Digitales grünes Zertifikat Reisen mit dem digitalen EU-Impfpass – Wo sich die Mitgliedstaaten noch uneinig sind

Die Kommissionspräsidentin stellte im März erstmals die Pläne für das grüne Zertifikat vor.
Brüssel Dass es schnell gehen soll, darin sind sich alle einig. Ab Juni sollen alle EU-Bürger ein digitales „grünes“ Zertifikat bekommen können, das ihnen das Reisen erleichtert. Impfungen werden dort eingetragen, überstandene Infektionen und negative Corona-Tests – also die Daten, die einen Menschen als nicht ansteckend ausweisen.
Verglichen mit anderen Vorhaben ist dieses eher simpel. Doch die EU-Institutionen nutzen es für einen Grundsatzstreit. Es geht um die Grenzen zwischen den EU-Staaten: Haben die Mitgliedstaaten das Recht, die Reisefreiheit einzuschränken – oder müsste das die EU tun, wo sich die Staaten doch 1995 in Schengen darauf geeinigt haben, Grenzkontrollen abzuschaffen?
„Wir müssen die chaotische Situation beenden“, sagte der spanische Sozialdemokrat Juan Aguilar im Europaparlament. Er will, dass mit der Einführung des Zertifikats Grenzkontrollen und Quarantänebestimmungen vereinheitlicht werden. „Wenn das Zertifikat da ist, sollten die Mitgliedstaaten keine weiteren Einschränkungen einführen“, sagte er. Eine große Mehrheit des Parlaments hat er hinter sich.
Bislang erlassen die Staaten Einreise- und Quarantänebestimmungen selbstständig. Relativ klar ist, dass sich mit dem Zertifikat daran etwas ändern wird: Wer geimpft ist, soll nach einem Grenzübertritt nicht mehr in Quarantäne gehen müssen. Nur so sind Tourismus, Verwandtenbesuche und Geschäftsreisen wieder vernünftig möglich – und das ist das Ziel.
Die Europaabgeordneten drängen aber darauf, dass Schnelltests der Impfung gleichgestellt werden. Das heißt: Wer nicht geimpft ist, könnte einen Test machen und dann wieder uneingeschränkt in Europa reisen. „Die Zertifikate könnten ein Ausgangspunkt für eine echte europäische Lösung sein“, sagte die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel.
Bislang ist das ganz anders. In vielen Staaten ist ein Test Pflicht, Quarantäne aber auch. Andere Staaten haben die Vorschriften gelockert, um den Tourismus wieder anlaufen zu lassen. Der Rat der Mitgliedstaaten will die Entscheidung darüber auf der nationalen Ebene belassen.
Das Parlament will auch die absehbaren Spannungen reduzieren, indem es kostenlose Tests in allen Mitgliedstaaten ermöglicht. Nicht überall ist es so wie in Deutschland, dass Schnelltests weit verbreitet sind. Die EU hilft bereits bei der Test-Beschaffung und subventioniert die Kosten – wie der Zugang zu Schnelltests ist, ist aber von Land zu Land unterschiedlich.
Das könnte zum Problem werden, sobald Lockerungen mit dem Immunitätsstatus verbunden werden. Denn dann könnten Geimpfte ihre Freiheiten genießen, während Nichtgeimpfte weiterhin zu Hause bleiben müssen.
Deutsche App auch ohne EU möglich
Umstritten ist auch noch, welche Impfungen anerkannt werden. Das Parlament will, dass nur von der Arzneimittelbehörde Ema zugelassene Impfstoffe in das Zertifikat eingetragen werden. Das wäre für Ungarn kaum zu akzeptieren, dass seine Bürger mit russischem Sputnik V und chinesischem Sinopharm impft. Außerhalb Ungarns wären nur einige Impftouristen betroffen.
Im Detail gibt es einen weiteren Streit, der sich um den dritten Nachweis dreht, der im grünen Zertifikat enthalten sein wird. Wer einmal an Covid-19 erkrankt war, soll ähnliche Rechte erhalten können wie ein Geimpfter. Als Nachweis für die überstandene Infektion will die EU-Kommission einen hinreichend alten, von offizieller Stelle bestätigten Antigen-Schnelltest akzeptieren.
Der CDU-Gesundheitspolitiker Peter Liese kritisierte das scharf: Diese Tests seien viel zu ungenau. In Deutschland sollen positive Antigen-Schnelltests ohnehin mit dem genaueren PCR-Test bestätigt werden. Darum dürfte der Unterschied hier nicht allzu groß sein. In anderen Ländern könnten Genesene aber Probleme bekommen, im Nachhinein ihre Infektion nachzuweisen, wenn sie sich damals nur mit einem Schnelltest testen ließen.
Parallel zur Gesetzgebung schreitet die technische Entwicklung voran. Man sei im Zeitplan, sagte ein Kommissionsbeamter. Auf einem Server in Luxemburg entsteht eine Datenbank mit Schlüsseln, über die sich Impfpässe in ganz Europa verifizieren lassen werden.
Die EU hat großen Wert darauf gelegt, eine datensparsame Infrastruktur zu bauen. Die Daten zu Impfung, Genesung und Test sind nur auf dem Handy oder dem ausgedruckten Impfausweis zu lesen, nicht in einer Datenbank gespeichert. Der QR-Code enthält alle Daten in verschlüsselter Form.
Außerdem kann eine nationale Impfausweis-App anzeigen, zu was die angezeigten Daten berechtigen. In Deutschland wird das wohl die Corona-Warn-App sein. Sie könnte etwa für 24 Stunden einen grünen Haken anzeigen, sobald ein negativer Test eingelesen wurde oder dauerhaft ab zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis.
Wer den QR-Code scannt, etwa beim Check-in am Flughafen, ruft damit den öffentlichen Schlüssel vom Server in Luxemburg ab, womit die Echtheit des Ausweises nachgewiesen werden kann. Der Prüfer sieht auf seinem Gerät Name und Geburtsdatum des Reisenden, der sich dann zusätzlich mit seinem Personalausweis ausweisen muss.
Um diese Funktionen innerhalb des Landes zu nutzen, etwa um ein Restaurant zu besuchen, können die Länder auch schon starten, bevor die europäische Infrastruktur steht. Auch in Deutschland hieß es zuletzt, man sei im Zeitplan, um am 1. Juni die App anzubieten.
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