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Erfahrungsbericht Wie Corona-Apps das Leben in China verändern

Beim Reisen zeigt sich, wie verbreitet Tracking-Programme in der Volksrepublik sind. Doch der Corona-Ausbruch auf einem Pekinger Großmarkt wirft Zweifel auf, wie sinnvoll sie sind.
16.06.2020 - 15:17 Uhr Kommentieren
In China müssen die Menschen einen Code vorzeigen, um zu beweisen, dass sie gesund sind. Quelle: AFP
Health-Code-Check am Airport in Schanghai

In China müssen die Menschen einen Code vorzeigen, um zu beweisen, dass sie gesund sind.

(Foto: AFP)

Peking Im pittoresken ostchinesischen Touristenort Wuzhen in der Nähe von Hangzhou werden Busreisende bei der Ankunft am Busbahnhof seit Neuestem von einem kleinen Empfangskomitee begrüßt. Eine Frau lächelt die Besucher an: „Hallo, habt ihr euren Health-Code?“, fragt sie, ein Sicherheitsmann steht daneben und beobachtet die Szene.

Sie zeigt auf drei QR-Codes, die an der Wand des Pavillons mit Klebestreifen angebracht sind. Doch ich bin vorbereitet: Die Health-Code-App von Wuzhen habe ich mir bereits in meiner Wohnung in Peking runtergeladen. Ich zücke mein Handy und zeige meinen Code. Er ist grün, ich kann durchgehen.

Im Kampf gegen das Coronavirus setzt die chinesische Regierung auf Health-Code-Apps. Als eine der ersten Städte führte die Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt Hangzhou das Programm bereits im Februar ein. Inzwischen hat fast jede Stadt und jede Provinz ihre eigene App.

Grün bedeutet, dass man Zutritt zu Bussen, Städten, Museen, Bürogebäuden oder Restaurants bekommt, Gelb und Rot heißen, dass man sich in Quarantäne begeben muss. Viele Unternehmen verlangen einen grünen Code von ihren Mitarbeitern. Bei der Installation der Programme muss man Angaben zu seinem Gesundheitszustand machen und darüber, wo man sich in den vergangenen 14 Tagen aufgehalten hat.

Datenschützer kritisieren eine neue Stufe der Überwachung. Was genau die App speichert und auf welche Daten sie zugreift, ist unklar. Wo man sie vorzeigen muss, ist von Ort zu Ort unterschiedlich.

Wer in dem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern reist, bekommt das Durcheinander der unterschiedlichen Systeme hautnah mit. In Hangzhou kommt man wie in Wuzhen ohne die App schon nicht mehr in die Stadt.

Als wir mit dem Schnellzug jedoch von Peking nach Schanghai einreisen, will den Code bei der Ankunft niemand sehen. Erst im Hotel fragt ein Mitarbeiter an der Rezeption danach. „Reicht der von Peking?“, frage ich. Nein, es muss der von Schanghai sein oder derjenige der Zentralregierung. Gut, den der Zentralregierung habe ich auch – und er ist grün. Wir können einchecken.

Als wir am nächsten Tag in ein Museum in Schanghai gehen, reicht der Code der Zentralregierung jedoch wiederum nicht, um eintreten zu können. „Ihr könnt bei eurem Mobilfunkanbieter eine Standortanfrage machen“, schlägt der Museumsmitarbeiter vor.

Mein Reisebegleiter schickt einen Code an seinen Handyanbieter, dieser sendet die Information zurück, dass er in den vergangenen Tagen in keinem Risikogebiet war. Das reicht. Wir können durchgehen, meine Standortabfrage will der Museumsmitarbeiter nicht sehen.

Grundlegende Änderungen

Reisen in China ist eigentlich ein großes Vergnügen. Die Schnellzüge sind pünktlich, sauber und verhältnismäßig günstig, Flughäfen gut angebunden, selbst Überlandbusse sind in den vergangenen Jahren viel komfortabler geworden. Doch die Coronakrise hat das Reisen grundlegend verändert.

