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Erdgas-Konflikt Griechenland-Türkei-Treffen: Die Erwartungen sind groß – die Differenzen auch

Griechische und türkische Vertreter treffen sich Montag in Istanbul, um sich im Ägäis-Streit anzunähern. Doch bereits bei der Tagesordnung herrscht Uneinigkeit.
22.01.2021 - 15:18 Uhr Kommentieren
Im Mittelmeerkonflikt nähern sich die Türkei und Griechenland wieder aneinander an. Quelle: dpa
Türkisches Forschungsschiff

Im Mittelmeerkonflikt nähern sich die Türkei und Griechenland wieder aneinander an.

(Foto: dpa)

Athen, Istanbul Die Türkei und Griechenland wagen am Montag einen neuen Versuch: In Sondierungsgesprächen wollen die Länder sich im jahrzehntelangen Erdgas-Streit in Istanbul annähern. Bereits 2002 wollten sie den Konflikt lösen. 60 Verhandlungsrunden gab es mittlerweile – und ein Ergebnis steht immer noch aus.

Im schwelenden Konflikt in der Ägäis wirft Athen Ankara vor, in Meeresgebieten nach Erdgas zu suchen, die nach internationalem Seerecht nur von Griechenland ausgebeutet werden dürften. Nach türkischer Lesart gehören diese Gebiete zum türkischen Festlandsockel. Die letzten Gespräche liegen fünf Jahre zurück.

Am Mittwoch brach der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu bereits zu einer dreitägigen Reise nach Brüssel auf, er begab sich auf eine „historische Mission“, wie manche türkische Medien urteilten. Denn Fakt ist, dass die Türkei seit einigen Monaten wieder die Nähe zum Westen sucht. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) war erst vor einer Woche zu Gesprächen nach Ankara gereist.

Trotz der Treffen ist eine Einigung im Streit in der Ägäis noch lange nicht in Sicht. Das liegt auch an den starren Verhandlungspositionen beider Seiten. Nicht einmal bei der Tagesordnung des bevorstehenden Sondierungsgesprächs ist man sich einig – und das wenige Stunden vor Beginn des ersten Zusammentreffens seit Jahren.

Und auch die Anreise bereitet wegen der Corona-Pandemie Probleme: Der Flug von Athen nach Istanbul dauert zwar eigentlich weniger als eine Stunde, aber wegen der Gesundheitskrise sind die Verbindungen seit Monaten eingestellt. Die griechischen Diplomaten fliegen deshalb auf ihrem Weg zu den Sondierungsgesprächen am Sonntag zunächst zum nordgriechischen Alexandroupoli. Von dort geht es in einer fast fünfstündigen Autofahrt über die türkische Grenze nach Istanbul, wo das Treffen am Montag um zehn Uhr beginnen soll.

Griechenland: Keine Verhandlungen, sondern „Kontakte“

Chef der griechischen Delegation ist Pavlos Apostolidis, ein diplomatisches Urgestein. Der 78-jährige Botschafter außer Dienst leitete schon in den 2010er-Jahren die Sondierungen mit der Türkei über die Abgrenzung der Wirtschaftszonen. Sie wurden 2016 ohne greifbare Ergebnisse abgebrochen. Dort soll Apostolidis nun anknüpfen.

„Wir gehen mit Optimismus und Selbstvertrauen in die Gespräche, aber mit null Naivität“, sagte der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis vergangene Woche im Parlament. Im griechischen Außenministerium wählt man die Worte mit Bedacht: Es handele sich nicht um Verhandlungen, sondern um „Kontakte“, die bei gutem Verlauf später in Verhandlungen münden könnten, heißt es dort.

Die Sondierungen seien „informell und nicht bindend“, offizielle Gesprächsprotokolle würden nicht geführt und es werde auch keine Unterrichtung der Öffentlichkeit geben. Thema der Gespräche soll einzig die Abgrenzung der Wirtschaftszonen zwischen beiden Ländern sein.

