Coronavirus So will Österreich raus aus dem Shutdown
Österreich will Corona-Auflagen nach Ostern schrittweise lockern
Wien Seinen Mundschutz hat Sebastian Kurz für einen Moment abgelegt. Denn schließlich will sich der österreichische Bundeskanzler hinter einer hohen Glasscheibe möglichst telegen inszenieren, um das schrittweise Hochfahren des Handels in der Coronakrise zu verkünden.
„Unser Ziel ist es, dass mit dem 14. April kleine Geschäfte unter 400 Quadratmetern sowie Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen dürfen“, teilte der Chef der schwarz-grünen Regierung mit. „Ab dem 1. Mai ist unser Ziel, dass alle Geschäfte und Einkaufszentren sowie Friseure wieder öffnen dürfen.“ Teile der Gastronomie werden demnach frühestens Mitte Mai wieder öffnen können.
Eine Entscheidung über weitere Lockerungen falle Ende April, sagte Kurz. Seinen Stolz über die „neue Normalität“ in Österreich kann der Regierungschef bei seinem Auftritt im Wiener Kanzleramt nur mühsam verbergen.
Damit fährt Österreich als erstes Land in der EU die drakonischen Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus zurück. Und Kurz wäre nicht Kurz, wenn er diese Gelegenheit nicht für Selbstlob nützen würde.
„Wir sind bisher besser durch die Krise gekommen als andere Länder“, sagte der 33-Jährige, der Anfang des Jahres zum zweiten Mal zum Kanzler gewählt wurde. „Wir als Österreich gehen besser und stärker aus der Krise hervor“, bestätigte auch sein grüner Stellvertreter Werner Kogler fast wortgleich. Die Regierung will die schrittweise Lockerung im Handel als wegweisenden Erfolg verkaufen.
Derzeit geben die Zahlen, die Gesundheitsminister Rudi Anschober an diesem Montag vorlegte, Grund zur Hoffnung. „Wir haben es geschafft, die Kurve zu verflachen“, sagte der Grünen-Politiker. „Das ist nur ein erster Etappenerfolg. Der Trend der letzten Wochen muss sich auch in dieser Woche fortsetzen“, sagte Anschober.
Der Zeitraum, in dem sich die Zahl der Infizierten verdoppelt, hat sich auf 16,5 Tage verlängert. 187 Neuinfektionen standen zuletzt 465 wieder gesunden Patienten gegenüber. Derzeit liegen 250 Corona-Infizierte auf Intensivstationen in österreichischen Krankenhäusern.
Unmut über bisherige Maßnahmen
Mit seinem überraschenden Schritt nimmt Kurz erst einmal viel politischen Druck aus dem Kessel. Denn in Österreich ist der Unmut vieler Bürger und Einzelhändler in den vergangenen Tagen gestiegen. Sie empfanden die bisherige Regelung als ungerecht, die es ausschließlich Supermärkten erlaubt, zu öffnen.
Die Handelskonzerne mit ihrem breiten Produktangebot auch außerhalb des Lebensmittelbereichs – vom Tulpenstrauß bis zu Tierfutter und Heimwerkermaterialien – machten in den vergangenen Wochen der Coronakrise ein exzellentes Geschäft.
Die kleinen Fachgeschäfte, aber auch Gartencenter und Baumärkte, litten dagegen unter den Beschränkungen. Damit soll nach Ostern Schluss sein.
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Städten wie Wien, Graz oder Salzburg noch zahlreiche inhabergeführte Fachläden. Deren Besitzer gehören zur klassischen Klientel der Regierungspartei ÖVP.
In der Wirtschaft kommt das schrittweise Hochfahren des Handels daher gut an. „Mit der heute angekündigten schrittweisen Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sendet die Bundesregierung ein positives Signal hinsichtlich Planbarkeit, Vertrauen und Zuversicht an Menschen und Unternehmen“, sagte Georg Kapsch, Unternehmer und Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung.
Maskenpflicht: Probleme bei der Umsetzung
Unterdessen verschärft Österreich die Regelungen zum Tragen von Gesichtsmasken. Die Maskenpflicht, die erst seit Montag beim Einkauf in Supermärkten gilt, wird auf den öffentlichen Nahverkehr ausgeweitert. Wer keine Maske trägt, wird nach Angaben des Innenministeriums mit einer Geldbuße von 50 Euro bestraft.
In der Praxis funktioniert die Gesichtsmaskenpflicht in Österreich allerdings alles andere als gut. Viele Supermärkte haben schlichtweg keine Atemmasken für Mund und Nase.
„Wir werden alles daran setzen, die Vorgaben des Erlasses raschestmöglich zu erfüllen, aber das ist beim besten Willen mit Stichtag 6. April nicht für alle unsere 2.550 Standorte mit 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umsetzbar“, sagte Marcel Haraszti, Vorstand der Rewe International AG. Viele Kunden behelfen sich damit, dass sie ihren Schal über Teile des Gesichts ziehen. Manche Supermarktbesucher tragen auch selbstgebastelte textile Masken.
Zu den Erleichterungen der Regierung für die österreichische Bevölkerung gehört auch, dass die staatlichen Gärten wie Schloss Schönbrunn oder Schloss Belvedere in Wien nach Ostern wieder geöffnet werden. Zuletzt gab es massive Kritik an der Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, die sich lange gegen eine Öffnung der Gärten gesperrt hatte.
Nun kündigte sie massive Kontrollen in den staatlichen Gärten an. „Es wird allerdings strenge Einlasskontrollen geben, im Inneren der Anlagen wird die Polizei konsequent darauf achten und Sorge tragen, dass die notwendigen Abstände eingehalten werden“, sagte die Kurz-Vertraute, die auch auf einen autoritären Stil setzt. „Wenn die Sicherheitskräfte feststellen, dass die Parkanlagen temporär überfüllt sind, wird der Einlass beschränkt“, warnte die konservative Ministerin bereits die Bürger.
Für den Kulturbereich gelten dagegen weiterhin Beschränkungen. Die österreichische Regierung hat am Montag alle Veranstaltungen bis mindestens Ende Juni untersagt. Im Gegensatz zu den Bayreuther Festspielen ist noch nicht entschieden, ob die Salzburger Festspiele ab dem 18. Juli stattfinden können. Das Festival feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag.
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