Wegen der Vielzahl von Apps kommt es beim Reisen neuerdings immer wieder zu absurden Situationen. Es gibt zwar eine App der Zentralregierung, die wird aber von den meisten Orten nicht akzeptiert. Selbst die Apps der Provinzen gelten innerhalb derselben Provinz zuweilen nicht.

Am Eingang zu einem kleinen Dorf, ein paar Minuten entfernt von Hangzhou, kommt es zum Beispiel zu einer solchen Situation: „Health-Code!“, ruft ein Mann in einem Wärterhäuschen, als er uns sieht. Wir sind genervt. Schon im Bus mussten wir den Code vorzeigen, davor beim Einchecken im Hotel und davor wiederum bei der Ankunft am Omnibusbahnhof.

Wir kämen aus Hangzhou, wären überhaupt nicht hier, wenn wir keinen grünen Code hätten, erklären wir ihm. Es ist ihm egal. Jetzt ruft auch die Frau neben ihm: „Health-Code!“

Ich zeige ihm den Code von Zhejiang, der Provinz, deren Hauptstadt Hangzhou ist. „Den von Hangzhou!“, ruft nun der andere Wärter in einem fordernden Ton. „Ich habe doch den von Zhejiang, Hangzhou liegt doch in Zhejiang“, erwidere ich. Dem Aufpasser ist das egal.

Das Problem ist nur: Der Hangzhou-Code funktioniert bei mir nicht. Warum, ist unklar – möglicherweise, weil ich einen ausländischen Pass habe. Ich zucke mit den Schultern, verweise erneut auf meinen einwandfreien Zhejiang-Code und gehe trotzdem in das Dorf. Der Mann ruft mir noch nach, gibt aber schließlich entnervt auf.

Unwohl ist mir dennoch. Das hier ist ein Urlaub – wenn ich wegen eines technischen Fehlers der App nicht in das Dorf gekommen wäre, wäre das ärgerlich gewesen, aber kein Drama.

Zweifel an Wirksamkeit

Doch was, wenn ich zu einem wichtigen beruflichen Termin gemusst hätte? Einen Zug hätte erwischen müssen? In ein Bürogebäude reingewollt hätte? Immer wieder tauchen Berichte von in China lebenden Menschen auf, die die App einer bestimmten Stadt nicht nutzen können oder einen falschen Code angezeigt bekommen.

Als ich am Ende der Reise und unzähligem Code-Vorzeigen wieder im Schnellzug zurück nach Peking die Neuigkeiten checke, erreichen mich die ersten schlechten Nachrichten aus meinem Wohnort.

Nach fast zwei Monaten ohne Neuinfizierte ist ein Cluster neuer Fälle aufgetreten. Als Ursprung wird der riesige Xinfadi-Großmarkt im Süden Pekings ausgemacht.

Der Vorfall wirft auch erneut Zweifel auf, wie sinnvoll die Health-Code-Apps sind, die in China angewendet werden. Denn in Peking weiß niemand, wer auf dem Markt gewesen ist. Um das herauszufinden, gehen nun sogenannte Nachbarschaftskomitees von Tür zu Tür und befragen jeden einzeln, ob er dort gewesen ist. „Operation Türanklopfen“ nennen die Lokalbehörden das.

Doch wenn die App so allwissend ist, warum weiß sie dann nicht, wer auf dem Markt gewesen ist? Auch in chinesischen sozialen Netzwerken wird die Nützlichkeit der Pekinger Health-Code-App namens Jiankangbao angezweifelt. „Welchen Sinn macht es, Jiankangbao zu nutzen?“, fragt ein Nutzer. „Sagt Jiankangbao aus, ob Leute in Xinfadi gewesen sind?“ Die App tut es offenbar nicht.

Mehr: Kanzleramtschef über die Corona-Warn-App: „Ein großer Schritt in der Pandemiebekämpfung“

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