Coronakrise Furcht vor EU-Auflagen: Italien lehnt den Euro-Rettungsschirm ab

„Das brauchen wir im Moment nicht, das ist ein traditionelles Instrument“, erklärte Premier Giuseppe Conte in Bezug auf den Euro-Rettungsschirm ESM.
Rom „Wenn es so eine Krise gibt, an wen verkaufen die Holländer dann ihre Tulpen?“, lästerte am Wochenende Romano Prodi über die kontroverse Diskussion um Hilfspakete für Italien. In der meistgesehenen TV-Talkshow erklärte der ehemalige Premier und EU-Kommissar, dieses Mal sei es anders als 2008, als die Krise in der Finanzbranche begonnen hätte und auf den Rest der Wirtschaft übergegriffen habe. Jetzt treffe es alle gleich in Europa.
Italien steht durch die Pandemie ökonomisch auf der Kippe und streitet deshalb mit den Ländern im Norden über Corona-Bonds und den Einsatz des Euro-Rettungsschirms ESM. In der Debatte um die Schaffung von früher als Euro-Bonds propagierten Anleihen gibt es nun auch kritische Stimmen in Italien.
„Im Gegensatz zur Krise von 2011 stehen auch die Länder im Norden vor einer unsicheren ökonomischen Zukunft, da ist es undenkbar, dass sie sich auch noch das Risiko eines Landes an den Hals hängen mit einer hohen Verschuldung wie Italien“, meint etwa der Mailänder Wirtschaftsprofessor Roberto Perotti.
Einig ist sich Italien dagegen in der Ablehnung von ESM-Krediten. „Das brauchen wir im Moment nicht, das ist ein traditionelles Instrument“, erklärte Premier Giuseppe Conte. Schließlich handele es sich um einen „symmetrischen Schock“ für alle Volkswirtschaften. Er propagiert nun „European Recovery Bonds“.
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Der Hintergrund: Italien will keine Überwachung und keine Auflagen von einer Troika aus EU-Kommission, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), wie sie in der griechischen Schuldenkrise zum Einsatz kam. Dazu kommt die Innenpolitik: Die Opposition, voran die Lega, lehnt das Instrument strikt ab. „Wir schaffen das auch allein“, so Conte.
BIP wird um 6,5 Prozent einbrechen
Es gibt die ersten Prognosen über das Ausmaß der Krise: In diesem Jahr wird das italienische Bruttoinlandsprodukt um 6,5 Prozent einbrechen und die Staatsverschuldung auf 150 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, heißt es beim Institut Prometeia. In den ersten beiden Quartalen würde das BIP um mehr als zehn Prozent sinken.
Betroffen seien mit einem Minus von 27 Prozent vor allem der Tourismus, 16 Prozent weniger für das Transportwesen und die Unterhaltungsindustrie und zehn Prozent weniger in der Fertigung. In Italien gilt neben dem Ausgehverbot auch ein Produktionsstopp.
An diesem Dienstag legt das Forschungsinstitut des Industrieverbands Confindustria seine Prognose vor. Dessen Chefvolkswirt Stefano Manzocchi sieht ein „sehr schweres Unwetter“ für 2020. Vor allem das zweite Quartal sei betroffen, etwas Erholung gebe es frühestens in der zweiten Jahreshälfte.
Der IWF rechnet für 2020 mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent. Sollte sich die Krise weiter zuspitzen, könnten auch die Kosten des Schuldendienstes für den italienischen Staat wieder in die Höhe schnellen.
Mehr: Schlimmer geht es nicht: In Italien trifft das Coronavirus auf eine Wirtschaft nahe der Rezession und auf ein Land mit hohen Schulden.
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