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EU-Klimapolitik Was mit dem „Green Deal“ auf Europa zukommt

Die neue Kommission will in den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit ein Konzept vorlegen, wie die EU klimaneutral werden soll. Doch Konflikte bahnen sich bereits an.
10.10.2019 - 08:06 Uhr Kommentieren
Ursula von der Leyens angekündigter „Green Deal“ soll den Plan für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel enthalten, durch den die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Quelle: dpa
Klimaschutz

Ursula von der Leyens angekündigter „Green Deal“ soll den Plan für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel enthalten, durch den die EU bis 2050 klimaneutral werden soll.

(Foto: dpa)

Brüssel Es ist ein großer Begriff, der seit Wochen in Brüssel immer wieder fällt, von dem aber niemand so genau weiß: Was steckt da eigentlich hinter? Ursula von der Leyens angekündigter „Green Deal“ soll den Plan für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel enthalten, durch den die EU bis 2050 klimaneutral werden soll.

Außerdem soll der CO2-Ausstoß bis 2030 deutlich stärker gesenkt werden als bislang geplant: 50 bis 55 Prozent, statt der bislang vereinbarten 40 Prozent gegenüber 1990. Die EU möchte damit global führend beim Thema Klimaschutz werden. Der Green Deal soll dafür die Grundlage setzen.

Bis Mitte Februar 2020 hat die Kommission unter der Führung von Vizepräsident Frans Timmermans Zeit, die Pläne auszuarbeiten. Doch was wird der Green Deal genau beinhalten?

„Das, was wir tun, wird zu großen Veränderungen führen“, kündigte Timmermans bei seiner Anhörung vor dem Umweltausschuss im Europaparlament am Dienstagabend an. Zwei Drittel des Europäischen Haushalts fallen in die für den Green Deal relevanten Bereiche. Damit bahnen sich Konflikte an.

Was heißt Klimaneutralität eigentlich?

Klimaneutralität bedeutet keine Nullemissionen, sondern diese auf ein so niedriges Niveau zu senken, sodass Pflanzen, Gewässer und Neutralisierungstechnologien den Rest, der noch von Energie, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft produziert wird, komplett aufnehmen können.

Das Ziel der Klimaneutralität wird dabei vermutlich allein auf EU-Ebene anvisiert. Das heißt, dass nicht jedes einzelne EU-Land bis 2050 klimaneutral sein muss. Bei Ländern wie Polen oder Bulgarien sei das auch nicht möglich, ist aus EU-Kreisen zu hören.

Sogar bei Deutschland ist die Möglichkeit der Umsetzung fraglich. Deswegen sollen andere Länder, wie zum Beispiel Finnland mit seinen Wäldern und Seen, den Ausstoß der nicht-klimaneutralen Länder zusätzlich kompensieren. Aufforstungen werden EU-weit ein großes Thema werden.

Trotzdem wehren sich noch immer einige Mitgliedstaaten, genau genommen Polen, Tschechien und Ungarn, gegen das Ziel Klimaneutralität. In vielen osteuropäischen Ländern ist das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung noch nicht so ausgeprägt, wie es in Mittel- und Nordeuropa der Fall ist. Dementsprechend ablehnend agieren deren Regierungen auf EU-Ebene, weil sie die nötigen Maßnahmen ihren Wählern nicht verkaufen können.

Eine Lösung für das Problem: Der „Just Transition Fund“. Mit ihm sollen die wirtschaftlichen, finanziellen und auch sozialen Folgen des Kohleausstiegs abgefedert werden.

Timmermans sprach bereits davon, große Renovierungsprogramme von Wohngebäuden (insbesondere Sozialwohnungen) zwecks besserer Isolierung fördern zu wollen, sodass diese sich nicht in höheren Mietpreisen für die Bewohner niederschlage und sie außerdem zukünftig weniger heizen müssten. Außerdem schaffe dies Arbeit in den Regionen. Auch beispielsweise Umschulungen von Bergarbeitern sollen von den EU-Geldern bezahlt werden.

Generell wolle er die Bereitstellung von finanziellen Mitteln an einen Kohleausstieg koppeln. Man baut also darauf, die klimaskeptischen Länder mit genug Geld überzeugen zu können.

