Corona-Wiederaufbaufonds „Die direkte ökonomische Auswirkung wäre enorm“ – Von der Leyen muss bald über Förderung Polens und Ungarns entscheiden

Viele Stufen einer Entfremdung.
Brüssel Europa, wie es sein sollte: In den vergangenen Monaten reiste Ursula von der Leyen kreuz und quer durch die Hauptstädte der EU-Länder und verteilte Geld – die Bilder ähnelten sich: erst der Ellenbogencheck mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten, dann das fröhliche Lächeln in die Kameras. Die Botschaft war eindeutig: Jetzt wird angepackt, aufgebaut, transformiert.
Das Geld, das die Kommissionspräsidentin verteilt, kommt aus dem Wiederaufbaufonds, dem 800 Milliarden Euro großen Topf, für den die EU gemeinsam Schulden macht. Die Mittel sollen dem Einbruch der Wirtschaft durch die Coronakrise entgegenwirken und den Kontinent gleichzeitig digitaler und klimafreundlicher machen.
Einige der Übergabetermine stehen noch aus. Und mindestens zwei davon werden für Ursula von der Leyen unangenehm: Polen und Ungarn warten noch auf ihr Geld. Beide Staaten liefern sich ein Kräftemessen mit Brüssel.
Polen baut seine Justiz so um, dass die Regierung freie Hand hat und stellt den Europäischen Gerichtshof infrage. Die ungarische Regierung arbeitet seit Jahren daran, Forschung und Medien auf ihre Linie zu bringen. Dass von der Leyen das neue LGBTIQ-Gesetz als „Schande“ bezeichnete, ist nur die neueste Episode einer langen Entfremdung zwischen Brüssel und Budapest.
Dicke Schecks nach Warschau und Budapest zu bringen wird für von der Leyen zum Balanceakt. Denn eigentlich müsste sie längst Verfahren gegen diese Staaten eingeleitet haben. Seit dem 1. Januar hat die EU das Recht, ihren Mitgliedstaaten Gelder zu kürzen, wenn diese gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Betroffen wären dann auch die Mittel des Wiederaufbaufonds.
Das EU-Parlament zieht nun sogar vor Gericht, um die Kommission zu zwingen, gegen Polen und Ungarn vorzugehen. Die Kommission wartet auch nur, weil der Europäische Gerichtshof das neue Gesetz noch prüft. Die Entscheidung könnte im Herbst fallen.
Beide Ereignisse rücken darum nahe aneinander: die Bewilligung des Geldes aus dem Wiederaufbaufonds und die Drohung, EU-Zahlungen generell auszusetzen.
Riskanter Entzug der Fördergelder
„Wie wird das aussehen, wenn Ursula von der Leyen Geld an Polen und Ungarn überbringt und kurz später ein Verfahren einleitet, das zum Ziel hat, EU-Gelder für Polen und Ungarn zu sperren?“, sagt Monika Hohlmeier (CSU), die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Europaparlament.
Aber so könnte es kommen. Polen und Ungarn kein Geld aus dem Wiederaufbaufonds zu geben wäre riskant. Denn beide Länder sind auf das Geld angewiesen. Nicht so sehr für die Erholung der Wirtschaft, beide sind gut aus der Krise gekommen und im ersten Halbjahr 2021 gewachsen. Aber die Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaft wird teuer. Polen bezieht seinen Strom vor allem aus Kohlekraft. In Ungarn sind die Automobilzulieferer wichtig, die sich auf Bauteile für Elektroautos umstellen müssen.
