EU-Gipfel Erleichterung in Brüssel: Grünes Licht für Rettungspaket
EU-Regierungschefs einigen sich auf Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro
Brüssel Vier Tage und vier Nächte mussten die EU-Regierungschefs verhandeln, bis der Durchbruch gelang. „Das war einer der längsten, vielleicht sogar der längste Gipfel der EU-Geschichte“, sagte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Doch am Ende habe die EU ein „historisches Ergebnis“ erreicht. „Die EU hat ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Das ist ein gutes Signal“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Merkel und Macron traten gemeinsam vor die Presse. Eine konsequente Entscheidung, denn schließlich hatten Deutschland und Frankreich im Mai gemeinsam den ersten Vorschlag zum Corona-Wiederaufbauplan vorgelegt. Ihr Vorschlag sah ein Subventionsvolumen von 500 Milliarden Euro für besonders hart von der Corona-Pandemie getroffene Länder vor.
Ganz so viel Geld ist es am Ende nicht geworden. Die Regierungschefs einigten sich am Ende auf nicht rückzahlbare Zuwendungen im Höhe von 390 Milliarden Euro. Zusätzlich soll es Hilfskredite in Höhe von 360 Milliarden Euro geben. Insgesamt kommt man so auf die Summe, welche die EU-Kommission vorgeschlagen hatte: 750 Milliarden Euro.
Den größten Streit gab es bei diesem Gipfel um die nicht rückzahlbaren Zuwendungen: Die Nettozahler im Norden sowie Österreich waren zunächst komplett dagegen. EU-Ratspräsident Charles Michel musste ihnen mehrfach entgegenkommen. Erst senkte der die Zuschüsse auf 450 Milliarden Euro, dann auf 400 und schließlich auf 390 Milliarden Euro.
Der niederländische Premierminister Mark Rutte war auch damit noch nicht zufrieden. Auf der anderen Seite weigerten sich die Südeuropäer, bei den Subventionen unter die Schwelle von 400 Milliarden Euro zu gehen. So geriet der Gipfel in eine Sackgasse.
Am Sonntag und Montag wurde stundenlang um die Höhe der Subventionen gerungen. Dabei trat vor allem Rutte kompromisslos auf.
Erst wollte er gar keine Zuschüsse akzeptieren, „nach zwei Tagen dann 150 Milliarden“, berichtete Macron. Am Montag beharrte Rutte auf einem Zuschussvolumen von 375 Milliarden Euro, doch dann versagten ihm andere Mitglieder des sogenannte „Klubs der Sparsamen“ die Gefolgschaft. Dänemark und Finnland lenkten ein, und deshalb war schließlich auch Rutte dazu gezwungen.
Die Auseinandersetzung mit dem Niederländer sorgte zeitweise für eine sehr schlechte Stimmung. Macron, Merkel und Michel reagierten genervt. Doch bei Gipfelende am Dienstagmorgen fanden sie dann versöhnliche Worte für die „Sparsamen“.
Ihr Widerstand gegen den Corona-Wiederaufbaufonds sei „legitim“ gewesen, sagte Macron. Die Länder seien „wichtige Nettozahler“ und deshalb seien Zuschüsse für Nettoempfänger in der EU für sie ein innenpolitisch „heikles“ Thema.
Merkel erklärte, sie könne durchaus „nachvollziehen“, dass eine Gruppe von Ländern Probleme mit dem Wiederaufbaufonds gehabt habe. „Was zählt ist, dass wir fähig sind, ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen“, so Merkel.
Die wichtigsten Elemente des Ergebnisses im Überblick
- Der Wiederaufbaufonds: Erstmals in ihrer Geschichte setzt die EU ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket auf. Es umfasst 750 Milliarden Euro. 390 Milliarden Euro davon sind Zuschüsse, weitere 360 Milliarden Euro Kredite. Die Kürzungen bei den Zuschüssen gehen voll zulasten des EU-Haushalts.
Für den Klimaschutzfonds, für das Investitionsprogramm EUInvest, für Forschung, ländliche Entwicklung, Strukturfonds und Außenpolitik gibt es weniger Geld als ursprünglich geplant. Die direkten Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds an die Mitgliedstaaten werden dagegen sogar etwas erhöht. Ursprünglich hatte die EU-Kommission dafür 310 Milliarden Euro vorgesehen, nun gibt es einige Milliarden mehr dafür. - Die Finanzierung des Fonds: Die EU-Chefs haben beschlossen, eine Abgabe auf nicht recycelbare Abfälle einzuführen, und zwar möglichst schon nächstes Jahr. Die Einkünfte daraus sollen für die Tilgung der für den Wiederaufbaufonds aufgenommenen Schulden verwendet werden. Auf andere Abgaben konnten sich die Chefs nicht verständigen. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel seien bereits im nationalen Haushalt verplant, sagte Merkel. An der Digitalsteuer müsse noch gearbeitet werden.
