Ende der Zeitumstellung Junckers Vorschlag stößt auf Widerstand – Europa droht ein Zeitzonen-Flickenteppich zu werden

Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten bemängeln, dass der Zeitumstellungs-Plan der Kommission keine ausreichen den Einschätzungen zu den Auswirkungen beinhalte.
Brüssel Eine Stunde des Tages ist entweder verschwunden oder zusätzlich da. Damit geht einher: Verwirrung über die Lichtverhältnisse am Morgen, Termine, zu denen man versehentlich zur falschen Stunde erscheint, Uhren, die von der Wand genommen werden müssen, um am Zeiger zu drehen; Ärger übers Verschlafen, weil der Wecker dabei vergessen wurde.
Mit aller Regelmäßigkeit ist es zweimal im Jahr ein Aufregerthema. Dazu: Eine hohe Erscheinungsfrequenz an Artikeln, die beschreiben, wie schädlich die Zeitumstellung für den menschlichen Körper ist, welcher wirtschaftliche Schaden durch den Mini-Jetlag entsteht, und dass es die Energieeinsparungen, die der Grund für den Zeitenwechsel sind, mittlerweile gar nicht mehr gibt.
Dem Ganzen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten: Es klingt so einleuchtend – und nach einer einfachen Entscheidung.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will den Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit noch vor der kommenden Europawahl abschaffen. Keine Zeit mehr verlieren, um keine Zeit mehr zu verlieren.
Die Europäer scheinen es zu wollen: Bei einer EU-weiten Online-Umfrage der Kommission sprachen sich 83 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer dafür aus, zukünftig nicht mehr zweimal jährlich an der Uhr drehen zu müssen. Allerdings: Weniger als 1 Prozent der 500 Millionen EU-Bürger nahmen überhaupt nur an der Umfrage teil – zudem kam mit 3 Millionen Teilnehmer der Großteil der Abstimmenden aus Deutschland. Dagegen stimmten nur 20.000 Italiener ab.
Und so regt sich auch schon in den EU-Ländern Widerstand, wie das Polit-Portal Politico aus Diplomatenkreise erfuhr. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten bemängeln, dass der Plan der Kommission keine ausreichenden Einschätzungen zu den Auswirkungen beinhalte. Und dass generell Zeit fehle: Die Länder müssten erst mit ihren Nachbarländern abstimmen, welche Zeit man am besten verwende – was Wochen dauere.
Es ist nämlich den jeweiligen Mitgliedsländern überlassen, ob sie dauerhaft bei der Sommer- oder der Winterzeit bleiben wollen. Ergo droht ein Zeitzonen-Flickenteppich: Portugal, Zypern und Polen sollen die Sommerzeit favorisieren, Finnland, Dänemark und die Niederlande dagegen die Winterzeit. Viele Länder haben zudem noch keine Position gefunden.
Die Eile der Kommission bereitet auch den Verkehrsunternehmen große Sorge: „Wenn es zu einer Veränderung kommt, ist es wichtig, dass die Luftfahrtindustrie genügend Zeit hat, sich darauf vorzubereiten. Die Abschaffung wird in keinem Fall einfach sein und kann nicht über Nacht gemacht werden“, heißt es von dem europäischen Fluggesellschaften-Verband Airlines 4 Europe (A4E). Die Sommersaison 2021 sieht die Assoziation als realistischen Zeitpunkt.
Als noch fataler wird allerdings die Gefahr der verschiedenen Zeitzonen gesehen. „Die EU-Mitgliedstaaten, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, individuell entscheiden zu lassen, wird zu einer Fragmentierung und damit zu Störungen der Flugpläne in Europa und weltweit führen“, sagt eine Sprecherin. Die Änderung müsse europaweit einheitlich sein. A4E habe auch festgestellt, dass die Umstellung auf eine dauerhafte Sommerzeit die geringsten Auswirkungen hätte.
In zwei Wochen, am 29. und 30. Oktober treffen, sich die für das Thema zuständigen EU-Verkehrsminister, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
Derzeit gibt es in der EU drei Zeitzonen: In 17 Staaten gilt die gleiche – mitteleuropäische - Zeit wie in Deutschland. Irland, Portugal und Großbritannien liegen eine Stunde davor, acht osteuropäische Länder – Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Zypern - eine Stunde dahinter.
Aber es gab auch mal eine andere Zeit, in der in großen Schweizer Bahnhöfen Uhren hingen, die verschiedenen Uhrzeiten in den Nachbarländern anzeigten: Die französische Zeit tickte anders als deutsche. Diese Willkürlichkeit der Zeit, dieser Wechsel zwischen den Stunden, ihr Verlust und das Verlorengehen in ihnen – das sollte eigentlich schon vergangen sein.
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