Dominic Raab Ein Karate-Fan und Brexit-Hardliner führt Großbritannien in Vertretung für Boris Johnson

Der britische Außenminister führt jetzt die Staatsgeschäfte weiter.
London Unter normalen Bedingungen müsste Dominic Raab überglücklich sein: Der 46-Jährige ist aktuell de facto Regierungschef von Großbritannien. Doch die Umstände seiner Beförderung sind ernst: Als Premierminister Boris Johnson am Montagabend wegen seiner Covid-19-Erkrankung auf die Intensivstation eines Londoner Krankenhauses verlegt wurde, bat er seinen Außenminister, ihn zu vertreten. Deswegen werde er, „wo notwendig“, Johnsons Pflichten übernehmen, erklärte dieser.
Dass Raab davon träumte, eines Tages Premierminister zu sein, ist kein Geheimnis: Als vergangenes Jahr die konservative Regierungspartei einen Nachfolger für Theresa May suchte, bewarb sich auch der heute 46-Jährige um den Posten. Aber er musste früh aus dem Rennen ausscheiden, weil ihm die Unterstützung aus den Reihen der Partei fehlte.
Raab empfahl sich daraufhin Johnson, und nachdem dieser dann den Sieg davontrug, belohnte der neue Premier Raab mit dem Posten des Außenministers.
Es war ein großer Karrieresprung. Schließlich hatte Raab wenig Erfahrung in politischen Spitzenämtern vorzuweisen. Aber der Karate-Fan war stets zur rechten Zeit am rechten Ort: Als im Sommer 2018 Brexit-Minister David Davis überraschend zurücktrat, fehlten der damaligen Premierministerin May die Alternativen – und sie holte den Brexit-Hardliner Raab in ihr Kabinett.
Nach vier Monaten trat dieser dann aus Protest gegen den Brexit-Kurs der Regierung zurück. Trotz der kurzen Amtszeit hatte der studierte Jurist da schon für Schlagzeilen gesorgt, etwa, als er unbekümmert öffentlich zugab, nicht gewusst zu haben, welch große Bedeutung für den britischen Handel der Hafen Dover hat.
Im Dezember 2019 drohte ihm seine Einstellung zum Brexit bei den Parlamentswahlen gefährlich zu werden: In seinem Wahlkreis im Südwesten von London – der von einer Boulevardzeitung einmal als „Beverly Hills von Großbritannien“ bezeichnet wurde – hatten sich viele Bürger für den Verbleib in der EU ausgesprochen.
Wenig schmeichelhaftes Wortspiel
Es war spekuliert worden, dass Raab deswegen abgewählt werden könnte. Doch der Sohn eines tschechischen Einwanderers holte sein Abgeordnetenmandat wieder. Wenngleich mit einer deutlich geringeren Mehrheit als zuvor.
Im Londoner Regierungsviertel gibt es ebenfalls einige, die Raabs Karriere weniger wohlwollend verfolgen. Regierungsbeamte haben „Dom“ Berichten zufolge den Spitzname „Dim Dom“ verpasst – ein wenig schmeichelhaftes Wortspiel mit dem britischen Schimpfwort „dimwit“, das sich mit „Dummkopf“ übersetzen ließe. Daneben hatte Raabs ehemalige Sekretärin ausgeplaudert, dass er „nicht gut mit Frauen könne“ und dass er arrogant sei. In den Pressebriefings, die seit der Coronakrise täglich abgehalten werden, konnte Raab nicht glänzen.
Dabei hatte er als Außenminister eine hervorgehobene Rolle: er war und ist dafür verantwortlich, die tausenden Briten im Ausland in ihre Heimat zurückzuholen. Aber öffentliche Termine absolviert er meist hölzern und mit Schweißperlen auf der Stirn, peinlich genau darauf bedacht, nicht von seinem Skript abzuweichen.
Johnsons Zustand sei „stabil“
Schon wenige Stunden nach der Bekanntgabe, dass Raab vorerst Premier Johnson vertritt, wurde spekuliert, was passiert, sollte sich der Gesundheitszustand des Regierungschefs verschlechtern, wofür es aber keine Anzeichen gab: Premier Johnsons Zustand sei „stabil“, sagte ein Regierungssprecher.
Fällt ein Regierungschef aus, gibt es in Großbritannien keine festgeschriebene Vorgehensweise. Der Regierungschef kann – wie er es mit Raab getan hatte – einen „First Secretary of State“ ernennen, der ihn vertritt. Aber letztlich läge es am Kabinett, einen neuen Premier zu ernennen.
Boris Johnson auf Intensivstation verlegt
Die Minister treffen auch jetzt noch Entscheidungen gemeinsam, wie Kabinettschef Michael Gove in Interviews eilig betonte. Gove soll kein Freund von Raab sein: Auch ihm werden Ambitionen auf den Posten des Premiers nachgesagt. 2019 kandidierte er für den Posten, schied aber aus.
Die Presse hatte zuvor ausführlich über Goves Erfahrungen mit Drogen berichtet – nachdem sie Gerüchten zufolge von Raabs Team darauf aufmerksam gemacht worden war.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.