Diplomatie Besuch von griechischem Außenminister in Türkei endet in Eklat

Die beiden Außenminister stritten sich während einer Pressekonferenz.
Istanbul Der erste Besuch eines griechischen Außenministers in der Türkei seit zwei Jahren hat in einem Eklat geendet. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag warfen sich Nikos Dendias und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Çavuşoğlu jeweils Fehlverhalten in zentralen Konflikten wie dem Erdgasstreit und der Migrationspolitik vor.
Während beide Politiker zu Beginn der Konferenz noch eine positive und konstruktive Atmosphäre lobten, eskalierte das Gespräch schnell, nachdem Dendias die Türkei ermahnte, keine „Fake-News“ zu verbreiten, „die nicht zum positiven Klima beitragen, auf dessen Stärkung wir uns geeinigt haben“. Zudem müsse „die Zypernfrage endlich gelöst werden“ und Abstand davon genommen werden, „auch in dieser Region zu provozieren“.
Griechenland und die Türkei: Es geht kaum ohne Vorwürfe
Çavuşoğlu, der Dendias zu Beginn noch seinen langjährigen Freund genannt hatte, reagierte und sagte, er habe das Gespräch in einer freundlichen Atmosphäre führen wollen. „Aber in seiner Rede hat Niko Dendias leider äußerst inakzeptable Anschuldigungen gegenüber meinem Land geäußert.“
Er warf Griechenland vor, gegen internationales Recht zur verstoßen und Menschen „ins Meer geworfen“ zu haben. Das habe man nicht vor der Presse besprechen wollen, „aber Sie stellen sich hierher und beschuldigen die Türkei vor der Presse, um natürlich Ihrem Land eine Botschaft zu vermitteln. Das kann ich nicht akzeptieren“, sagte der türkische Außenminister.
In den Medien der beiden Länder wird der Streit weitergeführt. „Skandal von Dendias“, schrieb etwa die regierungsnahe türkische Zeitung Milliyet kurz nach dem Treffen von Nikos Dendias und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu am Donnerstagabend in Ankara. Die konservative Athener Zeitung „Political“ sah gar „Krieg zwischen Dendias und Cavusoglu in der Luft“.
Von „Zankerei“ schrieb die türkische Zeitung „Cumhuriyet“. Die ebenfalls in der Türkei erscheinende Zeitung „Hürriyet“ nannte Dendias Benehmen „schockierend“: „Er kam zum Dialog und fing einen Streit an.“ Die linke griechische „Zeitung der Redakteure“ hingegen fragt: „Was nun?“ Beide Seiten würden den Dialog fortsetzen wollen, hätten aber grundverschiedene Auffassungen.
Sanktionen stehen immer im Raum
Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind seit Jahren angespannt. Die Regierung in Athen wirft dem Nachbarn etwa vor, in Gewässern der Ausschließlichen Wirtschaftszone Griechenlands illegal nach Erdgas zu forschen. Ankara argumentiert, die erkundeten Zonen gehörten zum türkischen Festlandsockel und die Türkei habe ein Recht auf Ausbeutung der Bodenschätze. Der Konflikt brachte die beiden Länder im vergangenen Jahr an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung, hatte sich zuletzt aber wieder entspannt.
Ankara wirft Griechenland immer wieder vor, Migranten in der Ägäis illegal zurück in türkische Gewässer zu drängen, um sie daran zu hindern, nach Griechenland zu gelangen. Athen quittierte Vorwürfe dieser Art immer wieder als „Fake-News“.
Mit Blick auf den Erdgasstreit warf Dendias Ankara vor, die Ausweitung der griechischen Seegrenzen von sechs auf zwölf Seemeilen als Kriegsgrund zu werten, obwohl diese Ausweitung von internationalem Seerecht gedeckt sei. Einen entsprechenden Beschluss hatte das türkische Parlament im Jahr 1995 gefasst. Mit Bezug auf die türkische Suche nach Erdgas in umstrittenen Gebieten sagte er: „Wenn es Verletzungen unserer Souveränität gibt, dann stehen immer Sanktionen im Raum. Wir wünschen uns aus ganzem Herzen, dass es dazu nicht kommt.“
Erdgasstreit: Die EU hatte mit Sanktionen gedroht
Çavuşoğlu warf seinerseits Athen vor, internationale Verträge über Gebietszugehörigkeiten nicht einzuhalten. Mit Blick auf die Gesamtheit der Konflikte sagte Çavuşoğlu, nicht alle Angelegenheiten könnten mit diesen Treffen gelöst werden, „da unsere Differenzen stark sind, aber nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass der Dialog fortgesetzt wird“. „Werden wir das von nun an also auf bilateraler Ebene gemeinsam besprechen oder weiterhin so streiten? Ihr müsst euch entscheiden.“
Im Erdgasstreit zwischen beiden Ländern hatte die EU der Türkei mit Sanktionen gedroht. Ankara stellte die Forschungen dann jedoch ein, die Spannungen mit Athen nahmen ab. Ende Januar nahmen beide Länder nach fünf Jahren Pause dann wieder Sondierungsgespräche zur Beilegung des Erdgasstreits auf. Ankara und Athen werfen sich trotzdem immer wieder gegenseitige Provokationen vor.
Ende März entschied die EU, angesichts der Entspannung mit Vorbereitungen für eine Ausweitung der Zollunion mit der Türkei zu beginnen. Daran haben beide Seiten großes wirtschaftliches Interesse. So könnte zum Beispiel der Handel im Agrar- und Dienstleistungsbereich angekurbelt werden.
Dendias hatte zuvor auch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu einem 45-minütigen Gespräch im Präsidialpalast in Ankara getroffen. Zum Inhalt wurde zunächst jedoch nichts bekannt. Der Disput zwischen Çavuşoğlu und Dendias rief unterdessen auch bei Experten erstaunte Reaktionen hervor.
Letzter Besuch in der Türkei war 2019
2019 hatte zuletzt ein griechischer Außenminister die Türkei besucht. Der türkische Außenminister Çavuşoğlu reiste 2016 allein nach Kreta. 2017 besuchte er in Begleitung von Erdoğan – damals noch türkischer Ministerpräsident – Griechenland.
Die beiden Außenminister wollten ursprünglich schon am Mittwoch zusammenkommen, der Besuch wurde dann aber um einen Tag verschoben. Dendias traf sich an dem Tag in Istanbul zu einem privaten Gespräch mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios.
Mehr: EU-Ratspräsident zum Besuch in Ankara: „Ich bedauere diesen Vorfall zutiefst“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.