EU-Studie Der Fiskus verliert jedes Jahr Milliarden durch Steuerflucht

Absolute Spitze bei der Steuerhinterziehung ist der kleinste EU-Staat: In Malta flossen 2016 fast 2,4 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung am Fiskus vorbei.
Brüssel Luxleaks, Panama-Papers und Paradise-Papers: Steuerfluchtskandale erschüttern Europa seit Jahren – und die Politik hat darauf auch mit verschärften Gesetzen und Kontrollen reagiert. Gewonnen ist der Kampf gegen die Steuerhinterziehung jedoch noch lange nicht.
Darauf deutet eine neue EU-Studie hin: Im Jahr 2016 – neuere Zahlen zu dem Thema gibt es nicht – habe der Gesamtverlust durch Steuerflucht für den Fiskus in der EU 46 Milliarden Euro betragen, schätzen Experten der EU-Kommission. Das sei zwar weniger als im Rekordjahr 2014. Doch der Jahresdurchschnitt des Zeitraums 2004 bis 2016 werde nicht unterschritten, heißt es in der Untersuchung der Kommission.
Die Zahlen scheinen zu belegen, dass die EU-Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung zumindest nicht sofort gewirkt haben: 2014 beschloss die EU eine neue Amtshilferichtlinie, die einen Informationsaustausch über Einkünfte von EU-Bürgern vorsieht.
Seit 2014 tauschen EU-Staaten, darunter Deutschland, zudem mit den USA Steuerdaten aus. In der Statistik niedergeschlagen hat sich das nicht. „Nach 20 Jahren internationaler Anstrengungen gegen die Steuerflucht sind die milliardenschweren Steuerschäden immer noch erschreckend hoch“, erklärt Europaparlamentarier Sven Giegold von den Grünen.
Der deutsche Staat verlor der EU-Schätzung zufolge im Jahr 2016 rund 7,22 Milliarden Euro durch Steuerflucht. Auf den ersten Blick scheint die Zahl auf einen positiven Trend hinzudeuten. Im Zeitraum 2004 bis 2016 lagen die durchschnittlichen Einbußen für den deutschen Fiskus nämlich spürbar höher bei 8,95 Milliarden Euro.
Deutschland im Mittelfeld
Schwarzgeld, das in den Immobilienmarkt fließt, konnten die EU-Experten allerdings nicht in ihre Studie mit einbeziehen. Grundstückskäufer konnten ihre Identität 2016 noch hinter Tarnfirmen verstecken. Auch wegen der andauernden Niedrigzinsphase kann man durchaus davon ausgehen, dass immer mehr Steuerfluchtgelder in den Immobilienmarkt fließen. „Es ist daher eine steile These zu behaupten, dass die Schäden durch Steuerflucht in den letzten Jahren gesunken wären“, so Giegold.
Im EU-Vergleich liegt Deutschland bei der Steuerhinterziehung im Mittelfeld. Frankreich stand 2016 deutlich schlechter da. Der französische Fiskus verlor in dem Jahr gut zehn Milliarden Euro durch Steuerflucht. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung dieses Jahres war die Einbuße damit in Frankreich doppelt so hoch wie in Deutschland. Ein Grund dafür könnte die Vermögensteuer sein, die viele reiche Franzosen ins Ausland trieb. Präsident Emmanuel Macron schaffte sie nach seinem Wahlsieg 2017 sehr schnell wieder ab.
Absolute Spitze bei der Steuerhinterziehung ist der kleinste EU-Staat: In Malta flossen 2016 fast 2,4 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung am Fiskus vorbei. Auf den vorderen Rängen folgen die in dieser Hinsicht einschlägig bekannten Länder Zypern, Belgien, Griechenland und Portugal. Auf der Liste der von der Steuerflucht am meisten betroffenen EU-Staaten findet sich 2016 aber auch ein Land wieder, das man bisher nicht mit dem Thema in Verbindung brachte: Schweden.
Steuerparadiese weiter beliebt
Die vielen Steuerskandale der letzten Jahre hindern die Europäer nicht daran, ihr Geld weiterhin in Steuerparadiese zu transferieren. Das Offshorevermögen von EU-Bürgern habe im Jahr 2016 rund 1,5 Billionen Euro betragen, schätzen die Experten der EU-Kommission. Der jährliche Durchschnittswert für die Jahre 2001 bis 2016 (1,2 Billionen Euro) wurde demnach 2016 deutlich überschritten.
