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Energieversorgung Wie die Gas-Panik den Windkraftbetreibern schadet

Die EU-Kommission sucht nach Werkzeugen gegen die hohen Gaspreise. Die Beispiele Frankreich und Spanien zeigen, wie vertrackt die Lage auch für Anbieter von Windkraft und Atomstrom geworden ist.
13.10.2021 - 18:05 Uhr 1 Kommentar
Die hohen Gaspreise könnten sich negativ auf die Energiewende auswirken. Quelle: Bloomberg
Gasrohre

Die hohen Gaspreise könnten sich negativ auf die Energiewende auswirken.

(Foto: Bloomberg)

Brüssel, Düsseldorf, Madrid Wenn die Regierungen in den EU-Staaten nicht weiterwissen, dann haben sie ja immer noch Brüssel. Seit die Gaspreise in die Höhe schnellen, fordern die Regierungschefs eine europäische Antwort.

Diese Antwort gibt es nun. Allerdings dürfte sie vielen nicht gefallen. Den geheimen Hebel, mit dem sich Gas und Strom billiger machen lassen, hat auch die EU-Kommission nicht gefunden. In ihrer „Toolbox“, die sie am Mittwoch vorstellte, sind vor allem Werkzeuge enthalten, die die Regierungen ohnehin schon ergriffen haben.

Dabei geht es darum, die Betroffenen zu schützen. Solange das gezielt passiert, ist praktisch alles erlaubt: Gutscheine, eine Übernahme der Stromrechnung durch den Staat, Schutz vor dem Abstellen der Gasversorgung, zeitlich befristete Steuersenkungen.

Auch Staatshilfen für Unternehmen oder ganze Industriezweige will die EU durchwinken. Energiekommissarin Kadri Simson wird außerdem Öl exportierende Staaten am Golf besuchen, um mit ihnen zu verhandeln. Ihre Leute überwachen den Handel mit Emissionsrechten und suchen nach wettbewerbsfeindlichem Verhalten.

Kritisiert wird die Toolbox von verschiedenen Seiten. Die Lage von energieintensiven Unternehmen verbessere sich kaum, heißt es etwa beim Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die dramatische Lage für den Mittelstand lasse sich so nicht entschärfen, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Frankreich: Strompreise von den Gaspreisen entkoppeln

Mehrere EU-Staaten wollen aber weiter gehen. Frankreich hat vorgeschlagen, die Strom- von den Gaspreisen zu entkoppeln. Wie das allerdings funktioniert soll, hat auch Simson noch nicht verstanden. „Es ist nicht ganz klar, wie ein System mit regulierten Preisen eine bessere Alternative zum aktuellen Marktdesign sein könnte“, sagte sie. „Das aktuelle Design stellt sicher, dass Angebot und Nachfrage zu jeder Zeit zusammenpassen.“

Der Hintergrund ist, dass die Kernkraftwerke in Frankreich nur wenige dauerhafte Kosten verursachen. Der Großhandelspreis für Strom bildet sich aber an einem europaweiten Markt. Atom- und Gaskraftwerkbetreiber bekommen jede Kilowattstunde in gleicher Weise vergütet.

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Damit sich das Anschalten der Gaskraftwerke aber lohnt, muss der Strompreis entsprechend hoch sein. Eine Abkopplung Frankreichs würde dort den Strom billiger machen, hätte aber Nachteile. Denn auch Frankreich ist immer wieder von Stromimporten abhängig.

EU-Beamte verweisen auch darauf, dass das europäische Stromnetz gerade wegen seiner Größe besonders robust ist und es praktisch keine Stromausfälle gibt. Außerdem, so Simson, biete das aktuelle Marktsystem einen Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energien. Von den hohen Preisen profitieren nämlich nicht nur Gaskraftwerksbetreiber, sondern vor allem die Betreiber von Wind-, Solar-, Atom- und Wasserkraftwerken.

Sie produzieren zu extrem niedrigen Kosten, bekommen aber viel Geld für ihren Strom. Für spanische Energieunternehmen gilt das allerdings nur bedingt. Die Regierung greift per Dekret die „unerwarteten Gewinne“ der Versorger ab, um mit dem Geld eine Senkung der Stromsteuer zu finanzieren. Betroffen sind Kern- und Wasserkraftwerke, aber vereinzelt auch erneuerbare Energieproduzenten, die nicht Teil des regulierten Tarifs sind. 2,6 Milliarden Euro sollen so zusammenkommen.

Spanische Energieunternehmen kündigen Preiserhöhung an

Die Versorger wehren sich: Die meisten Verträge mit Großkunden hätten sie langfristig abgeschlossen, darum lägen ihre Einnahmen unter den aktuellen Marktpreisen. Iberdrola und Endesa haben Großkunden bereits Preiserhöhungen angekündigt oder eine Kündigung der bestehenden Verträge angeboten.

