Duma-Wahl Das System Putin gerät an Grenzen – politisch wie ökonomisch

Die ökonomische Lage ist so schwierig wie lange nicht – und die erhoffte Hilfe aus China ist bislang ausgeblieben.
Berlin Wladimir Putin, sonst das Selbstbewusstsein in Person, ist sich seiner Sache nicht so sicher – und das gleich zweimal in den vergangenen Tagen. Obwohl der russische Präsident öffentlichkeitswirksam verkündete, er habe sich mit dem russischen Corona-Vakzin „Sputnik V“ impfen lassen, hat er sich neulich wegen immer neuer Covid-19-Fälle in seinem Umfeld in Selbstisolation begeben.
Und noch wichtiger: Während Putin bei einem Treffen seiner Partei „Einheitliches Russland“ ein starkes Ergebnis bei den von Freitag bis Sonntag stattfindenden Duma-Wahlen voraussagte, ging er bei vielen potenziellen Wählern lieber auf Nummer sicher: Kürzlich unterzeichnete er ein Ukas, der jedem der 43,4 Millionen Rentner je 10.000 Rubel (umgerechnet 117 Euro) einmalig zubilligte.
Den Millionen Armeeangehörigen, Mitarbeitern des Innenministeriums und der Strafverfolgungsbehörden – auch „Silowiki“ genannt, weil sie als wichtigste Stütze des Putin-Regimes gelten – ließ er mit einem zweiten Erlass gleich mal 15.000 Rubel zukommen. Es sind vornehmlich jene Gruppen, die zuletzt auch die Proteste des inhaftierten Oppositionsführers Alexej Nawalny mit großer Gewalt überall im Land niedergeschlagen hatten.
Putin braucht am Wochenende eine klare absolute Mehrheit. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, ist das eigentliche russische Wunder. Und das hängt vor allem damit zusammen, dass die Kluft zwischen dem Großmachtgehabe Putins nach außen und der ökonomischen Tristesse innen immer größer wird. Unter seiner seit 1999 währenden Regentschaft ist das Wachstum deutlich niedriger gewesen als in anderen Schwellenländern, die Inflation dafür wesentlich höher. Und auch die großen Hoffnungen durch die Hinwendung nach China haben sich bislang als ökonomische Luftschlösser erwiesen.
Russland bräuchte also dringend eine neue Wirtschaftspolitik. Nur, eine Wahl zwischen wirtschaftspolitischen Alternativen gibt es nicht. Selbst wenn es sie gäbe, Putins haben vorgesorgt, um den Wahlsieg zu sichern – im Notfall auch über Wahlmanipulation.
Entkoppelung vom Westen
Deutschland sei noch immer „einer von Russlands Hauptpartnern“, umgarnte Putin die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich bei ihrem Abschiedsbesuch im Kreml. Für seinen Außenminister Sergej Lawrow allerdings sind die Beziehungen zwischen Russland und der EU, dem „unzuverlässigen Partner“, „auf dem Tiefpunkt angekommen“. Der frühere Oberst der Roten Armee in der DDR und heutige Analyst der Moskauer Außenstelle der US-Carnegie-Stiftung, Dmitri Trenin, bilanziert „Russland befindet sich in einem Zustand der Konfrontation mit dem Westen und wird noch lange in diesem Zustand bleiben“.
In der im Juli von Putin unterzeichneten neuen nationalen Sicherheitsstrategie wird dem Westen sogar vorgeworfen, „traditionelle Werte bewusst zu untergraben, die Weltgeschichte zu verzerren, die Ansichten über die Rolle und die Stellung Russlands darin zu revidieren, den Faschismus zu rehabilitieren, zu innerethischen und interreligiösen Konflikten anzustacheln“, sowie „bestehende sozio-ökonomische Probleme“ zur „Zerstörung der inneren Einheit“ Russlands zu nutzen.
Rauswurf von Microsoft und SAP
In der Konsequenz findet jetzt eine Entkopplung vom Westen statt: Gerade hat das russische Industrieministerium staatlichen Stellen untersagt, ausländische Computer, Server, weitere Mikroelektronik und Lichttechnik zu kaufen. Auch großen russischen Konzernen wurde der Kauf ausländischer Software von Microsoft oder SAP ab 2024 verboten.
Die staatliche Leasinggesellschaft GTLK darf keine ausländischen Flugzeuge mehr beschaffen. Bei Medikamentenbeschaffungen dürfen ausländische Pharmafirmen nur einbezogen werden, wenn es keine zwei russischen Anbieter gibt. Bei Staatsaufträgen werden künftig russische Firmen 15 Prozent besser bezahlt als ausländische.

