Corona US-Einreisebann: Biden signalisiert Erleichterung – der Leidensdruck deutscher Firmen aber wächst

Die Bundeskanzlerin hatte bei ihrem Besuch in Washington den Travelban zur Chefsache erklärt – jedoch ohne Erfolg.
Die Folgen der US-Reisebeschränkungen (Travelban) sind überall spürbar. Europäische Firmen können keine Mitarbeiter, Spezialisten oder Servicetechniker entsenden, neue Standorte von Unternehmen verharren im Stillstand, wichtige Messen können nicht besucht werden. Hinzu kommt: Tausende Deutsche mit Arbeitsvisum sitzen in den USA fest und wollen nicht in die Heimat fliegen – weil sie sonst nicht wieder zurück könnten.
Kaum etwas belastet die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland stärker als der Travelban, den Ex-Präsident Donald Trump vor mehr als anderthalb Jahren wegen der Pandemie eingeführt hatte. Kanzlerin Angela Merkel hatte das Thema zur Chefsache erklärt und bei ihrem Washington-Besuch neulich Druck gemacht. Joe Bidens Reaktion: Er verlängerte die Regelung zunächst – auf unbestimmte Zeit.
Jetzt offenbar die Kehrtwende: Zum ersten Mal hat das Weiße Haus am Mittwoch signalisiert, die Beschränkungen aufzuheben. Laut US-Medien erwägt die Regierung, eine Impfpflicht für alle Einreisenden einzuführen. Im Gegenzug würde man die Reisesperren schrittweise lockern.
Allerdings ist noch völlig unklar, ab wann diese neue Regelung gelten soll. Ungeklärt ist auch, wie der Impfnachweis erbracht werden soll. Anders als in der EU gibt es in den USA keine einheitlichen digitalisierten Impfpässe.
Welche Form von Nachweis akzeptiert würde, darüber steht das Weiße Haus in engem Kontakt mit den Fluggesellschaften – doch Probleme bleiben: In Deutschland hatte ein Datenleck Ende Juli kurzzeitig dazu geführt, dass die Ausstellung digitaler Impfnachweise durch Apotheken gestoppt wurde. Außerdem ist ungewiss, ob die USA auch Einreisende akzeptieren, die mit Astra-Zeneca geimpft wurden – das Vakzin ist in den USA nicht zugelassen.
Leidensdruck nimmt zu
Es kann also noch eine Weile dauern, bis die neuen Regeln in Kraft sind. Und der Leidensdruck der deutschen Unternehmen nimmt zu. „Verzögerungen in der Produktion, Lieferung und Durchführung strategischer Projekte behinderten die beherzte Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivität“, klagte zuletzt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die US-Regierung schade „sich selbst und anderen“.
„Unter den Beschränkungen leiden nicht nur die vielen in den USA aktiven deutschen Unternehmen mit ihren Arbeitnehmern, sondern auch alle im Produktionsverbund beteiligten Akteure wie Lieferanten, Partner und Kunden vor Ort", so Lang.
Direkt betroffen vom Travelban ist die Luftfahrt. Nach Aussage von René Vorspohl, Sprecher des Geschäftsreiseverbandes VDR, ist das Einreiseverbot bei den Unternehmen ein großes Thema. Wer seine Mitarbeiter trotz des Banns nach Amerika entsenden will, brauche eine „National Interest Exception“. „Die Bearbeitung des Antrags dauert im Schnitt vier Wochen. Gerade bei kurzfristigen Entsendungen ist das viel zu lang“, sagte Vorspohl.
Zudem sei es völlig unsicher, ob die Ausnahmegenehmigung erteilt werde. Man habe im Verband von Fällen gehört, wo diese selbst Vorständen oder Geschäftsführern verweigert worden sei. „Große Unternehmen kriegen die Situation in den Griff, weil sie viel Personal vor Ort haben. Kleinere Unternehmen haben das nicht und sind stärker auf Reisen in die USA angewiesen.“
Lufthansa-Chef Carsten Spohr bezeichnete die Entscheidung der US-Regierung, den „Travelban“ auf unbestimmte Zeit zu verlängern, als „enttäuschend“. „Wir sind aber überzeugt, dass eine Öffnung der USA nur eine Frage der Zeit ist. Wir bewerten Berichte, dass die US-Regierung nur Geimpfte ins Land lassen will, als ersten Schritt in Richtung Öffnung.“ Lufthansa ist stark vom Langstreckenverkehr insbesondere in die USA abhängig. Obwohl derzeit nur Reisen in eine Richtung – von den USA nach Europa – möglich seien, sei der transatlantische Verkehr bereits wieder einer der maßgeblichen Treiber für die Erholung der Nachfrage, sagte Spohr weiter.
