Coronavirus Israel beschließt als erstes Land eine vierte Covid-Impfung – doch sie ist hochumstritten

Der israelische Premier hatte die vierte Dosis bereits vor Wochen ins Gespräch gebracht.
Tel Aviv Israels Regierung setzt als erstes Land der Welt auf eine vierte Dosis des Coronavirus-Impfstoffs. Premier Naftali Bennett hat die rasche Einführung einer zusätzlichen Auffrischungsimpfung für Menschen über 60, immungeschwächte Personen und Angestellte im Gesundheitswesen angeordnet. Die vierte Impfung sollen Personen erhalten, die vor mindestens vier Monaten die dritte Impfung erhalten haben.
Das Land ist eine Art Frühindikator in der Coronapandemie, gerade beim Impfen, weil hier die ersten Covid-Impfungen 2020 früher als in anderen Ländern begonnen haben. Israel war im Juli dieses Jahres weltweit das erste Land, das die Booster-Impfungen startete. Mit der vierten Impfung möchte Premier Bennet eine neue Infektionswelle durch die Omikron-Variante aufhalten. Die erneute Auffrischungsimpfung ist jedoch umstritten.
Bennett hatte die vierte Dosis bereits vor Wochen ins Gespräch gebracht. Doch Experten des Gesundheitsministeriums hatten bisher davon abgeraten. Am Dienstagabend dann beschloss die Regierung auf einer Kabinettssitzung die vierte Impfung. Dabei werden die Ergebnisse einer Studie am Sheba-Medical Center dazu erst in rund zwei Wochen erwartet.
An der Studie, in der die Auswirkungen auf den Antikörperspiegel untersucht werden, beteiligen sich 200 Freiwillige, die ein viertes Mal geimpft worden sind. Nach Angaben des Krankenhauses handelt es sich um die weltweit erste Studie dieser Art, die in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium durchgeführt wird.
Galia Rahav, die am Sheba-Medical Center die Abteilung für Infektionskrankheiten leitet und Mitglied des Expertengremiums der Regierung ist, bezeichnete die Empfehlung für die zusätzliche Auffrischungsimpfung in einem Rundfunkinterview als „nicht einfach“. Noch gebe es zu wenig Daten, die zeigen könnten, ob der Schutz durch die dritte Impfung nachlasse oder ob es Nebenwirkungen gebe.

Die vierte Impfung sollen Personen erhalten, die vor mindestens vier Monaten ihre dritte Impfung erhalten haben.
Doch gleichzeitig gebe es „erschreckende Zahlen“ auf der Welt, sagte Rahav bezogen auf die sich schnell ausbreitende Omikron-Variante. Wenn man auf die Daten warte, könne die nächste Infektionswelle nicht verhindert werden. Deshalb habe sich die Mehrheit des Expertengremiums für eine vierte Impfung ausgesprochen. Die Abteilungsleiterin für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Sharon Alroy-Preis, hatte unter anderem ihre Bedenken geäußert.
Die Experten des beratenden „Pandemic Response Teams“ standen politisch unter Druck. Bennett hatte klargemacht, dass er „ungeduldig“ auf die Genehmigung der vierten Dosis warte. Sonst wäre die fünfte Welle nicht aufzuhalten, warnte er. Israel habe als erstes Land der Welt eine dritte Spritze zur Verfügung gestellt und werde nun auch bei der vierten führend sein, sagte Bennett. Noch ist der Beschluss des Kabinetts zur vierten Impfung für niemanden verpflichtend.
Andere Untersuchungen am Krankenhaus Sheba zur Omikron-Variante stützen sich vor allem auf Daten aus dem Ausland, weil es in Israel erst ein paar Hundert Omikron-Patienten gibt. Diese haben bisher einen milden Krankheitsverlauf. Da Israel nach den ersten Informationen aus Südafrika über das neue Virus die Einreise massiv eingeschränkt oder sogar verboten hatte, habe man Zeit gewonnen, meinte Bennett auf einer Pressekonferenz.
Die Impfbegeisterung hat in Israel deutlich nachgelassen
Doch das Tempo, mit dem Bennett die vierte Dosis durchs Kabinett durchgepeitscht hat, verunsichert viele Bürger. Kritisiert wird zudem, dass die vierte Dosis beschlossen wurde, bevor die Quote der doppelt und dreifach Geimpften gesteigert worden ist. Das sei dringender, sagen Experten.
32 Prozent aller Menschen über fünf Jahre in Israel sind ohne Impfschutz. Weitere zehn Prozent sind doppelt geimpft, haben aber bisher auf den dritten Shot verzichtet. Lediglich 58 Prozent der Israeli haben bisher drei Dosen erhalten. Im Land, das einst als Impfweltmeister galt, hat die Impfbegeisterung sichtlich nachgelassen. Bennett ist zudem nicht sonderlich populär, sodass seine Aufrufe an die Nichtgeimpften wenig Resonanz auslösen.
Seit Mitte November dürfen auch Kinder zwischen fünf und elf Jahren geimpft werden. Bisher haben lediglich zehn Prozent das Angebot angenommen. Die niedrige Impfquote bei Kindern erklärt Nadav Davidovitch, Direktor der School of Public Health an der Ben-Gurion University of the Negev, unter anderem mit den „zahlreichen Fake News“, die im Umlauf seien, und mit der Angst vieler Eltern vor „irgendwelchen Langzeitfolgen“, was „natürlich nicht stimmt“.
Wenn Israel damit beginne, Schüler in der Schule zu impfen, werde sich die Impfquote erhöhen, sagte Davidovitch. Bisher hatte Erziehungsministerin Yifat Shasha-Biton gezögert, die Richtlinie Bennetts umzusetzen, die Impfungen in Schulen zulässt.
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