch statt jungem Partyvolk quietschen hier nur Vespafahrer durch die Gassen, quadratische Rucksäcke auf dem Rücken. Im Minutentakt wandern die Papiertüten für die Essenszusteller über den Tresen im „The Avenue“. Dem Restaurant sind die Umsätze „stark weggebrochen“, erzählt die Frau hinter der Theke, Tattoos auf den breiten Oberarmen. Sie sehnt die geplante Wiedereröffnung am 24. Mai herbei. „Wir als Mitarbeiter werden derzeit nur vom Staat bezahlt, jeder bekommt 800 Euro pro Monat.“ Auch im vergangenen Jahr, als die Restaurants zeitweise schließen mussten, gab es den Mindestlohn für Gastro- und Hotelmitarbeiter aus der Staatskasse.

Erst am 24. März machen die Restaurants der Insel wieder auf. Quelle: Christian Wermke
Sandsteinfassaden in Valletta

Erst am 24. März machen die Restaurants der Insel wieder auf.

(Foto: Christian Wermke)

500 Millionen Euro lässt sich die Regierung die Wirtschaftshilfen kosten – viel Geld für ein Land, dessen Wirtschaft 2020 um acht Prozent schrumpfte und ein Bruttoinlandsprodukt von gerade mal zwölf Milliarden Euro einfuhr. Maltas Wirtschaft ist allerdings positiv gestimmt: Sie könnte in diesem Jahr mit rund fünf Prozent stärker wachsen als der Rest der EU. Das verdankt sie neben dem Tourismus starken Branchen wie der Bauindustrie, dem Immobiliensektor, aber auch Finanzdienstleistungen oder der Gamingindustrie.

Filmset im Luxushaus – Hotellerie hält sich mit Drehs über Wasser

Das Phoenicia ist eine der besten Adressen Maltas. Das Fünf-Sterne-Haus schmiegt sich an die Festungsmauer von Valletta, das von Renzo Piano entworfene Tor zur Altstadt mit seinen Sandsteinfassaden und den bunten Holzbalkonen liegt direkt um die Ecke. Rund 160 Zimmer hat das Hotel, besetzt ist ein Bruchteil. „Wir halten uns gerade mit Filmproduktionen über Wasser“, erklärt die Dame am Empfang.

Im „Café Phoenicia“ hängen die Kostüme, im „Knight’s Room“ sitzt die Maskenbildnerin, die Clublounge mit den Plüschsesseln ist das Filmset. Die Crew darf hier drehen – schläft dafür aber größtenteils auch im Hotel. „Das ist für uns eine Win-win-Situation.“ Erst vor zwei Wochen war eine andere Produktion im Haus. Das vergangene Jahr könne man ansonsten abschreiben. „Es wird mindestens zwei Jahre dauern, bis wir die verlorenen Umsätze aus 2020 wieder drin haben.“ 2,7 Millionen Touristen kamen 2019 nach Malta. Im Pandemiejahr 2020 waren es gerade mal knapp 660.000.

Zwei Jahre wird es wohl dauern, bis die Verluste der Pandemie wieder reingeholt sind. Quelle: Christian Wermke
Luxushotel „The Phoenicia“ in Valletta

Zwei Jahre wird es wohl dauern, bis die Verluste der Pandemie wieder reingeholt sind.

(Foto: Christian Wermke)

Für Juni, wenn die Regierung den Tourismus neu starten will, sieht die Buchungssituation schon wieder besser aus. Bei Hotels, aber auch bei den Mietwagenfirmen. Im ersten Stock des Flughafenparkhauses sitzen die Anbieter Tür an Tür, ein Sixt-Mitarbeiter kommt gerade zurück in sein orangenes Kabuff geschlurft. „Ein paar Buchungen haben wir derzeit am Tag“, sagt der junge Mann. „Es ist ja noch fast alles zu, keine Kreuzfahrten, kaum Touristen.“ Für Juni hat er aber schon wieder mehr als 300 Buchungen im System. „Das ist ein guter Wert für Malta.“

Momentan verlangt Malta bei der Einreise aus EU-Staaten einen negativen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Die anderswo weitverbreiteten, aber oft ungenauen Antigen-Schnelltests reichen hier nicht aus. Jeder, der das Flughafengebäude betritt, wird von Menschen in weißen Kitteln empfangen und einzeln kontrolliert. Wer kein negatives PCR-Zertifikat dabei hat, muss direkt vor Ort zum Corona-Test – oder für 14 Tage in Quarantäne.

