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EPA-Chef Benoît Battistelli „Durch Mobbing und Diffamierung massiv beeinträchtigt“

Benoît Battistelli ist Chef einer der für die Wirtschaft wichtigsten Behörden Europas: dem Patentamt. Kritiker nennen ihnen „Sonnenkönig“ oder „Stalin“ . Im Interview spricht er erstmals über die Vorwürfe gegen seine Person.
15.03.2016 - 06:00 Uhr
„Das EPA muss effizienter und produktiver werden.“ Quelle: dpa/picture-alliance
EPA-Chef Battistelli

„Das EPA muss effizienter und produktiver werden.“

(Foto: dpa/picture-alliance)

Der 68-jährige Franzose Benoît Battistelli leitet seit 2010 das Europäische Patentamt, kurz EPA. Battistelli antwortet erstmals in einem deutschen Medium auf die massive Kritik an ihm. Zum Interview lädt er in die EPA-Zentrale in München. In der Chefetage im zehnten Stock ist der Ausblick auf die Landeshauptstadt prächtig.

Herr Battistelli, einige Kritiker haben Ihnen schlimme Namen gegeben. Sie nennen Sie „Sonnenkönig“ oder „Stalin“. Was haben Sie getan?
Erlauben Sie mir, etwas weiter auszuholen. Als ich 2010 zum Präsidenten des EPA gewählt wurde, war das Amt zwar technisch gesehen ein Erfolg. Es fehlte aber an modernem Management, besonders in der Kostenkontrolle. Ich bin vom Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation beauftragt worden, die Behörde wettbewerbsfähiger zu machen. Verschiedene Länder verbessern ihre Patentsysteme. So kann etwa ein US-Unternehmen das EPA für seine Patentanmeldung auswählen, aber auch das amerikanische oder japanische Patentamt. Für ein Patentverfahren bezahlt man bei uns 25 000 Euro, in den USA hingegen 5 000 Dollar. Das EPA muss effizienter und produktiver werden.

Das erklärt noch nicht den massiven Ärger im Europäischen Patentamt, in dessen Mittelpunkt Sie stehen. Es gibt Demonstrationen gegen Sie hier in München, aber auch in den Niederlanden.
Im Zuge der Reform des Personalwesens habe ich unter anderem eine Erneuerung des sozialen Dialogs vorgeschlagen. Die Vorschläge wurden mit der Personalvertretung erörtert. Sie wurden vom Verwaltungsrat einstimmig angenommen. Im Rahmen der Personalreform wurde auch Kapazität aus den Unterstützungsdiensten in den Prüfdienst verlagert. Die Änderungen haben offenbar Ängste ausgelöst. Tatsache ist jedoch, dass wir inzwischen deutlich effizienter geworden sind. Gleichzeitig sind die Löhne gestiegen, und wir haben das soziale Paket weiter verbessert.

Dann müssten ja alle happy sein. Aber das scheint nicht der Fall. Sie haben Leute suspendiert, zwei gefeuert, darunter die Chefin der Gewerkschaft SUEPO, die angeblich etwa 2 000 EPA-Mitarbeiter vertritt.
Diese Entscheidung hat mit den internen Reformen nichts zu tun. Die Entlassungen erfolgten nach ausführlichen Untersuchungen und Disziplinarverfahren. Grundlage der Entscheidung, diese Personen zu entlassen oder zu suspendieren, waren klare Verstöße gegen das Beamtenstatut des EPA. Dazu gehört etwa eine europaweite Diffamierungskampagne gegen das Amt, einzelne Personen des Managements und den Verwaltungsrat. Die Existenz dieser Kampagne wurde auch von einem hochrangig besetzten Ausschuss unter dem Vorsitz des ehemaligen EuGH-Richters Lord Schiemann bestätigt.

Können Sie konkreter werden?
Ein Teil der Reformen war darauf ausgerichtet, die Vertretungsfrage im Amt transparenter zu regeln. So kann die Belegschaft nun ihre eigenen Personalvertreter in einem einheitlichen Verfahren selbst wählen. In der Folge sind auch gewerkschaftsunabhängige Kandidaten gewählt worden. Einige dieser unabhängigen Personalvertreter haben jedoch schon wenige Monate nach der Wahl ihr Mandat aufgegeben, weil sie durch Mobbing und Diffamierung massiv beeinträchtigt wurden. Ein Vertreter hat sich darüber beschwert, und das Amt hat seinen Fall untersucht. Ein internes Disziplinarverfahren war unumgänglich.