„Über Fragen der nationalen Souveränität kann es keine Diskussion geben.“ Quelle: AP
Kyriakos Mitsotakis

„Über Fragen der nationalen Souveränität kann es keine Diskussion geben.“

(Foto: AP)

„Über Fragen der nationalen Souveränität kann es keine Diskussion geben“, betonte Mitsotakis. Damit meint er Themen, die Ankara gern auf die Tagesordnung bringen möchte – wie etwa die Demilitarisierung griechischer Inseln.

Er habe „der Türkei immer die Hand der Freundschaft gereicht“, sagte der griechische Premier dem Magazin „Monocle“. Die Kontroverse um die Wirtschaftszonen reiche zwar Jahrzehnte zurück, „aber wir können sie lösen“, glaubt Mitsotakis, „und wenn nicht, dann können wir sie vor den Internationalen Gerichtshof (IGH) bringen“.

Für eine solche Schlichtung müssten aber beide Staaten gemeinsam den IGH anrufen und sich vorab seinem Urteil unterwerfen, egal, wie es ausfällt. Offen ist noch, ob die Türkei dazu bereit wäre.

Türkei: Alle Themen müssen auf den Tisch

Die gemeinsame Entscheidung der Regierungen beider Länder, nach einer fünfjährigen Pause wieder Gespräche aufzunehmen, spricht eigentlich schon für sich: Die Staaten wollen den Konflikt lösen. Doch dass die Sondierungsgespräche kein Selbstläufer werden, machte der türkische Außenminister Çavuşoğlu erst in dieser Woche deutlich.

„Dies wird das 61. Treffen sein. Welche Themen auch immer in den 60 Sitzungen davor erörtert worden sind, so werden sie auch in der 61. Sitzung erörtert. Es geht also nicht nur um die Abgrenzung der Seegrenzen“, sagte Çavuşoğlu. „Aber wenn sie [die Griechen] sagen, dass sie diese Fragen nicht diskutieren wollen, hat das Abhalten von Sondierungsgesprächen keine Bedeutung“, warnte der türkische Minister die griechische Verhandlungsseite. Damit spielt er insbesondere auf die Demilitarisierung einiger griechischer Inseln an, die unmittelbar vor der türkischen Küste liegen.

Daneben möchte die türkische Seite noch weitere Streitpunkte zum Thema machen: Neben der Abgrenzung der Wirtschaftszonen ist das die Abgrenzung der Hoheitsgewässer, aus der sich nachfolgend die Wirtschaftszonen ableiten, sowie Territorialstreits um die unbewohnte Insel Imia (türk. Kardak) sowie die Insel Kastelorizo, die nur zwei Kilometer vom türkischen Festland liegt.

Türkei kündigt Reformen an

Ankaras selbstbewusste Außenpolitik stößt jedoch an ihre Grenzen: nicht nur, dass die EU mit Sanktionen droht. Sondern mit dem Amtsantritt von Joe Biden in den USA droht der Türkei künftig auch wieder ein stärkerer Gegenwind aus Washington.

Die türkische Administration hat darauf bisher vor allem mit Reformankündigungen reagiert. Ob Bidens Amtsantritt Auswirkungen auf den Ägäis-Konflikt haben wird, zeigt sich am Montag.

Über das Sondierungsgespräch hinaus unternimmt die türkische Regierung bereits Schritte, um einen weiteren Dialog möglich zu machen – und zwar auf neutralem Grund. Außenminister Çavuşoğlu sprach unter anderem mit dem albanischen Premierminister Edi Rama, ob er und sein griechischer Amtskollege sich in der albanischen Hauptstadt Tirana treffen können.

„Ich bin bereit, den griechischen Außenminister zu treffen, wann immer er sich bereit dazu fühlt“, erklärte Çavuşoğlu. Er habe gehört, dass die griechische Seite nach den Explorationsgesprächen in Istanbul ein solches Treffen favorisiere. „Jetzt sind sie am Zug.“

Mehr: Jetzt oder nie – In den türkisch-europäischen Beziehungen bietet sich 2021 eine einmalige Chance.

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