EU und USA US-Präsident Biden sucht in Europa Verbündete gegen die Hightech-Diktatur China

Der US-Präsident besucht Gipfel in verschiedenen Ländern.
Peking, Washington, Berlin, Düsseldorf, Brüssel Vier Stationen legt Joe Biden auf seiner ersten Europavisite als US-Präsident ein. Auf den G7-Gipfel in Großbritannien folgen Beratungen in Brüssel, erst im Kreis der Nato, dann mit der EU. In Genf steht zum Abschluss das konfliktträchtige bilaterale Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf dem Programm.
Die Gesprächsthemen sind vielfältig, doch es gibt eines, das herausragt und alle Reise-Etappen verbindet – zumindest aus Sicht der USA: der Kampf um die Zukunft der Demokratie in der Systemrivalität mit dem selbstbewussten und zunehmend aggressiven Autoritarismus.
Russland ist dabei für die USA eher ein Störfaktor. Der Hauptgegner ist China, der Arbeiter- und Bauernstaat, der sich zur Hightech-Diktatur gewandelt hat. Das wichtigste Ziel von Bidens Reise ist es daher, Europa für eine gemeinsame transatlantische Chinapolitik in Stellung zu bringen.
„Wir werden sicherzustellen, dass marktwirtschaftliche Demokratien und nicht China oder irgendwer sonst die Regeln des 21. Jahrhunderts für Handel und Technologie festlegt“, schrieb der Präsident vor seinem Abflug in der „Washington Post“.
Amerika hat ein klares Weltbild und eindeutig definierte Interessen. Das kann man von Europa nicht behaupten. Der Kontinent ist hin- und hergerissen, ihm steht ein schwieriger Balance-Akt bevor. Einerseits herrscht in den europäischen Hauptstädten große Erleichterung darüber, dass nach den Demütigungen der Donald-Trump-Ära in Washington wieder eine Regierung sitzt, die den Wert von Partnerschaft erkennt.
Trump-Agenda mit diplomatischeren Mitteln
Andererseits gibt es eine tiefe Skepsis gegenüber der amerikanischen Rhetorik, die für europäische Ohren nach einem neuen Kalten Krieg klingt – nach der Fortsetzung der Trump-Agenda mit diplomatischeren Mitteln.
Europäische Regierungsvertreter weisen hinter vorgehaltener Hand darauf hin, dass Biden genau wie Trump auf die Isolierung Chinas hinarbeitet. Weniger lautstark, weniger plump – aber umso effektiver.
Jüngstes Beispiel: Vergangene Woche erließ Biden eine Anordnung und setzte 59 weitere chinesische Firmen auf eine schwarze Liste. Darunter sind auch Unternehmen, die Überwachungstechnologien herstellen, mit denen Regimegegner in China beobachtet werden.
Amerikanischen Investoren ist es ab dem 2. August 2021 verboten, sich bei diesen Firmen zu engagieren. Trump hatte in seiner Amtszeit mehr als 40 chinesische Firmen wegen angeblicher Verbindungen zum Militär der Volksrepublik auf die schwarze Liste setzen lassen.
„Decoupling“ nennen die Amerikaner ihre China-Politik, es geht darum, jede ökonomische Abhängigkeit von China zu vermeiden, die Peking als politischen Machthebel einsetzen könnte.
Die Entkopplung streben die Amerikaner längst nicht mehr nur für den traditionellen Handel an.
Geopolitisch viel relevanter ist der sich anbahnende „Technologie-Krieg“. Allenfalls dort, wo es zum Wohle des Planeten unverzichtbar ist, wollen die USA mit China noch kooperieren, etwa in der Klimapolitik. „Der US-Präsident sieht China als die wichtigste nationale Sicherheitsbedrohung der Vereinigten Staaten“, sagt Ian Bremmer, Präsident der globalen Politikberatung Eurasia Group in New York.
Diese Erkenntnis ist inzwischen auch in Deutschland angekommen: „Biden redet und handelt in Richtung China kaum anders als sein Vorgänger“, sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Beide politische Parteien der USA stützen diese Position: „Man traut den Chinesen nicht und man hat nicht vergessen, dass die chinesischen Importe Arbeitsplätze in den USA vernichtet haben.“
Entkopplung zu China wäre für Europa gefährlich
Europa hat einen anderen Blick auf China als die USA, er ist vielschichtiger, aber auch diffuser. Er ist vor allem ökonomisch begründet. Die Europäer haben im Falle einer Entkopplung weit mehr zu verlieren als die Amerikaner.
Das zeigt schon ein kurzer Blick in die Handelsbilanz: Die EU exportiert Waren im Wert von 203 Milliarden Euro nach China – und damit fast das Doppelte der USA. Vor allem die deutsche Exportwirtschaft ist stark auf den chinesischen Markt ausgerichtet.
Auch wenn europäische Handelspartner gesamtwirtschaftlich bedeutender bleiben, sind gerade Großkonzerne wie VW und BASF stark von China abhängig. „In Summe ist die Abkopplung zwischen China und den USA in unserer komplex arbeitsteilig organisierten Weltwirtschaft für den Vernetzungschampion Deutschland ein klarer volkswirtschaftlicher Nachteil“, warnt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft.
Auch Ifo-Chef Clemens Fuest argumentiert: „Die EU sollte mit Biden gemeinsame Interessen vertreten, aber dennoch eine eigenständige Politik gegenüber China verfolgen.“ Dies erfordere unter anderem eine größere Unabhängigkeit Europas gegenüber den USA, etwa im währungspolitischen Bereich oder in der Digitalisierung.