Ihr Vorgehen wäre in deutschen Behörden unmöglich.
Meinungspluralismus, Respekt vor demokratischen Gepflogenheiten und die Redefreiheit genießen in Europa und besonders in Deutschland hohen Schutz. Deshalb bin ich mir sicher, dass derartiges Fehlverhalten auch hierzulande nicht akzeptiert würde. Aber betrachten Sie das EPA bitte nicht nur aus einer rein deutschen Perspektive. Nach dem Europäischen Patentübereinkommen sind wir eine zwischenstaatliche Behörde mit Sitz in Deutschland. Aus diesem Grund sind auch Fragen der betrieblichen Mitbestimmung nicht nach einem bestimmten nationalen Recht geregelt. Ich bin der erste Präsident, der mit einer Gewerkschaft ein Abkommen über deren Anerkennung als Sozialpartner im EPA geschlossen hat. Die SUEPO hat unser Angebot bisher nicht angenommen. Wir hoffen jedoch, dass sie sich bald zu einer kompromissorientierten Haltung entschließt.

Aber ist das ein Grund, die SUEPO-Chefin vor die Tür zu setzen?
Bei diesem Fall geht es nicht um die Gewerkschaft, sondern um persönliches Fehlverhalten einer einzelnen Person. Sie hat gewählte Personalvertreter eingeschüchtert. Teilweise wurde den Leuten sogar Gewalt angedroht.

Sie soll gedroht haben, „Snipers“, also Heckenschützen, zu schicken. Was ihre Anwältin bestreitet ...
Die Fakten, die uns die Opfer solcher Maßnahmen vorgelegt haben, sind eindeutig. Ein derartiges Verhalten würde nirgendwo in der Welt hingenommen. Dem Amt blieb unter diesen Umständen keine andere Wahl, als die Entlassung auszusprechen, die auch vom Disziplinarausschuss empfohlen worden war.

Glauben Sie, dass Sie nach den Vorfällen noch genügend Rückhalt bei den EPA-Mitarbeitern haben?
Dies legen die ausgezeichneten Ergebnisse unserer Arbeit im Jahr 2015 nahe. Mit demotivierten Mitarbeitern hätten wir eine derartige Produktionssteigerung nicht erreichen können.

Aber die Kritik richtet sich auch gegen die Art der internen Untersuchung.
Unsere Regeln für interne Ermittlungen haben wir aus einem Benchmarking vergleichbarer Regeln in EU- und UN-Agenturen hergeleitet. Als ersten Leiter der Untersuchungseinheit habe ich 2012 einen ehemaligen SUEPO-Vorsitzenden ernannt, der wegen seiner unabhängigen Denkweise Ansehen und Respekt genießt. Er hat die Regeln in Zusammenarbeit mit Fachleuten auf diesem Gebiet verfasst. Natürlich ist es immer möglich, bestehende Regeln zu verbessern. Ich habe deshalb ihre Überarbeitung vorgeschlagen und bespreche dies auch mit den Gewerkschaften.

Wird der Verwaltungsrat Sie nicht auffordern, Frieden mit Frau Hardon zu schließen?
In der Frage der Verbesserung des sozialen Dialogs im EPA besteht enge Übereinstimmung zwischen Amt und Verwaltungsrat. Der Rat hat deshalb vorgeschlagen, auch das Disziplinarverfahren in die generelle Überarbeitung unserer sozialen Regeln in diesem Jahr einzubeziehen. Ich stimme mit diesem Vorschlag überein. Was die anhängigen Verfahren anbelangt, so gilt es, die in Kraft stehenden Vorschriften und den Rechtsrahmen zu respektieren. Demnach steht den Betroffenen der Weg einer internen Revision sowie der Gang vor das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation offen.

