Weltgeschichte Der verratene Traum am Kap

De Klerk war Südafrikas letzter weißer Präsident und arbeitete eng mit Nelson Mandela für das Ende der Rassentrennung im eigenen Land.
Kapstadt Es gibt Momente in der Geschichte, die zum Symbol einer ganzen Ära werden. Der Fall der Berliner Mauer gehört genauso dazu wie das Ende der Apartheid. Chronisten datieren den Beginn des neuen Südafrikas auf den 2. Februar 1990. An jenem heißen Kapstädter Mittsommertag vor rund 30 Jahren hielt Frederik Willem de Klerk, der letzte weiße Präsident des Landes, zur Parlamentseröffnung eine Rede, die am Kap alles auf den Kopf gestellt hat.
De Klerk verkündete die Zulassung der verbotenen (schwarzen) Opposition, die Freilassung aller politischen Gefangenen, darunter Nelson Mandela, und die Abschaffung der fast 50 Jahre zuvor eingeführten Rassentrennung. „Mein Gott, er hat alles getan. Alles.“, raunte ein Kollege, der damals mit mir der Rede lauschte, die alles veränderte.
Seit jenem schicksalshaften Tag habe ich Frederik Willem De Klerk rund ein Dutzend Mal live erlebt – und immer hat er dabei voller Wohlwollen auf sein Lebenswerk und den Werdegang Südafrikas geschaut, das er zwischen 1990 und 1994 zusammen mit Nelson Mandela (und dessen Afrikanischem Nationalkongress / ANC) aus der Taufe gehoben hatte.
Ohne De Klerk kein Mandela, so viel ist sicher. Entgegen aller düsteren Prognosen stellten beide das Wohl ihrer gemeinsamen Heimat damals über Rachsucht, Hass und Machtkalkül – und erkannten, dass Schwarz und Weiß am Kap entweder gemeinsam überleben oder gemeinsam untergehen würden.
Umso größer und bedrückender war der Kontrast am Freitag, als De Klerk in einer leidenschaftlichen Rede zum 30. Jahrestag des neuen Südafrikas den herben Niedergang des Landes in den vergangenen Jahren beklagte – und den heute bis in den Kern korrupten ANC inständig darum bat, den destruktiven Pfad zu verlassen, den die frühere Widerstandsbewegung seit langem eingeschlagen habe.
„Südafrika folgt einem brandgefährlichen Weg“
Anders als in dem historischen Kompromiss zwischen Schwarz und Weiß vereinbart, habe der ANC in dem Streben nach totaler gesellschaftlicher Dominanz viele Absprachen von damals bewusst gebrochen, sagte De Klerk. Als Folge dessen stehe Südafrika heute nicht mehr an einer weiteren wichtigen Weggabelung, wie es im Klischee so oft heißt, sondern habe diese längst überschritten - und folge nun einem „völlig falschen, brandgefährlichen Weg, der direkt in eine tiefschwarze Wolkenbank“ führe.
Mehr noch als die völlig aus dem Ruder gelaufene Korruption beunruhigen De Klerk dabei die immer neuen Versuche des ANC, Südafrikas Verfassung und Gerichte zu unterminieren. Aus diesem Grund setzt er sich mit seiner De-Klerk-Stiftung seit langem für die Verteidigung der so unter Druck geratenen Verfassung des Landes ein.
„Südafrika muss alles versuchen, die zarte Pflanze seiner jungen, fragilen Demokratie zu nähren. Und stets darauf achten, dass diese nicht in der Hitze der harten Realität verdorrt“, hatte er einst gewarnt. 30 Jahre später deutet vieles darauf hin, dass genau dies nun geschehen und der Traum einer farbenblinden (non-racial) Gesellschaft am Kap frühzeitig ausgeträumt ist.
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Wenn ich schreibe ich habe das vorausgesehen, bin ich dann ein Rassist?