Energie Merkel: Russland nutzt Nord Stream 2 bisher nicht als Druckmittel

Die Kanzlerin entlastet Russland im Gas-Streit.
Brüssel Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht derzeit keine Anzeichen dafür, dass Russland Gaslieferungen nach Europa verknappt, um eine Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 zu erzwingen. Sie rate vor vermeintlich einfachen Erklärungen für die hohen Gaspreise ab, sagte die Kanzlerin zum Abschluss des EU-Gipfels in Slowenien auf eine Frage des Handelsblatts. Russland könne Gas nur auf der Grundlage vertraglicher Bindungen liefern, „nicht einfach so“. Nach ihren Informationen gebe es aber keine Erdgas-Bestellungen, „bei denen Russland gesagt hat, das liefern wir euch nicht“.
„Wird genug bestellt, oder ist der hohe Preis im Augenblick vielleicht auch ein Grund, nicht so viel zu bestellen?“, sei daher die Frage, betonte Merkel. Im EU-Kreis habe man vereinbart, die Entwicklung an den Energiemärkten im Blick zu behalten und das Thema in zwei Wochen bei einem weiteren Gipfel zu vertiefen. Sie habe über Energielieferungen und die Befüllung der europäischen Gasspeicher auch schon mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen, sagte die Kanzlerin.
Putin selbst kündigte an, die Gaslieferungen nach Europa zu erhöhen. Russland sei bereit, zur Stabilisierung der Lage der weltweiten Gasmärkte beizutragen. Dabei nutze man auch Pipelines in der Ukraine, sagte der Kremlchef.
Angesichts der rasant gestiegenen Gaspreise in Europa hatten einige Experten zuletzt gewarnt, dass Russland die Situation geopolitisch ausnutzen könnte. Der Kreml hat ein strategisches Interesse daran, dass die Ostseepipeline Nord Stream 2 möglichst schnell in Betrieb geht. Allerdings fehlt der Nord Stream 2 AG, einer Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom, noch die dafür nötige Zertifizierung.
Forderungen nach Untersuchung durch die EU-Kommission
Gegner der Nord-Stream-2-Pipeline argumentieren, dass Russland von zusätzlichen Gaslieferungen nach Europa über das bestehende Pipelinenetz absehe und damit Energiepreise in der EU absichtlich in die Höhe treibe – mit dem Ziel, die Genehmigungsbehörden unter Druck zu setzen.
In einem Brief an die EU-Kommission äußerten mehrere Europaabgeordnete zuletzt den Verdacht, „dass der Rekordanstieg der Erdgaspreise in Europa in den letzten Wochen ein direktes Ergebnis der bewussten Marktmanipulation und der Maßnahmen von Gazprom sein könnte“. Sie forderten die Kommission auf, eine entsprechende Untersuchung einzuleiten.
Gazprom-Chef Alexej Miller argumentiert hingegen, dass die niedrigen Gasspeicherstände in Europa eine Folge des kalten Winters und Frühlings seien. Damals sei mehr Gas verbraucht worden als gewöhnlich; und es habe erst später mit der Wiederbefüllung begonnen werden können. Das wirke sich auch auf die Preise aus.
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