Außerdem heißt es bei Iberdrola, der Eingriff werde „das Vertrauen der Investoren in das Land untergraben, und das zu einem kritischen Zeitpunkt, an dem Spanien Milliarden von Euro an privaten Investitionen benötigt, um die Projekte hinter den ehrgeizigen Klimaschutzzielen umzusetzen“.

Das sehen nicht nur spanische Investoren so, sondern auch die Internationale Energieagentur (IEA). „Die Ankündigungen der Staaten würden bis 2030 nur 20 Prozent der weltweiten Emissionen einsparen, die es braucht, um bis 2050 klimaneutral zu sein“, sagte IEA-Chef Fatih Birol bei der Vorstellung des World Energy Outlook.

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Damit sich das ändert, müssten sich die Investitionen in erneuerbare und grüne Technologien in den nächsten zehn Jahren verdreifachen: auf vier Billionen US-Dollar pro Jahr bis 2030. Ansonsten drohe eine gefährliche Lücke. „Wir investieren nicht genug, um unseren zukünftigen Energiehunger zu stillen. Diese Ungewissheit erhöht das Risiko für eine sehr volatile Phase in den nächsten Jahren“, sagt Birol mit Blick auf die sich anbahnende Energiekrise.

Die hohen Preise könnten sich sogar negativ auf die Energiewende auswirken. Zwar hätten die immer günstiger werdenden erneuerbaren Energien eigentlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den teuren fossilen Rohstoffen. Gleichzeitig könnten die hohen Preise aber auch neue Investitionen in alte Energieträger befördern, und Regierungen könnten sich durch die gestiegenen Kosten für ihre Bürger genötigt sehen, wieder mehr Subventionen für Kohle und Öl zu beschließen.

EU-Kommission: Bessere Anreize für Nutzung von Gasspeichern

Entsprechend zurückhaltend reagierte Energiekommissarin Simson darauf, dass die spanische Regierung nun den Anbietern von CO2-neutralem Strom Geld entzieht. „Jeden Vorschlag, der sich nur auf eine bestimmte Art der Stromerzeugung bezieht, werden wir gründlich prüfen“, kündigte sie an.

Langfristig gibt es mehr Möglichkeiten, die Höhe der Energiepreise oder zumindest ihre Schwankungen zu begrenzen. Neben den ohnehin vorgesehenen Maßnahmen für mehr Energieeffizienz und Investitionen in erneuerbare Energien will die EU-Kommission auch prüfen, ob sie durch ihre Regulierung Anreize für eine bessere Nutzung von Gasspeichern setzen kann. Diese Speicher werden vor allem von Unternehmen betrieben.

Auch eine gemeinsame Beschaffung von Gas wurde gefordert, nach dem Vorbild der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung im vergangenen Jahr. Allerdings sind es auch hier nicht die Staaten, die einkaufen, sondern Unternehmen. Eine gemeinsame Beschaffung würde also einen stärkeren Eingriff in den Markt bedeuten. Entsprechende Vorschläge will die Kommission im Dezember vorlegen.

Sie würde damit eine Entwicklung zurückdrehen, die sie selbst herbeigeführt hat. „Die EU wollte einen flexibleren Gasmarkt mit mehr Wettbewerb und niedrigeren Preisen“, sagt die Energieexpertin Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Darum hat sie bewusst Druck gemacht, dass sich die Preise kurzfristig bilden. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Verbraucher nun starke Ausschläge spüren.“

Ist es sinnvoll, die Volatilität zu reduzieren? „Schwankungen sind gewollt“, sagt der Energieökonom Andreas Löschel von der Universität Bochum. „Denn sie führen dazu, dass Speicher und Verbrauchsänderungen angestoßen werden. Ein so großer Ausschlag nach oben erzeugt aber massive Probleme.“

Längerfristige Lieferverträge wären im Sinne des größten Gaslieferanten Russland. Präsident Wladimir Putin wolle Druck auf die EU machen, Lieferpreise für Gas langfristiger festzulegen, meldete gestern die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Mehr: EU-Kommission benennt Werkzeuge im Kampf gegen hohe Preise und erwägt gemeinsamen Gas-Einkauf

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1 Kommentar zu "Energieversorgung: Wie die Gas-Panik den Windkraftbetreibern schadet"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Europa hat über 20 Flüssiggasterminals und viele Staaten im Nahen Osten, insbesondere der Iran, haben enorme Erdgasvorkommen. Europa könnte seine gebrochenen Verspechen aus dem "Atomdeal" gegenüber dem Iran wettmachen und gleichzeiitg seinen Energiehunger stillen.
    Langfristig sollten Deutschland und Europa sich überlegen ob Investitionen in Solaranlagen, die grünes Gas synthetisieren, nicht in den nordafrikansichen Staaten gebaut werden könnten - im Gegenzug zu Flüchtlingskontrollen, versteht sich. Desertec, eine deutsche Initiative, die damals mit großem Tam-Tam and den Start ging hat wie erwartet nur wenig zu Wege gebracht. Vielleicht kann der neue Grüne Koalitionspartner hier Akzente setzen.

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