Putins Staatspartei „Einheitliches Russland“ wirbt mit ihren Spitzenkandidaten – wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu (Mitte) und Außenminister Sergej Lawrow (rechts im Bild).
Auch vom Dollar will sich Russland unabhängig machen. So hat die Zentralbank den Anteil der US-Währung in ihren Reserven deutlich reduziert, der Föderale Wohlstandsfonds FNB, in dem der Staat überschüssige Ölexporterlöse einsammelt, werde den Dollar-Anteil laut dem für Finanzen zuständigen Vizepremier Anton Siluanow von bisher 35 „auf null Prozent“ herunterfahren.
Grund sind immer wieder drohende US-Sanktionen gegen Russland. Deshalb hatte Außenminister Lawrow im Frühsommer bereits vorgeschlagen, sein Land und China vom internationalen Zahlungsabwickler Swift abzukoppeln. Systeme, die vom Westen kontrolliert werden, sollten nicht mehr eingesetzt werden.
„Festung Russland“
Finanziell leisten könnte sich Russland die Entkopplung aktuell: Die Währungsreserven der Zentralbank belaufen sich auf umgerechnet 620 Milliarden Dollar. Der Staatsfonds FNB verfügt über weitere 190 Milliarden Dollar (das entspricht 12,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts). Ruchir Sharma, Chief Global Strategist der US-Großbank Morgan Stanley spricht so schon von der „Festung Russland“.
Ökonomen kritisieren, dass Moskau seine Einnahmen auf Rohstoffexporten lediglich nutze, um die Währungsreserven aufzubauen, anstatt das Wachstumspotenzial endlich zu erhöhen. „Eine expansivere Fiskalpolitik wäre notwendig“, sagt Vasily Astrov, Russlandexperte des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Das Institut rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von 3,5 Prozent und 3,0 Prozent 2022 . Das ist erstaunlich wenig für ein Schwellenland in der Erholungsphase nach dem pandemiebedingten Einbruch im Jahr 2020.
Russische Experten sprechen inzwischen von „einem verlorenen Jahrzehnt“ mit durchschnittlich nur knapp 0,9 Prozent Wirtschaftswachstum. Die Weltwirtschaft ist im gleichen Zeitraum im Schnitt fast drei Prozent gewachsen. Russland sei noch weiter von den entwickelten Ländern abgehängt worden, und das auf fast allen Feldern, moniert eine Analyse des Instituts für volkswirtschaftliche Prognosen der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Analyst Trenin hält Russlands aktuelles Wirtschaftsmodell für „erschöpft“. Denn die gegenwärtige politische Elite bestehe hauptsächlich aus Menschen, die sich in erster Linie um ihre eigenen Interessen kümmerten. Es herrsche eine „in der russischen Geschichte beispiellose Korruption im Staatsapparat“. Den Eliten gehe es vor allem darum, sich selbst zu bereichern.
„Die stagnierenden Einkommen und der in den letzten Jahren gestiegene Anteil der Bevölkerung, die in absoluter Armut leben, gefährden langfristig die politische Stabilität", warnt auch Astrov.
Die Inflation steigt immer schneller
Tatsächlich liegt das durchschnittliche Realeinkommen nur noch bei 411 Euro, wovon 15,2 Prozent für Mieten, Steuern und Abgaben weggingen. Die Inflation ist im August mit 6,7 Prozent auf den höchsten Stand seit fünf Jahren gestiegen. Die Preise für Lebensmittel haben noch stärker angezogen.
Ohnehin ist Inflation das große Thema. In den zwei Putin-Jahrzehnten lag sie insgesamt bei 571 Prozent, was deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 208 Prozent liegt. Um die Inflationsgefahr zu bannen, hat die Zentralbank seit März den Leitzins um 2,5 Prozentpunkte auf jetzt 6,75 Prozent angehoben.
„Das wiederum wird die Kreditvergabe bremsen und damit auch das Wachstum , sagt wiiw-Ökonom Astrov.
Kaum Hilfe aus China
Die ökonomische Lage ist also so schwierig wie lange nicht – und die erhoffte Hilfe aus China ist bislang ausgeblieben. Investoren aus dem Reich der Mitte ziehen sich sogar aus dem Riesenreich zurück. Hatten Chinesen Anfang 2020 noch 3,7 Milliarden Dollar in russische Unternehmen investiert, waren es im April dieses Jahres nur noch 2,2 Milliarden – also fast 40 Prozent weniger.
Die einzige Stütze bleibt der Export in die Volksrepublik. War Moskau bislang vor allem Lieferant von Öl, Kohle und Gas für Europa, so liefert Russland über neue Pipelines zunehmend nach China.
