Coronavirus Wirtschaft in Italien fordert „unkonventionelle“ Maßnahmen gegen drohende Rezession

Der Tourismus in Italien ist eingebrochen. Unternehmen fordern mehr Unterstützung von der Regierung in Rom.
Rom Der Präsident des italienischen Industrieverbands Confindustria war vom ersten Tag im Amt an ein Mann der klaren Worte. Auch jetzt in der Krise wurde Vincenzo Boccia deutlich: „Die restriktiven Maßnahmen und die gesundheitspolitischen Einschränkungen, die es in der letzten Zeit gegeben hat, bringen die mittelfristige Wachstumsperspektive Italien ernsthaft in Gefahr“, schreibt er in einem siebenseitigen Katalog, den der Industrieverband Premier Giuseppe Conte am Mittwoch bei einem Treffen der Sozialpartner mit der Regierung vorgelegt hat.
Es ist ein Appell angesichts der Notsituation im Land. Italien ist weiterhin durch die Ausbreitung des Corona-Virus gelähmt, die Zahl der Infizierten ist noch nicht zum Stillstand gekommen. Seit diesem Donnerstag sind landesweit nicht nur im betroffenen Norden, sondern im ganzen Land die Schulen bis Mitte März geschlossen.
Der Einfluss auf die Wirtschaft des Landes werde enorm sein, wenn die Situation nicht schnell und mit den richtigen, „unkonventionellen“ Maßnahmen angegangen werden, mahnt Confindustria, der Verband, der mehr als 150.000 Unternehmen mit 5,4 Millionen Angestellten vertritt. Die Unternehmer fordern von der Regierung ein „Whatever it takes“, also Hilfe um jeden Preis. Mit diesem Zitat hatte Mario Draghi als Präsident der EZB 2012 die Finanzmärkte in der Eurokrise beruhigt.
Dazu gehöre eine Normalisierung des Notstands im Gesundheitswesen. Die Intensivstationen müssten vergrößert und mit mehr Betten ausgestattet werden, fordern die Industriellen. Prompt reagierte Premier Conte am Mittwoch Abend per Videobotschaft in seiner ersten offiziellen Mitteilung an die Italiener, in der er an das Verantwortungsgefühl aller appellierte.
„Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass im Fall eines exponentiellen Anstiegs der Intensiv-Patienten nicht nur Italien, sondern kein Land auf der Welt eine solche Notsituation schultern könnte”, sagte Conte. Die Zahl der Intensiv-Betten solle um 50 Prozent erhöht werden. Dahinter steckt die Furcht, dass das italienische Gesundheitswesen, das nur im Norden, in den betroffenen Regionen gut funktioniert, einem weiteren Ausbreiten des Coronavirus nicht gewachsen ist.
Hilfspaket sei nicht ausreichend
Doch die Wirtschaftsvertreter von Confindustria verlangen mehr. Die von Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri angekündigten 3,6 Milliarden Euro des Hilfspakets, für das die Regierung noch die Zusage des Parlaments und der EU-Kommission einholen muss, seien nicht ausreichend, so Boccia im Radio, ebenso wenig wie die Flexibilität, die Italien will. „Nötig ist ein außerordentlicher Schock-Plan“, so der Confindustria-Chef, „es hat keinen Sinn, ein paar Monate zu warten, um dann an einer Reaktion zu arbeiten“.
Italien läuft die Zeit davon. Das hoch verschuldete Land, das seit Langem unter schwachem Wachstum leidet, ist auf dem Weg von der Stagnation in die Rezession. Die Industrieproduktion ist eingebrochen – schon vor dem Ausbruch von Covid-19. Das Defizit in diesem Jahr wird sicher deutlich über der von der Regierung angegebenen Größe von 2,2 Prozent liegen.
Das Bruttoinlandsprodukt wird nach Berechnungen des Studienzentrums von Confindustria im ersten Quartal weiter fallen und im zweiten noch deutlicher. Die Industrieproduktion wird mit einem Plus von 1,9 Prozent im Januar und minus 0,5 Prozent im Februar geschätzt. Im März soll der Einbruch noch stärker ausfallen.
„Diese Krise kann zu einer Gelegenheit werden, um das zu machen, was die Regierungen in einer normalen Situation nicht machen können – oder nicht wollen“, heißt es im Confindustria-Appell. „Wenn das nicht passiert, laufen wir Gefahr, dass die ökonomischen und sozialen Flugbahnen der EU-Länder immer weiter auseinanderdriften.“
Italien brauche einen Investitionsplan für Infrastrukturmaßnahmen, die öffentliche Nachfrage müsse den Rückgang der privaten ausgleichen. Die Unternehmen bräuchten mehr Liquidität. Es sei bekannt, dass die Kreditvergabe immer noch selektiv sei bei kleinen und mittleren Unternehmen und dass der Kapitalmarkt noch nicht ausreichend entwickelt sei.
Italien schließt landesweit Schulen und Universitäten
In der Tourismus-Branche gibt es schon die ersten Zahlen von der Auswirkung des Virus. Im zweiten Quartal werde Italien mehr als 31 Millionen Touristen verlieren, mit einem Verlust von 7,4 Milliarden Euro, schätzt der Tourismusverband Confturismo-Confcommercio. „Die Situation ist dramatisch“, sagt Verbandspräsident Luca Patanè, „leider zahlen wir für die Konsequenzen einer Kommunikation, die schlimmer ist als das Virus selbst.“
Am schlimmsten sei die Hysterie. Die müsse unterdrückt werden mit „einer beruhigenden und die Wahrheit sagenden Botschaft darüber, wie es in Italien steht.“ Schaut man auf die Zahl der Stornierungen, ist sie noch nicht angekommen. Doch die Regierung muss bald handeln, das sagt auch Confindustria.
Mehr: In Italien ist die Angst vor Ansteckung überall zu spüren: Premier Conte bereitet Milliardenhilfen für die Wirtschaft vor und verlängert den Notstand. Das Land ist jetzt praktisch dreigeteilt.
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