Relativ zur Wirtschaftsleistung habe die Kapitalflucht aus der EU in Steuerparadiese seit Beginn des Jahrtausends abgenommen, heißt es in der Studie. Die EU-Experten werten dies aber nicht als Erfolg im Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Ein Zusammenhang mit der 2004 in Kraft getretenen Zinssteuer-Richtlinie könne nicht hergestellt werden, heißt es in der Untersuchung.
Vielmehr sei der Rückgang auf die Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 zurückzuführen. Ab 2011 sei der Anteil des Fluchtkapitals an der europäischen Wirtschaftsleistung wieder gestiegen.
Mehr als 65 Prozent des europäischen Offshorekapitals gehören Bürgern der größten EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Aus den skandinavischen und aus den osteuropäischen EU-Staaten kommt dagegen nur sehr wenig Fluchtkapital.
Mehr: Die neuen Steueroasen sind legal. Seit Konzernen die Null-Steuerländer der Karibik versperrt sind, entdecken sie Europas Niedrigsteuerländer. Deutschland verliert im Steuerwettbewerb weiter.
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@ Ingo Quentin....
Sie haben absolut Recht. Die Reichen und Reichsten brauchen den deutschen Fiskus nicht zu fürchten.
Wieder einmal muß man feststellen, dass die sogenannten "Verschwörungstheoretiker" doch wohl Recht haben, oder?
"„Nach 20 Jahren internationaler Anstrengungen gegen die Steuerflucht sind die milliardenschweren Steuerschäden immer noch erschreckend hoch“".
Diese Aussage geht davon aus, dass die Anstrengungen tatsächlich darauf abzielten Steuerflucht zu verhindern. Natürlich war das nicht der Fall und ist es auch jetzt noch nicht. Die sogenannten "Anstregungen" sind für mich ur Scheingefechte um die steuerzahlende Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen.
Anders ist für mich das Versagen dutzender angeblicher Demokratien im mittlerweile jahrzehntelangem Kampf gegen Steuerflucht nicht zu erklären.
Deutschland ist zwischenzeitlich das Höchststeuerland, weltweit! ALLE anderen Staaten dieser Erde haben geringe Steuern- und Abgabenquoten. Auf der anderen Seite gehören die Rentner Deutschlands in das Armenhaus Europas und im Wohlstandsbericht liegt der Deutsche im letzten Drittel. Womit will die Regierung nun Probleme lösen? Mit noch mehr und noch höheren Steuern und Abgaben! Da stimmt einiges nicht!
Ergänzend kommt noch die in Höhe und Art weltweit nahezu einzigartige Schenkungs- und Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder hinzu! Österreich erkannte die volkswirtschaftliche Kontraproduktivität und schaffte diese 2008 wieder ab. Die meisten Staaten Europas erheben diese Steuer für Ehepartner und Kinder nicht. Selbst in Russland ist diese Steuer unbekannt!
Die Schenkungs- und Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder ist trotz Freibeträgen ein gravierender Nachteil für den Deutschen Mittelstand. Nicht wenige Unternehmen mußten wegen dieser Steuer bereits schließen! Die ausländischen Mitbewerber, in deren Länder keine Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder anfallen, freuen sich über diese wettbewerbswidrige Zusatzlast für Deutsche Unternehmen.
Nicht wenige Unternehmer, wohlhabende Familien, Sportler oder gar Politiker verliesen Deutschland nicht nur, aber auch wegen der nachteiligen Schenkungs- und Erbschaftsteuer für Ehepartner und Kinder. Damit verbunden natürlich auch ein Verlust an steuerpflichtigen Arbeitsplätzen und Kaufkraft. Durch zusätzliche und noch höhere Steuern (Vermögensteuer, Erhöhung der Schenkungs- und Erbschaftsteuer, CO2-Abgabe, ....) wird der Standort Deutschland noch weiter geschwächt. Das weltweit führende Höchststeuerland will die Abgaben noch mehr erhöhen. Ob das die richtige Lösung ist?