Also erwarten Sie vom Rat keinen Druck oder gar eine Rücktrittsforderung? Morgen gibt es ein wichtiges Treffen des Gremiums.
Um es deutlich zu sagen: Am 16. März wird nichts Außergewöhnliches geschehen. Tatsache ist, dass ich für fünf Jahre gewählt wurde. Der Rat ist mit meiner Arbeit zufrieden und hat mich gebeten, weitere drei Jahre im Amt zu bleiben. Das wurde von praktisch allen Staaten mitgetragen. Kürzlich haben die Mitgliedstaaten auch meinen Haushalt einstimmig gebilligt. Es zeigt auch, dass ich nach wie vor den vollen Rückhalt des Rats habe, meine Arbeit hier zu Ende zu führen.

Aber haben Sie Ihre Belegschaft nicht überfordert? Da ist ja nicht nur die Umstellung des Beförderungssystems, sondern auch die umfangreiche Kontrolle von kranken Mitarbeitern ...
Das EPA ist ein europäischer Dienstleister. Wir sind vollständig aus Eigenmitteln finanziert und müssen auch alle langfristigen Verbindlichkeiten abdecken, inklusive unserer Pensionen. Regelbeförderung nach Dienstalter schafft Ungerechtigkeiten, und eine leistungsbezogene Beförderung ist mittlerweile in den meisten Betrieben gängig, zunehmend auch im öffentlichen Dienst. Im EPA hat sich eine große Mehrheit der Manager und des Personals in diese Reform eingebracht.

Und die Überwachung im Krankheitsfall?
Auch bezüglich der Krankheitsreform gibt es klare Fakten. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, bei Krankmeldungen Kontrollen durch unsere Ärzte durchzuführen. 2015 gab es 14 solcher Überprüfungen. Derartige Kontrollen gibt es in den Gesundheitssystemen etlicher Länder, seit 1945 auch in Frankreich. Das ist jedoch keine lückenlose Überwachung oder gar Verletzung der Privatsphäre. Es gibt Staaten, in denen müssen Sie bei Krankheit ins Krankenhaus gehen. Würde dies in Deutschland eingeführt, gäbe es hier Proteste.

Manche Kritiker sehen auch ein Problem darin, dass die Beschwerdekammern des EPA Ihrer Aufsicht unterstehen. Die richterliche Unabhängigkeit sei nicht gewährleistet.
Im Europäischen Patentübereinkommen ist die Schaffung einer vom EPA völlig losgelösten Gerichtseinheit nicht vorgesehen. Ich selbst hätte eine solche Einheit bevorzugt und hatte dies auch dem Rat vorgeschlagen. Dazu wäre jedoch ein aufwendiges Verfahren mit diplomatischer Konferenz, Vertragsunterzeichnung und anschließender Ratifikation in 38 nationalen Parlamenten nötig gewesen. Der Rat gab deshalb einer Lösung auf der Grundlage des Übereinkommens den Vorzug. Das berührt jedoch nicht die richterliche Unabhängigkeit: Noch nie hat ein EPA-Präsident in eine Entscheidung der Beschwerdekammern eingegriffen.

Bei dem ganzen Streit scheint das von Ihnen vorangetriebene europäische Einheitspatent in den Hintergrund gedrängt zu werden. Welche Folgen wird es haben?
Ich begrüße die Einführung des europäischen Einheitspatents, da auch die Gerichtswege für Patentstreitigkeiten damit europaweit vereinheitlicht werden. Ich bin sicher, dass dies eine bedeutende Verbesserung des Patentsystems bewirkt. Wie es in fünf, zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird, vermag ich nicht zu sagen. Die Beschwerdekammern des EPA haben bereits heute einen hervorragenden Ruf, und die Reform wird ihre Anerkennung weiter stärken.

Und wann werden wir das erste europäische Einheitspatent sehen?
2015 konnten wir alle Vorbereitungen abschließen, einschließlich der Festlegung der Jahresgebühren, die auf einem sehr niedrigen Niveau liegen. Aber es fehlen unter anderem noch die Ratifizierungen von Deutschland und Großbritannien für das neue Gericht. Dort wird wohl erst nach dem Brexit-Referendum entschieden. Deshalb blicken wir nun auf Anfang 2017. Ich bedaure das, aber angesichts einer jahrzehntelangen Vorbereitung kommt es auf ein paar Monate nicht an.

Herr Battistelli, vielen Dank für das Interview.

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