Doch wie lange kann Russland sich noch auf diese Exporte verlassen? Die weltweiten Forderungen nach Klimaneutralität haben für Russland und seinen Rohstoffsektor vor 2035 keine Auswirkungen, behauptet der russische Energieminister Nikolaj Schulginow.
Doch sogar aus regierungsamtlichen Stellen kommen inzwischen Warnrufe: Russlands Geschäftsmodell „Wachstum der Wirtschaft auf Basis des Öl-, Gas- und Kohlesektors“ sei am Ende, so die Experten des Finanzinstituts für wissenschaftliche Forschung des russischen Finanzministeriums (NIFI) in Moskau. Verheerende Waldbrände, Temperaturen in Sibirien so hoch wie nie, ein drastischeres Abschmelzen des sibirischen Permafrosts und damit verbunden das zerstörerische Absacken von Pipelines, Öltanks und ganzer Industriebetriebe machen den Klimawandel auch in Russland immer sichtbarer. Doch Russland, das lautstark gegen eine EU-Grenzabgabe zur CO2-Bepreisung wettert, hat bisher selbst äußerst zurückhaltende Ziele: Bis 2050 sollen die Treibhausgas-Emissionen gerade um 25 Prozent sinken.
Ehrgeiziger dagegen waren Putins Bestrebungen, sich mit dem Impfstoff „Sputnik V“ als Weltenretter zu inszenieren. Doch auch das ist misslungen. Russland war nicht einmal in der Lage, seinen internationalen Lieferverpflichtungen nachzukommen. Auch im eigenen Land läuft die Impfkampagne schleppend: Gerade einmal 27 Prozent der Russen sind doppelt geimpft.
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Im Jahr 2020 beträgt die Staatsverschuldung Russlands rund 14,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Deutschland: Die Schuldenquote, das heißt der Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, erhöhte sich 2020 um 10,3 Prozentpunkte auf 70,0 Prozent. Dies ist der stärkste Anstieg der Schuldenquote innerhalb eines Jahres seit der Wiedervereinigung.
Die Sanktionen des Westens und die Zerschlagung des alten Wirtschaftsraumes Ukraine /Russland als Produktionsnetzwerk und Absatzmarkt spielen aus Sicht des Autors leider keine ökonomische Rolle.
"Finanziell leisten könnte sich Russland die Entkopplung aktuell: Die Währungsreserven der Zentralbank belaufen sich auf umgerechnet 620 Milliarden Dollar. Der Staatsfonds FNB verfügt über weitere 190 Milliarden Dollar (das entspricht 12,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts)."
Insgesamt schlecht gewirtschaftet? System ökonomisch Putin am Ende ?
Russland hat sämtliche US Staatsanleihen verkauft,in Gold und damit in die heimische Wirtschaft investiert.Der Goldpreis hat seitdem 50 % zugelegt.War scheinbar nicht unclever.
Ok der Westen hat sein Zentralbankgeld....... =)=)
Deutschland:
Großangelegte Verarmung - 10,5% (!!!) geringere Kaufkraft im Vergleich zu 2015:
https://sciencefiles.org/2021/09/14/grosangelegte-verarmung-der-deutschen-39-armer-im-august-105-geringere-kaufkraft-als-2015/
-> Das System Merkel und der Euro haben dazu geführt, dass die BRD de facto GRENZENLOS bankrott ist. Der (sichtbare) Bankrott wird leider erst mit der nächsten Regierung kommen.
- Russland ist vollständig autark, die BRD ist es nicht.
- Russland hat billige Energieträger en masse, in der BRD ist Energie bald unbezahlbar.
- Russland hat die modernsten Waffen der Welt, die BRD ist heute noch nicht einmal mehr bedingt abwehrbereit.
- In den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sank die Lebenserwartung drastisch, während die (Schwer-)Kriminalität explodierte; heute ist die Lebenserwartung (und Lebensqualität!!) wieder deutlich angestiegen und die (Schwer-Kriminalität zurückgegangen. In der BRD dagegen ist die Lebensqualität heute unerträglich, das Sicherheitsgefühl der Bürger im Vergleich zu den 1990er Jahren verheerend.
- In den 1990er Jahren lachte alle Welt über die öffentlichen Stracksuff-Auftritte von (Wodka-)Jelzin, heute hat alle Welt wieder Respekt bei Putins Auftritten.
usw. usf....
->> Der russische Bär kann sich in den Winterschlaf begeben und den Untergang Deutschlands ruhig verschlafen. Der wird ihn noch nicht einmal peripher tangieren. ;-)
Das "System Putin" ist doch längst gescheitert.
Mit welchen Versprechen war der Mann damals angetreten?
Eben.
Die hohen Inflationsraten scheinen eines der größten Probleme zu sein, wenn der Staat zu stark in die Wirtschaft eingreift.