- Die Steuerung des Fonds: Um Geld aus dem Fonds zu bekommen, müssen die Mitgliedstaaten nationale Reform- und Investitionspläne in Brüssel einreichen. Diese Pläne müssen erst von der EU-Kommission und dann vom EU-Finanzministerrat mit qualifizierter Mehrheit genehmigt werden. Die Auszahlung der Mittel soll in mehreren Tranchen erfolgen – abhängig von den Reformfortschritten in dem jeweiligen Land.
Darüber entscheidet dann die EU-Kommission nach Rücksprache mit dem Ministerrat. Wenn ein Mitgliedsland Reformen in einem Empfängerland für unzureichend hält, kann es Einspruch einlegen. Dann muss die Kommission die Auszahlung erst einmal stoppen. - Der EU-Haushalt: Die Regierungschefs haben einen Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 beschlossen. Er umfasst ein Volumen von 1,074 Billionen Euro. Die EU-Kommission hatte ursprünglich 1,1 Billionen Euro gefordert.
- Der Haushaltsrabatt: Deutschland, die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark dürfen ihren Haushaltsrabatt behalten. In Deutschland bleibt der Rabatt auf bisheriger Höhe, für die anderen Länder wird er etwas erhöht.
Mehr: So reagieren Europas Staatschefs auf den Gipfeldurchbruch
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Alles ist in Brüssel großartig.
Man (Frauen + Männer) feiert schon wieder in Brüssel.
Übrigens, dies in Verbundenheit mi Eigenlob darf nicht fehlen.
....und bittere Tränen fliessen.....
@P.H. Langer "nationales Schneckenhaus" --> was bedeutet diese Floskel? --> Bedeutet dass dass die jeweiligen Länder mehr auf die Mittelverwendung achten? Oder heißt dass dass die entsprechenden Länder nicht einfach den Mitläufer spielen?
Ich hätte noch ein paar mehr typisch deutsche Floskeln im Angebot:
- Gemeinsame europäische Verantwortung
- Wir als Europa
- Ein Europa der Vielfalt und nicht der nationalstaaten
Eine so nichtssagend wie die andere.
Am Ende des Tages ist Europa nur ein Schneeballsytem, eine Art Ponzi-Schema wo der deutsche Michel als "dummer Anleger" die Zeche zahlt.
Overhead
Viele solcher Bau-Ruck Aktionen wird sich das vereinigte Europa nicht mehr leisten können, wenn es weiterhin im Konzert der Blöcke eine Rolle spielen will. Vor Allem schleppt es einen ungeheuren Overhead an Verwaltung mit 27 Regierungen und unzähligen Ministern vor sich her. Allein der demokratische Überbau mit mehreren tausend Abgeordneten macht Europa praktisch unregierbar, sodaß nur noch mit solchen Hau-Ruck-Gipfeln Fortschritt erreicht wird.
Wann wacht Europa endlich auf und reformiert sich und seine Institutionen? Ich hoffe, nicht erst, wenn es zu spät ist und alle wieder im nationalen Schneckenhaus ihr Heil suchen.
Herr Arjuna Shiva der Einäugige unter den Blinden ist trotzdem
noch der Beste!
EUR / USA ich denke man kann jetzt auf den EURO setzen....
Vorwärts immer, rückwärts nimmer - Die EU in ihrem Lauf halten weder Ochs und Esel auf!
Vergessen wird leider in dieser postmodernen Zeit, in der Wunschdenken zum allgemeinen Konsens und damit scheinbar zur Realität wird , dass die Ökonomie kein Ochs und Esel ist und sich immer durchsetzt. Je länger man das mit auf nicht rückzahlbaren Schulden also ungedeckten Versprechen und Gelddrucken hinauszögert desto größer die Verwerfungen.
Feuerwehr kann Frau Merkel wie keine andere und kein anderer. Feuerverhuetung ist
leider nicht ihre Staerke.
Einerseits schön und notwendig, dass ein Ergebnis erzielt werden konnte.
Andererseits traurig, dass nach dem ersten Bericht von heute früh die
Nennung der wohl zu weich formulierten und bereits von Polen und Ungarn widersprüchlich interpretierten (sprich: einfach weggewischten) Kopplungsklausel an die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in diesem Bericht schon gar nicht mehr erwähnenswert erscheint.
schade eigentlich, Europa, wenn nicht einmal mehr die eigene, freie Presse die Wichtigkeit der Klausel betont: Bleiben wir wohl im Würgegriff der Populisten?