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Einschränkung von Finanztransfers EU-Kommission will Ungarn für Korruption und Rechtsstaatsabbau bestrafen

Brüssel geht Ungarns Premier Viktor Orban ans Geld: Die EU-Kommission will ein Verfahren einleiten, um Transfers zurückzuhalten. Der Grund sind Sorgen wegen Korruption.
08.10.2021 - 20:25 Uhr Kommentieren
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Schritt schon vor Wochen angedeutet, aber keine Details genannt. Quelle: Reuters
Viktor Orban und Ursula von der Leyen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Schritt schon vor Wochen angedeutet, aber keine Details genannt.

(Foto: Reuters)

Brüssel Nach jahrelangem Zögern geht die EU-Kommission gegen die Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban vor: Nach Informationen des Handelsblatts aus Kommissionskreisen will die Behörde erstmals den neuen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus anwenden. Noch im Oktober soll die Regierung in Budapest benachrichtigt werden. 

Seit Jahresbeginn sammelt Brüssel Informationen über Veruntreuung und Korruption. Im Falle Ungarns seien inzwischen so viele Erkenntnisse zusammengekommen, dass konkrete Maßnahmen gerechtfertigt seien, erfuhr das Handelsblatt aus der Kommission.

Der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, offiziell „Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union“, ermöglicht es, Transferzahlungen aus dem EU-Budget einzuschränken oder ganz zu sperren, wenn die Unabhängigkeit der Justiz untergraben oder Korruption nicht verfolgt wird. Rechtsstaatlichkeit ist „eine unverzichtbare Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung“, betont die Kommission.

Ihre Präsidentin Ursula von der Leyen hatte den Schritt schon vor drei Wochen in ihrer Rede zur Lage Europas angedeutet, aber keine Details genannt: „Ich kann Ihnen ankündigen, dass in den kommenden Wochen die ersten schriftlichen Mitteilungen verschickt werden“, sagte sie vor dem EU-Parlament. „Wenn es um den Schutz unseres Haushaltes geht, werden wir jeden Fall verfolgen mit allem, was in unserer Macht steht.“

Die Kommission sieht sich seit Jahren mit dem Vorwurf konfrontiert, zu wenig gegen den Abbau des Rechtsstaats in Ländern wie Ungarn und Polen zu unternehmen. Die ungarische Opposition weist seit Langem darauf hin, dass der zunehmend autoritär regierende Orban seine Herrschaft über korrupte Netzwerke absichert. Das EU-Parlament droht daher mit einer Untätigkeitsklage gegen die Kommission.

Der Brüsseler Behörde sind die Vorwürfe gegen Orbans Herrschaftsclique längst bekannt. Erst im Juli hatte sie in ihrem Rechtsstaatsbericht über Ungarn geschrieben, „die Erfolgsbilanz von Ermittlungen gegen hochrangige Beamte und ihren unmittelbaren Kreis“ sei „nach wie vor begrenzt“. 

Urteil des EuGH steht noch aus

Allerdings hatte die Kommission bis zuletzt gezögert: Der Rechtsstaatsmechanismus dürfe nicht vorschnell aktiviert werden, hieß es. Die Fälle müssten wasserdicht sein, um vor Gericht Bestand zu haben.

Eigentlich war mit den EU-Mitgliedsstaaten vereinbart worden, dass erst der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Rechtmäßigkeit der „Konditionalitätsregelung“ entscheidet. Dieses Urteil steht noch aus. Die Kommission ist nun jedoch zu der Auffassung gelangt, einen Weg gefunden zu haben, um an dieser Vereinbarung vorbeizukommen. 

Das Verfahren sieht vor, dass die ungarische Regierung zunächst Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhält. Anschließend kann die Kommission „Maßnahmen zum Schutz des EU-Haushalts“ vorschlagen, sprich: Geldstrafen. Diese müssen dann von den Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit in Kraft gesetzt werden.

Die SPD-Politikerin Katarina Barley begrüßt das Vorgehen gegen Budapest: „Endlich kommt in Sachen Ungarn Bewegung in die Kommission“, sagte die frühere Bundesjustizministerin und heutige EU-Parlamentarierin dem Handelsblatt. „Viel zu lange hat diese Kommission geschehen lassen, dass demokratische Prinzipien in Ungarn fast völlig abgebaut worden sind.“ Sie glaube den Ankündigungen allerdings erst, wenn sie Taten sehe: „Über Jahre haben wir warme Worte gehört, passiert ist viel zu wenig.“

Dass der Abbau des Rechtsstaats in Teilen der Union ein entschlossenes Handeln erfordert, zeigt auch der Fall Polen. Das dortige Verfassungsgericht hat am Donnerstagabend den Konflikt mit Brüssel eskaliert und entschieden, dass die polnische Verfassung in wesentlichen Belangen Vorrang vor EU-Recht habe. Damit rüttelt Warschau an einem Grundpfeiler der europäischen Rechtsordnung. 

Die Reaktion aus Brüssel war scharf: „Die Kommission wird nicht zögern, von ihren Befugnissen gemäß den Verträgen Gebrauch zu machen, um die einheitliche Anwendung und Integrität des Unionsrechts zu gewährleisten“, kündigte die Behörde an.

Anders als im Fall Ungarn steht die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus gegen Polen allerdings nicht unmittelbar bevor. Wegen des umstrittenen Urteils des polnischen Verfassungsgerichts wird in Brüssel mit einem Vertragsverletzungsverfahren gerechnet.

Mehr: Polen hat den Weg des EU-Austritts eingeschlagen

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