Allerdings zieht dies zugleich den Unmut der Länder auf sich, die bei der Klimapolitik schon weiter sind. Diese sind in der Regel auch Nettozahler und nicht unbedingt bereit, noch mehr Geld in den EU-Haushalt einzubringen, das dann in Richtung Osten fließt.

Zertifikatehandel und eine neue CO2-Grenzsteuer

Als ziemlich sicherer Bestandteil des „Green Deals“ gilt die Ausweitung des europäischen Emissionshandelssystem (ETS). Derzeit sind die Sektoren Verkehr und Gebäude noch nicht dem CO2-Zertifikatehandel unterworfen. „Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass die Schifffahrt ausgenommen ist. Sie nutzt hochverschmutzende Motoren“, sagte Timmermans am Dienstag in Brüssel.

Ähnlich äußerte er sich bezüglich des Flugverkehrs: Es könne nicht sein, dass Fliegen günstiger sei als Bahnfahren. Derzeit ist die Luftfahrtbranche nur zu einem sehr geringen Anteil in den Emissionshandel einbezogen. Beim Thema Autos drückte er sich vorsichtiger aus: „Ich bin generell nicht gegen eine Einbeziehung des Straßenverkehrs.“ Einen CO2-Mindestpreis wolle er allerdings nicht festlegen.

Um der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie nicht zu schaden, ist die Einführung eines CO2-Grenzsteuer eine weitere Maßnahme, die im Rahmen des Green Deals sehr wahrscheinlich vorgeschlagen wird. „Haben andere Länder auch ein Emissionshandelssystem oder eine CO2-Steuer, dann sind sie unsere Handelspartner. Wenn nicht, dann muss man an der Grenze nachkorrigieren“, erläuterte Timmermans.

Steuerfragen setzen allerdings immer Einstimmigkeit im EU-Rat voraus. Der politische Wille soll aber da sein, ist aus EU-Ratskreisen zu hören. Doch der niederländische Wirtschaftsminister Eric Wiebes äußerte sich bereits skeptisch: „Wie soll man bei einem Smartphone berechnen, wie viel CO2 bei jedem einzelnen Bauteil entstanden ist, inwiefern es nicht kompensiert wurde und dementsprechend besteuert werden muss?“

„Wir werden viele Kämpfe in den nächsten Monaten sehen“

Eine deutlich ambitionierte Kreislaufwirtschaft wird ein weiteres Kapitel des „Green Deals“ sein. Ein Bereich, der auch viel Rückhalt bei den osteuropäischen Ländern genießt, da in diesem Sektor Arbeitsplätze für Niedrigqualifizierte geschaffen werden können.

Der Rat hat bereits Schlussfolgerungen in den Bereichen Textil, Verkehr, Ernährung sowie Bauwesen und Abrisswirtschaft an die Kommission adressiert, die diese in den Green Deal einarbeiten dürfte.

Was den Bereich Textil angeht, sollen Mitgliedsstaaten beispielsweise bis Ende 2024 Textilien getrennt sammeln und recyclen. Eine neue EU-Textilstrategie soll die Branche zu nachhaltigeren Wertschöpfungsketten zwingen.

Neue Ökodesign-Grundsätze für mobile Geräte sollen dafür sorgen, dass diese länger haltbar, außerdem reparierbar und wiederverwertbar werden sowie einen gewissen Recyclinganteil enthalten sollen. Zudem soll das Problem der Überverpackung insbesondere im Online-Handel angegangen werden. Produkte sollen dann in so wenig Umverpackungen wie möglich ausgeliefert werden, die zudem vorzugsweise aus Papier bestehen.

Klar ist: Der Green Deal wird der Wirtschaft viel abverlangen, den Alltag der Europäer ändern und auch innerhalb der Kommission für viele Reibungen sorgen. „Wir werden viele Kämpfe in den nächsten Monaten sehen“, sagte der Grünen-Europaparlamentarier Michael Bloss dem Handelsblatt.

Mehr: Die Europäische Investitionsbank will keine fossile Energie mehr finanzieren. Das stößt in Deutschland auf Widerstand – auch wegen des Energiemixes.

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