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Covid-Strategie Chaos beim Corona-Impfpass in den USA: Fast 20 Anbieter arbeiten an eigenen Versionen

In den USA fordert vor allem die Wirtschaft einen Impfpass. Doch politisch ist ein staatlicher Ausweis umstritten. Behörden, Firmen und Organisationen sind sich uneins.
06.04.2021 - 17:30 Uhr 1 Kommentar
Das Programm wurde von IBM entwickelt und wird in New York getestet. Quelle: AP
„Excelsior Pass"

Das Programm wurde von IBM entwickelt und wird in New York getestet.

(Foto: AP)

New York, Washington Impfen bringt in den USA klare Vorteile. Egal, ob die Donut-Kette Krispy Kreme, das New Yorker Stadion Madison Square Garden oder die Kreuzfahrtschiffe von Royal Caribbean: Sie alle belohnen geimpfte Amerikaner mit Donuts, Eintritt oder sicherem Urlaub. 100 Millionen Amerikaner sind bereits geimpft. Reiseanbieter und Konzertveranstalter wollen das nutzen, um mit den Immunisierten ins Geschäft zu kommen.

Anders als in Deutschland hat sich die Regierung in den USA zuerst aufs Impfen konzentriert, bevor die Debatte über einen Nachweis aufkam. Doch mit den neuen Möglichkeiten, die sich mit der wachsenden Immunität auftun, fordern vor allem immer mehr Unternehmen einheitliche Ausweise für Geimpfte. Politisch ist das Thema in den USA jedoch äußerst heikel. Vor allem Republikaner wehren sich gegen staatliche Impfpässe. Deshalb wird es wahrscheinlich auf private Lösungen hinauslaufen.

Bislang bekommen Geimpfte in den USA nach der Spritze einen Zettel aus Papier oder Pappe in die Hand gedrückt, auf dem das Logo der US-Krankheitsbehörde, Center for Disease Control, der Name, das Geburtsdatum und das Datum und die Art des Vakzins stehen. Das Dokument sieht jedoch überall anders aus, lässt sich leicht fälschen, und man kann es schnell verlieren. Aus der Privatwirtschaft wird daher der Ruf nach einheitlichen Regeln laut.

So forderten die wichtigsten Luftfahrt- und Reiseverbände der USA und die mächtige US-Handelskammer die Regierung jüngst auf, bis Mai einen Plan für einen flächendeckenden Impf-Nachweis vorzulegen. „Es ist äußerst wichtig, eine einheitliche Anleitung zu geben“ heißt es dort, und „die USA müssen wegweisend sein in dieser Entwicklung“.

Bisher laufen die Bemühungen in den USA und weltweit ziemlich chaotisch. Länder wie Israel, Dänemark, Japan und China experimentieren mit elektronischen Lösungen. Die EU hat ein „digitales Zertifikat“ angekündigt, das das Reisen erleichtern soll. Fluggesellschaften basteln an eigenen Lösungen.

Einzelhändler, Airlines und Kliniken versuchen sich an Impfpass-Varianten

In den USA arbeiten Tech-Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und Behörden nebeneinanderher. So wird im Bundesstaat Hawaii gerade eine Impfpass-App entwickelt, und der IT-Konzern IBM testet in New York ein Programm namens „Excelsior“, das mit QR-Codes arbeitet, mit denen man etwa in die Sport- und Konzert-Arena Madison Square Garden kommt.

In Las Vegas arbeitet MGM Resorts, das Hotels und Spielcasinos betreibt, mit dem Unternehmen Clear zusammen, das an vielen Flughäfen bereits bei Finger-Scans zum Einsatz kommt. Airlines wie JetBlue und United nutzen den „CommonPass“, der schon heute für Lufthansa und andere negative Covid-Tests anzeigt.  

Der Einzelhandelsriese Walmart will seinen Kundinnen und Kunden eine eigene digitale Impfkarte anbieten. Kliniken und Forscher schließen sich Gruppen wie der „Vaccination Credential Initiative“ und „Good Health App“ an. Insgesamt gibt es mindestens 17 verschiedene Initiativen für sogenannte „Covid Credentials“.

Ein bundesweiter Impfpass könnte bei diesem Chaos Übersicht verschaffen. Doch die Aussicht auf einen von Washington verordneten Impfnachweis polarisiert die USA. Befürworter argumentieren, dass ein Impfpass Anreize bieten könnte, sich impfen zu lassen. Außerdem könnten Unternehmen, Gastronomie und Tourismusbranche schneller und sicherer wieder öffnen.

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Gegner fürchten dagegen, dass ein standardisierter Impfpass, der digital auf dem Smartphone oder als laminiertes Kärtchen mit Wasserzeichen erhältlich wäre, auch negative Folgen haben könnte. „Sobald auch nur der Eindruck entsteht, der Pass sei verpflichtend oder von der Bundesregierung vorgeschrieben, geht es mit der Akzeptanz schnell bergab“, warnte jüngst der Gesundheitsexperte Brian C. Castrucci vom Forschungszentrum Beaumont Foundation in Maryland. „Das würde viele Menschen abschrecken.“

US-Präsident Joe Biden hält sich beim Impfpass auffällig bedeckt

Im Weißen Haus weiß man genau, dass zu viel Engagement in der öffentlichen Wahrnehmung als Eingriff in die individuelle Freiheit betrachtet werden würde. Laut „Washington Post“ prüfen Gesundheitsministerium, Heimatschutzbehörde und Zollbehörde TSA zwar ein „Programm für Impfstoffzertifizierung“, um internationale Reisen zu öffnen. Aber öffentlich hält sich US-Präsident Joe Biden auffällig bedeckt.

