Coronakrise Griechenland übertrifft seine Tourismusziele – doch Corona bleibt ein Risiko

Das Comeback der Tourismusindustrie in Griechenland übertrag 2021 alle Erwartungen.
Athen Anfangs sah es nach einem Fehlstart aus. Erst Mitte Mai öffnete sich Griechenland in diesem Jahr für den Tourismus. Aber für einen schwachen Frühling wurden die hellenischen Hoteliers und Tavernenwirte im zweiten Halbjahr mit einem unerwarteten Urlauberansturm und einem „goldenen Herbst“ entschädigt.
Der griechische Sommer: In diesem Jahr schien er kein Ende nehmen zu wollen. Während früher die Saison im Oktober auslief, verlängerten viele Reiseveranstalter und Ferienfluggesellschaften in diesem Jahr ihre Griechenland-Programme bis Ende November.
Eigentlich ein Grund für die griechische Reisebranche, zuversichtlich ins nächste Jahr zu gehen. „Diese Saison ist gut gelaufen, und die Aussichten für 2022 sind noch besser“, sagt Tourismusminister Vasilis Kikilias. Schon Mitte März, zwei Monate früher als in diesem Jahr, soll die neue Saison beginnen. Aber über allen Plänen schwebt ein großes Fragezeichen: Wie entwickelt sich die Pandemie?
Keiner kennt die Risiken besser als Kikilias. Bevor er Ende August das Tourismusressort übernahm, managte er als Gesundheitsminister die Corona-Strategie der Regierung. Im Sommer sah es noch so aus, als habe Griechenland die Pandemie im Griff. Ende Juni fiel die Sieben-Tage-Inzidenz auf 25. Inzwischen liegt sie bei 461. Seit einer Woche gilt Griechenland beim Robert Koch-Institut wieder als Hochrisikogebiet. Das dämpft die Reiselust.
Die griechische Tourismusindustrie hofft dennoch, an den Erfolg dieses Jahres anknüpfen zu können. Das Comeback übertraf alle Erwartungen. In den ersten neun Monaten kamen nach Angaben der Bank von Griechenland 11,6 Millionen ausländische Besucher ins Land, fast 90 Prozent mehr als im Krisenjahr 2020.
Größte Reisenation waren die Deutschen mit 2,1 Millionen Besuchern. Im Oktober beschleunigte sich der Boom sogar noch: Die Zahl der ankommenden ausländischen Flugpassagiere stieg gegenüber dem Vorjahr um 127 Prozent.
60 Prozent mehr Besucher als im Vorjahr
Einige griechische Inseln melden bereits neue Rekorde: Nach Santorin kamen im Oktober 55 Prozent mehr Urlauber als im bisher besten Jahr 2019. Auch Mykonos meldete im Herbst mehr Besucher als vor Beginn der Pandemie. Nach vorläufigen Hochrechnungen konnte Griechenland in diesem Jahr 19 Millionen ausländische Besucher begrüßen, 60 Prozent mehr als im vergangenen Jahr.

Vor allem dem Comeback des Tourismus verdankt Griechenland, dass es dieses Jahr zu den Wachstums-Champions in Europa gehört.
Doch nicht nur die Urlauberzahlen entwickeln sich besser als erwartet. Die Gäste sind auch spendabler. Nach Zentralbankangaben gab jeder Tourist in diesem Jahr durchschnittlich 631 Euro aus, gegenüber 535 Euro im Jahr 2019. Der Anstieg zeigt den Trend zu längeren Urlaubsreisen und teureren Hotels. Offenbar gönnen sich viele Urlauber nach den Lockdowns einen längeren und luxuriöseren Urlaub. Davon profitiert das eher hochpreisige Griechenland.
