EU-Gipfel Geschenke für Merkel – aber noch keine Einigung über Wiederaufbaupaket

Von dem portugiesischen Premier bekam die Bundeskanzlerin das Buch „Die Stadt der Blinden“.
Brüssel Bundeskanzlerin Angela Merkel feiert an diesem Freitag ihren 66. Geburtstag – und ist beim EU-Gipfel gleich von mehreren Regierungschefs beschenkt worden.
Der portugiesische Premierminister Antonio Costa überreichte Merkel einen Roman mit politischem Symbolwert: „Die Stadt der Blinden“ des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers José Saramago. In einer Stadt greift Erblindung wie eine Seuche um sich, Chaos bricht aus und viele Menschen sterben. Nur eine Frau behält ihr Augenlicht und kann eine kleine Gruppe retten.
Costa habe das Werk mit Bedacht ausgesucht, hieß es in diplomatischen Kreisen. Parallelen zu lebenden Personen seien beabsichtigt. Der Portugiese hat an diesem Freitag ebenfalls Geburtstag: Er wird 59 Jahre alt.
Merkel, die am 1. Juli die halbjährlich rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernommen hatte, bekam noch mehr Präsente. Der französische Präsident Emmanuel Macron schenkte ihr Wein aus Burgund, und vom bulgarischen Premier Bojko Borissow bekam sie bulgarisches Rosenöl.
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Eine noch größere Freude würden die Regierungschefs Merkel vermutlich machen, wenn sie sich bei diesem Gipfel auf den Corona-Wiederaufbauplan und den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 einigen würden. Danach sah es am ersten Gipfeltag zunächst nicht aus.
Der niederländische Premierminister Mark Rutte schätzte die Erfolgschancen des Gipfels auf unter 50 Prozent. Auch Merkel selbst dämpfte die Erwartungen: „Die Verhandlungen werden sehr schwer.“
Nach ihrer traditionellen Begegnung mit EU-Parlamentspräsident David Sassoli kamen die 27 EU-Chefs am Vormittag zunächst in großer Runde zusammen. Eine nennenswerte Annäherung habe sich dabei nicht ergeben, berichteten EU-Diplomaten. Alle Regierungschefs hätten altbekannte Positionen wiederholt. Am Nachmittag begannen dann die bilateralen Unterredungen.
Einwand von Finnland
Probleme mit dem Corona-Wiederaufbaupaket hat vor allem der niederländische Premierminister. Mark Rutte will das geplante Subventionsvolumen von 500 Milliarden Euro für Corona-geschädigte Staaten deutlich kürzen.
Außerdem will er die Corona-Hilfen mit sehr strengen wirtschaftspolitischen Auflagen für die Empfänger verknüpfen. Die Niederlande müssten das Recht bekommen, unzureichende Reformpläne in anderen Ländern abzulehnen, womit dann auch Hilfszahlungen unmöglich würden, so Rutte. Seine Forderungen stoßen in Südeuropa, aber auch in Frankreich und Deutschland auf Ablehnung.
Ein ernst zu nehmender Einwand gegen den Wiederaufbauplan kam zuletzt auch von Finnland. Dabei geht es um die Tilgung der Schulden, die für den Fonds aufgenommen werden sollen: insgesamt 750 Milliarden Euro. Für die Rückzahlung soll jeder Mitgliedstaat gemäß seines Anteils an der europäischen Volkswirtschaft haften. Eine gesamtschuldnerische Haftung ist nicht vorgesehen – auch weil Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen strikt dagegen ist.
Finnland befürchtet dennoch, für andere einstehen zu müssen, und zwar in dem – ziemlich unwahrscheinlichen – Fall, dass ein anderer EU-Staat zahlungsunfähig wird. Auch für diesen Fall müsse eine Haftung anderer explizit ausgeschlossen werden, verlangen die Finnen und legten dazu einen Formulierungsvorschlag vor.
Die EU-Kommission zögert jedoch, darauf einzugehen. Sie befürchtet, dass die für den Wiederaufbaufonds ausgegebenen Anleihen dadurch für Investoren weniger attraktiv werden. Womöglich müsse die EU dann höhere Zinsen zahlen oder werde sogar ihr Spitzenrating, das dreifache A, verlieren, hieß es in Brüssel.
Mehr: Corona-Wiederaufbaufonds: Nun beschweren sich auch die Osteuropäer. Lesen Sie hier mehr.
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