Es werde keinen „nationalen Impfpass“ oder eine zentrale Covid-Impfdatenbank geben, unterstrich Sprecherin Jen Psaki vergangene Woche. „Wir wollen einen offenen Markt, wir ermutigen den privaten Sektor und gemeinnützige Organisationen dabei, Lösungen zu entwickeln.“ Bidens Covid-Berater Andy Slavitt ergänzte, man sei besorgt, dass „es die Menschen davon abhalten würde“, sich impfen zu lassen, wenn sich die Bundesregierung „zu stark“ an einem Nachweis beteilige.

Sogar Amerikas Chef-Immunologe Anthony Fauci nimmt von einem verpflichtenden Impfpass Abstand. „Ich zweifle, dass die Regierung der Hauptmotor hinter einem Impfpass-Konzept sein wird“, sagte er am Montag in einem Podcast-Interview. Die Regierung könne höchstens dafür sorgen, dass es fair zugehe, betonte er.

Republikaner vergleichen Impfpässe mit Nazi-Deutschland

Besonders im konservativen Lager werden Impfungen als etwas betrachtet, „was jeder für sich entscheiden müsse“, sagte der texanische republikanische Abgeordnete Pete Sessions. Wenn eine geimpfte Person ins Kino gehen darf und eine ungeimpfte nicht, sei das die Vorstufe von „autoritärer Unterdrückung“, wetterte die republikanische Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem. Der Impfpass sei „eine der unamerikanischsten Ideen in der Geschichte unserer Nation. Wir müssen uns dieser Unterdrückung widersetzen.“

Der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, drohte, er werde jegliche Vorstöße aus der Wirtschaft per Dekret unterbinden. Es sei „völlig inakzeptabel“, wenn Menschen ohne Impfung benachteiligt würden, „wenn sie einfach nur an der Gesellschaft teilnehmen wollen“. Noem und DeSantis gelten als potenzielle Präsidentschaftsbewerber für das Rennen ums Weiße Haus 2024.

Eine der wenigen unterstützenden Stimmen kam aus Utah vom dortigen republikanischen Senator Mike Lee. „Impfungen sind nichts Schlechtes, und es ist nichts falsch daran, wenn private Unternehmen solche Tools verwenden möchten“, sagte er. Einen „Eingriff von oben“ seitens der Bundesregierung lehnte aber auch er ab.

Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die in der Vergangenheit mit rechtsextremen Verschwörungsmythen auffiel, hat gar ein Gesetz vorgelegt, das Impfpässe „verbieten“ würde. Die Vorlage hat keine Chance auf eine Abstimmung, aber Greenes Appelle werden im Netz hunderttausendfach geteilt. Ihre Parteikollegin, die Abgeordnete Madison Cawthorn, verglich Impfpässe mit Maßnahmen in „Nazi-Deutschland der 1940er-Jahre.“

Auch der Sohn des Ex-Präsidenten, Donald Trump jr., warf sich in die Debatte und vermischte sie mit der Diskussion um Hürden bei der Stimmabgabe am Wahltag. „Die Demokraten möchten also, dass amerikanische Bürger einen Impfpass haben, um frei in den USA reisen zu können – aber ein Ausweis beim Wählen soll überflüssig sein?!? Clowns!!!“, schrieb Trump jr. auf Twitter.

Die Unternehmen bleiben also stark auf sich selbst gestellt. Die Kreuzfahrtschiffe von Royal Caribbean, Celebrity Cruises und Victory Cruise Lines werden für ihre Fahrten im Sommer die Pappkärtchen akzeptieren, die die verschiedenen Impfstellen ausgeben.

An ihrer Entscheidung, die Reisen nur für geimpfte Menschen anzubieten, haben sie keinen Zweifel: „Angesichts der Verfügbarkeit von Vakzinen in den USA wäre es fahrlässig gegenüber meiner Crew, wenn ich diese Entscheidung nicht fällen würde“, erklärte Dan Blanchard, Chef von UnCruise Adventures, der im Sommer Alaska-Fahrten anbieten will. Auch die Seefahrtsbehörde (Federal Maritime Commission) hat in ihrem Plan „Cruising Forward“ festgelegt, dass Passagiere und Crew-Mitglieder auf großen Schiffen geimpft sein müssen.

Madison Square Garden, wo die Basketballer der New York Knicks spielen, will Besucher mit der IBM-Technologie von „Excelsior“ auf Vakzine checken. Die Konkurrenten der New Yorker in der Basketball-Profiliga NBA, Miami Heat aus dem sonst eher lockeren Bundesstaat Florida, akzeptieren dagegen für ihre Extra-Tribüne Pappe- und Papierkärtchen der Impfzentren. Dort steht die Abkürzung VIP nun für „Vaccinated Important People“.  

Mehr: Digitaler Impfpass, Tests vor Abflug, flexible Airlines: So kann der Sommerurlaub funktionieren.

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1 Kommentar zu "Covid-Strategie: Chaos beim Corona-Impfpass in den USA: Fast 20 Anbieter arbeiten an eigenen Versionen"

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  • Wenn alle Geimpften auf einem Schiff zusammenhocken und wegen der Impfung leichtsinnig werden, werden wir sehen, wie gut der Impfstoff wirkt.

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