Die griechische Notenbank meldete für die ersten drei Quartale einen Anstieg der Tourismuseinnahmen zum Vorjahr um 139 Prozent. Bis Ende September kamen 8,76 Milliarden Euro ins Land – mehr als die acht Milliarden, die man sich für das Gesamtjahr als Ziel gesetzt hatte. Bis zum Jahresende könnten es fast zwölf Milliarden werden. Das freut Finanzminister Christos Staikouras, denn der Fremdenverkehr ist ein wichtiger Wachstumsmotor. Er steuert in guten Jahren mehr als ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Vor allem dem Comeback des Tourismus verdankt Griechenland, dass es dieses Jahr zu den Wachstums-Champions in Europa gehört. Die EU-Kommission prognostiziert dem Land ein Plus beim BIP von 7,1 Prozent. Nur in Irland, Kroatien und Ungarn soll die Wirtschaft noch stärker wachsen. Unabhängige Analysten sind noch optimistischer: Die Ratingagentur Scope und die Bank of America erwarten ein Plus von 8,6 Prozent, die Citigroup setzt sogar 8,8 Prozent an.
Auch für das kommende Jahr sind die Wachstumsaussichten in Griechenland gut. Die EU-Kommission rechnet mit 5,2 Prozent. Damit könnte das Land im nächsten Jahr bei der Wirtschaftsleistung wieder das Vorkrisenniveau erreichen.
Corona bleibt das größte Risiko
Ob sich diese Prognosen erfüllen, hängt zu einem großen Teil vom Tourismus ab. Giannis Retsos, Präsident des Verbandes der griechischen Tourismusunternehmen (Sete), hält es für möglich, dass Griechenland im nächsten Jahr den bisherigen Reiserekord von 2019 wieder erreicht. Damit hatte man in der Branche bisher frühestens für 2023 gerechnet.
Der deutsche Branchenprimus Tui geht davon aus, dass im nächsten Sommer „ganz oder annähernd“ das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht wird. Griechenland gehört auch 2022, wie schon in diesem Jahr, zu den am meisten gebuchten Zielen.
Branchenexperten sehen darin einen Erfolg des griechischen Tourismuskonzepts. „Der Fokus in der Post-Corona-Ära liegt auf einer Individualisierung des Urlaubs, auf Freizeitaktivitäten und auf weniger bekannten, noch nicht erkundeten Orten“, sagt Ioanna Dretta, CEO der Initiative Marketing Greece. Dafür sieht sie Griechenland mit seinen Resorts, Boutique-Hotels und familieneigenen Pensionen sowie der landschaftlichen und kulturellen Vielfalt gut aufgestellt.
Aber Corona bleibt das größte Risiko. Angesichts der aktuellen Entwicklung bei den Ansteckungen habe sich derzeit die Nachfrage etwas reduziert, sagt Christoph Führer, Geschäftsführer des auf Rund- und Gruppenreisen spezialisierten Veranstalters Leitner Reisen. Auch Deutschlands zweitgrößter Reisekonzern DER Touristik beobachtet, dass sich die Buchungen angesichts der dramatisch steigenden Corona-Inzidenzzahlen etwas abgeschwächt haben. „Die Menschen warten aktuell noch ab“, sagt DER-Zentraleuropachef Ingo Burmester.
Neben den steigenden Fallzahlen sorgt jetzt auch die neue, in Südafrika aufgetauchte Virus-Variante für Verunsicherung. Die griechische Politik reagiert mit verschärften Beschränkungen: Im Einzelhandel und in der Außengastronomie gilt 3G, in der Innengastronomie und allen geschlossenen Veranstaltungsräumen 2G. Die Impfzertifikate verlieren für über 60-Jährige sieben Monate nach der Zweitimpfung ihre Gültigkeit, wenn man bis dahin keine Auffrischungsimpfung machen lässt.
„Impfen, impfen, impfen!“, lautet das Mantra von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Damit hofft er, nicht nur das Weihnachtsgeschäft zu retten, sondern auch die Reisesaison 2022. Einen neuen Lockdown werde es „sicher nicht“ geben, versichert die Regierung. Aber was ist schon sicher in dieser Pandemie.
Mehr: Bilanz des Reisesommers: Viele Urlaubsländer sehen noch keine nachhaltige Erholung.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.