Neue Einreisebestimmungen: Malta-Flüge nur noch geimpft oder mit Negativtest

Ab dem 1. Juni ändern sich die Regeln, wie Minister Fearne erklärt: Die Fluggesellschaften, die Malta anfliegen, würden dann nur noch Passagiere mit Corona-Impfung oder negativem PCR-Test an Bord lassen. Nicht nur der Urlaub in Malta sei damit sicher, „sondern auch der Weg dorthin“. Aus Ländern, die sich derzeit auf Maltas roter Liste befinden (die meisten Nicht-EU-Staaten), dürfen dann nur noch Geimpfte einreisen.

Derzeit gelten nur Zertifikate von Impfstoffen, die auch die Europäische Arzneimittelagentur, Ema, zugelassen hat. Aber das schließe nicht aus, „dass wir Vereinbarungen speziell über andere Impfstoffe treffen werden“, sagt Fearne. Abseits des europäischen „grünen Passes“ befindet sich Malta derzeit auch in Gesprächen mit verschiedenen Nicht-EU-Ländern, um die gegenseitigen Impfzertifikate anzuerkennen – darunter Großbritannien.

Für die ehemalige britische Kronkolonie, die erst 1964 ihre Unabhängigkeit erlangte, sind die Gäste aus dem Vereinigten Königreich noch immer die wichtigsten: Sie machen mehr als ein Fünftel aus, danach folgen Italiener, Deutsche und Franzosen. Rund 25 Prozent der Wirtschaftsleistung sind mit dem Tourismus verknüpft. Auf Gozo, Maltas Schwesterinsel, 25 Fährminuten weiter nördlich, ist es sogar gut die Hälfte.

„Hier gibt es keinen Massentourismus, man kann raus aus der Stadt.“ Quelle: Christian Wermke
Ronald Anthony Sultana vom Ministerium für Gozo vor der Zitadelle Victoria

„Hier gibt es keinen Massentourismus, man kann raus aus der Stadt.“

(Foto: Christian Wermke)

Ronald Anthony Sultana empfängt in der Zitadelle, einer Sandstein-Festung inmitten Gozos, die vor wenigen Jahren mit EU-Geldern aufwendig restauriert wurde. Von ihren Mauern blickt man auf beige Kirchtürme, auf die kleine Altstadt von Victoria und, vor allem: auf sehr viel Land. Mit all seiner Natur, dem vielen Platz, so sieht das Sultana, der im Ministerium für Gozo arbeitet, sei die Insel der ideale Ort, um Urlaub nach all den Lockdowns zu machen. Um zu wandern, zu tauchen, zu schnorcheln. Um in Farmhäusern oder alten Villen zu übernachten. „Hier gibt es keinen Massentourismus, man kann raus aus der Stadt.“

1,4 Millionen Besucher kommen jährlich nach Gozo. Aber nur 180.000 übernachten auch hier. Das will Sultana ändern. „Wir haben sehr viele Tagesausflügler“, erklärt der 33-Jährige. Natürlich könne man Gozo an einem Tag ob der Größe sehen – „aber nicht die Insel verstehen“. In diesem Jahr stecken sie mehr Geld ins Marketing, haben den Etat umgeschichtet. Vor allem die Briten werden sie gezielt ansprechen, aber auch in einigen deutschen Städten wird es Werbeaktionen geben.
„Wir sind immer noch ein Geheimtipp“, sagt Sultana. Das solle auch so bleiben. „Aber ein paar mehr Leute können uns schon noch kennen.“

Mehr: Impfungen, „Covid-frei“-Labels und Tests – wie Europas Inseln um Sommerurlauber buhlen

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1 Kommentar zu "Corona-Pandemie: Impf-Europameister: Wie Malta sich an die EU-Spitze gesetzt hat"

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  • Sehr guter Artikel, ich fand nur einen kleinen Übersetzungsfehler:
    Ein physican ist kein Physiker sondern ein Arzt.
    Tatsächlich ist Chris Fearne Mediziner.
    Und da es auf Malta keine Kreis- und Landtage in unserem Sinne gibt, sind die Dienstwege ziemlich kurz.
    Chris Fearne dürfte jeden maltesischen Amtsarzt persönlich kennen.

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