Die Maschinenbauer beklagen eine klare Benachteiligung
Der deutsche Maschinenbau klagt über eine klare Benachteiligung durch den Travelban. So fallen Aussteller und Besucher auf US-Messen nicht unter die Ausnahmeregelung, deshalb sind sie von vielen neuen Geschäftsmöglichkeiten in Amerika ausgeschlossen.
„Wir haben gerade das Problem, dass Aussteller für die weltweit wichtigste Bergbaumesse Minexpo in Las Vegas im September 2021 nicht einreisen dürfen“, sagt Ulrich Ackermann, Leiter Außenwirtschaft des Maschinen- und Anlagenbauverbands VDMA. „Das ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für unsere Mitglieder gegenüber einheimischen, aber auch anderen ausländischen Unternehmen.“ Denn aus vielen Ländern außerhalb des Schengen-Raums dürften die Unternehmen in die USA einreisen.
Der deutsche Aussteller- und Messeverband Auma betont die Bedeutung von Reisefreiheit für Geschäftsleute für den transatlantischen Handel. Die meisten Messen in den USA finden wieder als Präsenzveranstaltungen statt. Die Möglichkeiten, als deutscher Aussteller daran teilzunehmen, seien weiter eingeschränkt, aber nicht ausgeschlossen.
Einige wenige Unternehmensvertreter können zwar mit sogenannten NIE-Visa für Beteiligungen im nationalen Interessen der Vereinigten Staaten aus Deutschland einreisen, oder sie reisen aus Drittländern ein. „In der Regel bleibe es aber schwierig bis unmöglich, mit Personal direkt aus Deutschland einzureisen. Dies stellt einen erheblichen Nachteil im Wettbewerb dar“, kritisiert der Auma.
Daimler hat die Zahl der Dienstreisen stark reduziert
Die Autoindustrie dagegen gibt sich gelassen. „Im Moment ist das kein Thema bei uns“, sagte eine Daimler-Sprecherin. Ohnehin hat der Konzern die Zahl von Dienstreisen auf ein absolutes Minimum reduziert. Bei Daimler waren Visaprobleme ein Thema, als die Produktion in Alabama hakte, aber das ist lange gelöst. Solange die aktuell nicht ihre Taskforces mit Hunderten Spezialisten irgendwo hin entsenden müssen, halten sich die Auswirkungen der Reisebeschränkungen in Grenzen, weil der Konzern genug Personal vor Ort hat.
Auch der Zulieferer Bosch, der in den USA gut 17.000 Mitarbeiter beschäftigt und 17 Werke betreibt, hat sich auf die Lage eingestellt: „Wir setzen verstärkt auf virtuellen Austausch – wir sind hier technisch hervorragend aufgestellt und können so viele Aufgaben auch auf Distanz gut bewältigen, etwa durch Fernwartung oder die Inbetriebnahme von Maschinen mittels digitaler Tools wie Datenbrillen“, so ein Konzernsprecher.
Die Deutsche Post sieht ebenfalls noch keine großen Auswirkungen. „Wir besitzen in den USA eine umfangreiche Vertriebsorganisation“, sagte Vorstandschef Frank Appel auf Anfrage. „Zudem durften ausgewählte Führungskräfte aus unserem Unternehmen ins Land“. Auf das Tagesgeschäft habe sich der Travelban daher kaum ausgewirkt. „Eine Aufhebung wäre dennoch zu begrüßen“, sagte er.
Unterhält man sich mit ausländischen Managern in den USA, zeigt sich dennoch der ganze Frust der vergangenen anderthalb Jahre. Man fühle sich „an die Zeit vor 89 erinnert“, klagte ein deutscher Mittelständler. Besonders problematisch ist, dass Sondergenehmigungen willkürlich verteilt werden:
Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft und stellvertretender Vorsitzender der Atlantik-Brücke, beklagt die „zunehmenden wirtschaftlichen Schäden“, die der Travelban verursache. „Die Steuerung internationaler Wertschöpfungsketten, gemeinsame Entwicklungen und der geschäftliche Austausch leiden sehr“, so Hüther.
Außerdem sei der Travelban nicht ausschließlich durch die Pandemie motiviert, Biden bediene auch konservative bis rechte Positionen.
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