EU-Klimaziele Was der jüngste EU-Kommissar der Geschichte vorhat

Virginijus Sinkevicius aus Litauen will dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele auch tatsächlich erreicht.
Brüssel Der 28-jährige Virginijus Sinkevicius hat viel vor: Er will dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele auch tatsächlich erreicht und dabei Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum schaffen. Er will eine neue Biodiversitätsstrategie vorstellen. Er will das Null-Schadstoff-Ziel verwirklichen. Er will, dass der Übergang Europas zu einem kreislauforientierten Wirtschaftsmodell schneller vonstattengeht.
Er will illegale Fischerei bekämpfen – die geschätzt ein Fünftel der weltweiten Fänge ausmacht. Er will sich dafür einsetzen, schädliche Fischereisubventionen abzuschaffen, die zur Überfischung beitragen. Er will die europäische Automobil-Industrie bei der Umstellung auf saubere Antriebstarten unterstützen.
Er will Wölfe retten. Er will Bäume pflanzen. Er will dem EU-Parlament in der EU-Umweltpolitik mehr Gestaltungsmacht zugestehen. Er will sicherstellen, dass alle diese Maßnahmen zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen und es keine Verlierer gibt.
Und das ist nur ein Ausschnitt.
Sollte der Litauer, den Ursula von der Leyen als neuen Kommissar für Umwelt und Meere vorgesehen hat, von den EU-Parlamentariern bestätigt werden, wäre er der jüngste EU-Kommissar, den es je gab. Seine Chancen stehen bestens: Während zwei Kommissionsanwärter bereits gestoppt wurden und weitere, wie beispielsweise die designierte Binnenmarktkommissarin Sylvie Goulard, auf der Kippe stehen, sind den EU-Parlamentariern über Sinkevicius bislang nur positive Worte zu entlocken – ganz egal, ob Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne oder Liberale.
Auch als der Umwelt- sowie der Fischereiausschuss ihn am Donnerstag intensiv befragten und damit seine fachliche Qualifikation testeten, lief es harmonisch. Er habe seine Sache gut gemacht, auch wenn es an konkreten Lösungsvorschlägen in manchen Bereich gefehlt habe, lautete der Tenor.
Sinkevicius wird in der zukünftigen EU-Kommission eine entscheidende Rolle spielen: Er wirkt bedeutend mit bei der Ausgestaltung von Ursula von der Leyens angekündigtem Green Deal, nach dem die EU ihre Klimaziele bis 2030 verschärfen und ab 2050 klimaneutral sein soll.
Dies ist nur mit erheblichen Eingriffen in das Wirtschaftssystem möglich. „Wir sind auf der Reise zu einem grünen nachhaltigen Planeten. Es wird eine harte Reise“, kündigte der designierte Kommissar zu Beginn der Ausschussanhörung an.
Sinkevicius ist derzeit Wirtschaftsminister Litauens. Er gehört der Partei „Bund der Bauern und Grünen Litauens“ an, die im EU-Parlament zur Fraktion der Grünen gehört, jedoch nicht zur Europäischen Grünen Parteienfamilie. Sinkevicius selber verortet sich zwar bei den Grünen, seine Partei ist allerdings gesellschaftspolitisch konservativ und nationalstaatlich orientiert. Diese nicht eindeutige Zuordnung bewahrt ihn vor den Mühlen der Brüsseler Parteipolitik.
In seinem momentanen Ministeramt setzte er besonders auf Innovation und Energieeffizienz, er erklärte die Förderung von Start-ups zu seiner Priorität und feilte an einer nationalen Strategie für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. „Ich bin überzeugt, dass meine Kenntnisse in Wirtschaft und Innovation von Vorteil sein werden, wenn wir uns mit Umwelt- und Meeresproblemen befassen, bei deren Lösung Innovation eine entscheidende Rolle spielen wird“, warb er vor der Anhörung für sich bei den Parlamentariern.
„Sein Hintergrund als Minister für Wirtschaft und Innovation in seinem Heimatland ist sicher eine gute Voraussetzung um Umweltschutz und Arbeitsplätze zusammenzubringen“, sagte der CDU-Politiker Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, nach der Anhörung.
Als die drei Hauptprioritäten seiner Amtszeit benannte Sinkevicius die biologische Vielfalt, die Kreislaufwirtschaft und Null-Verschmutzung. „Der Green Deal ist nicht möglich, ohne effektive Waldwirtschaft und biologische Vielfalt“, erklärte er.
Aber auch die Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens müsse sich ändern. „88 Prozent unserer Ressourcen werden einfach weggeworfen, nur zwölf Prozent verwertet. Hier bietet sich ein großes Potenzial“, so der Litauer.
Generell sollte Müll von vornherein vermieden werden. Das gelte besonders für die Sektoren Bau und Kleidung. „Es ist ganz wichtig, schon in der Design-Phase zu beginnen“, sagte er auch in Hinblick auf elektronische Produkte. Dies könnte ein Verbot von nicht reparier- oder recyclebaren Produkten bedeuten. „Wir müssen natürlich auch unseren Markt schützen vor nicht-nachhaltigen Produkten.“
Im Jahr 2050 wird Sinkevicius 60 Jahre alt sein. Er wird dementsprechend vermutlich noch miterleben, ob die EU dann klimaneutral ist und wie das Leben ihrer Bürger dann aussieht.
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