„Die Regierungen in Ungarn und Polen werden Druck bekommen, das Geld abzuholen“, sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. „Alle Länder haften ja für die anderen mit. Darum lässt es sich kaum rechtfertigen, nicht auch von dem Geld zu profitieren.“
Die Summen sind gewaltig: Ungarn hat 7,2 Milliarden Euro an Zuwendungen beantragt. Das wären fünf Prozent des jährlichen BIP. Verteilt auf einen Auszahlungszeitraum von sechs Jahren würde das Land also 0,8 Prozentpunkte Wachstum geschenkt bekommen. In Polen ist der Effekt sogar noch größer. Das Land will 36 Milliarden Euro haben, davon 12,1 Milliarden als Kredit. Kommt das Geld, macht es jährlich 1,2 Prozent des BIP aus.
„Die direkte ökonomische Auswirkung wäre enorm“, sagt der Ökonom Zsolt Darvas von der Denkfabrik Bruegel. „Die indirekten Folgen wären aber noch stärker: Die Märkte könnten reagieren und die Zinsen für Staatsanleihen steigen lassen.“ Dann, so Darvas, könnte der Streit mit Ungarn eskalieren, Polen könnte sogar anstreben, die EU zu verlassen.
Länder müssen Investitionspläne vorlegen
Daran will man in der EU-Kommission nicht schuld sein. Es muss also Geld geben für Polen und Ungarn. Jedes Land musste einen Plan vorlegen, wie es investieren will. Gerade Polen und Ungarn sind damit spät dran. „Bisher gibt es nur Ideenskizzen“, sagt Ferber. In der Kommission heißt es offiziell, man arbeite eng mit den Regierungen zusammen, um „mögliche offene Fragen zu klären und zusätzliche Informationen zu bekommen“. Worum es dabei genau geht, will man nicht sagen.
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagt: „Wenn Ungarn Geld aus dem Wiederaufbaufonds kriegen soll, müssen damit sehr konkrete Zusagen verknüpft sein, die das Land wieder an Europa heranführen.“ Unter den gegenwärtigen Bedingungen sollte Ungarn seiner Meinung nach gar keine Mittel aus Brüssel bekommen, auch nicht für Landwirtschaft und Strukturförderung. „Die Korruptionsrate in Ungarn ist zehn Mal so hoch wie im Rest der EU“, sagt Freund. „Es gibt nachgewiesene Betrugsfälle, an denen Orbáns Vater beteiligt war, sein Schwiegersohn, sein Schulfreund.“
Konservative und Liberale sehen im Wiederaufbaufonds ein einmaliges Projekt, das nicht als Vorbild für eine weitere gemeinsame Verschuldung herhalten soll. Der Grund dafür sind nicht die Probleme mit Ungarn und Polen, eher geht es um die grundsätzliche Überzeugung, dass die EU die falsche Ebene ist, um Schulden aufzunehmen.
Grüne und Sozialdemokraten sehen das anders. „Wir wollen in 30 Jahren klimaneutral sein“, sagt Freund. „Dafür brauchen wir Investitionen. Darum ist eine gemeinsame Verschuldung auch weiter sinnvoll.“
Mehr: Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit – Dreht die EU Ungarn und Polen den Geldhahn zu?
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Die Klimaneutralität und Corona sind die vorgeschobenen Deckmäntel mit dem Ziel auf europäischer Ebene Schulden aufzunehmen. Die Lasten sind klar verteilt - die Nordstaaten zahlen, allen voran Deutschland, die Südstaaten profitieren, allen voran Italien und Spanien.
Leyen/Merkels großzügige Gesten belasten alle Bürger in Deutschland übermäßig, die Kaufkraft sinkt, der Wohlstand leidet.
Selbst Länder, die sich nicht an die Regeln halten, werden alimentiert.
In Italien werden ungern Steuern gezahlt, die Bürger haben ein schönes Vermögen, der Staat nicht, er wird über die EU alimentiert, ähnliches gilt für Spanien.
Finanziert soll das dauerhaft über die CO2 Abgabe geschehen - diese ist als dynamische Mehrwertsteuer zu sehen, da bei allen Produkten und Dienstleistungen Energie nötig ist, die immer CO2 ausstoßen wird. Der arme Autofahrer, Mieter, Rentner.