Die Interessen der USA und der EU gegenüber China seien ähnlich, aber nicht „deckungsgleich“. Für die EU stünden wirtschaftliche Interessen und Fragen der Menschenrechte im Vordergrund, für die USA gehe es darüber hinaus um „geopolitische und militärische Interessen im pazifischen Raum“.
Zugleich Wettbewerber, Partner und systemischer Rivale
Die Formel, auf die sich die Europäer aufgrund der wirtschaftlichen Realität verständigt haben, lautet, dass China zugleich Wettbewerber, Partner und systemischer Rivale ist. Das klingt wohldurchdacht, ist aber auch politisch bequem, weil es eine Festlegung vermeidet.
Erst nach und nach verschiebt sich in Europa die Wahrnehmung. Die Unterdrückung der Minderheit der Uiguren, die Auslöschung der Demokratie in Hongkong und die Versuche der Chinesen, die Lieferung von Masken und Impfstoff zur Ausdehnung ihrer Einflusszone zu nutzen, wecken den Widerspruchsgeist der Europäer.
Auf der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt formulierte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Europas Haltung am Montag so: „Ein engerer Schulterschluss mit anderen Demokratien – in Lateinamerika, Afrika und Asien – bedeutet keine neue Zweiteilung der Welt. Wir wollen keinen Kalten Krieg reloaded. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, wenn andere die Systemfrage stellen.“ Besonders hob Maas „Pekings immer rigorosere Art“ hervor, „ökonomische Abhängigkeiten in politische Gefolgschaft umzumünzen“.
Diese Abhängigkeiten dürften allerdings noch zunehmen – jedenfalls dann, wenn es nach der europäischen Wirtschaft geht. In einer Umfrage der EU-Handelskammer in Peking gaben 59 Prozent der in China tätigen Firmen an, dass sie über eine Ausweitung ihrer Geschäfte auf dem chinesischen Markt nachdenken – ein Anstieg von acht Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Nur neun Prozent wollen ihre Investitionen in China streichen oder stärker auf andere Märkte setzen – den Angaben der Kammer zufolge ist das der niedrigste Wert, der in der Umfrage je verzeichnet wurde.
Diese Zahlen sind politisch brisant. Denn eigentlich ist es das erklärte Ziel der Europäer, die Abhängigkeit von China dadurch abzumindern, dass verstärkt Wirtschaftskontakte zu anderen Partnern in Asien geknüpft werden. Die Bundesregierung etwa hat das in ihrer Indopazifik-Strategie niedergelegt.
Europa teilen viele Vorwürfe
Im Grundsatz teilen die Europäer viele der Vorwürfe, die Washington gegen Pekings ökonomische Praktiken erhebt. Abschottung der eigenen Märkte, Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen, Diebstahl geistigen Eigentums – um dagegen vorzugehen, strebt auch die EU eine enge Zusammenarbeit mit den Amerikanern an. Das Gleiche gilt für den Technologiebereich und damit für die Frage, ob demokratische oder autokratische Werte die Basis für die Standards der digitalen Welt bilden.
IW-Chef Michael Hüther gibt sich zuversichtlich, dass eine stärkere Kooperation zwischen den USA und China in Peking Eindruck stiftet. „Die Chinesen werden reagieren müssen, wenn die transatlantische Partnerschaft wieder funktioniert“, sagt er. Allerdings geht Washington viel weiter als Brüssel: Amerika will China dabei mit dessen eigenen Waffen schlagen – vor allem in der Industriepolitik.
Unter dem Label „Made in China 2025“ verfolgt der chinesische Präsident Xi Jinping schon seit 2015 offen das Ziel, durch massive Staatshilfen die globale Technologieführerschaft zu erringen. Darauf reagieren die USA jetzt mit einer industriepolitischen Gegenoffensive: mit einem fast 250 Milliarden Dollar schweren Investitionspaket des Staates, mit dem die USA in Schlüsseltechnologien wie Mikrochips, Künstliche Intelligenz, Robotik und Quanten-Computing ihre Spitzenstellung gegenüber Peking verteidigen wollen.
Die Europäer wollen ebenfalls in diese Richtung gehen und versuchen, die Produktion von Halbleitern und anderer kritischer Komponenten nach Europa zurückzuholen. Doch sie kommen damit langsamer voran als die USA, schon deshalb, weil die EU die Interessen von 27 Mitgliedstaaten austarieren muss.
In Washington wird schon der nächste Schritt geplant. Der sogenannte „US Innovation and Competition Act 2021“ (USICA) ist eines der wenigen Gesetzesvorhaben, bei denen sich Demokraten und Republikaner einig sind. „Die Kommunistische Partei Chinas hat es darauf abgesehen, die USA technologisch und wirtschaftlich zu übertreffen und ihre Technologien weltweit zu exportieren“, sagt der demokratische Senator Mark Warner. Dem müsse sich Amerika gemeinsam mit seinen Partnern entgegenstemmen.
Die Frage ist, ob die Europäer dazu bereit sind. Wolfgang Ischinger ist wenig optimistisch. „Europa schläft immer noch“, beklagt der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Die fehlende China-Strategie der Europäer führe in Washington zu „zunehmender Frustration“.
Mehr: Peking versorgt weite Teile der Welt mit Impfstoff – und will das für sich nutzen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Ein Verbündeter, der demnächst wieder in die Zone der "Schwarzen Null" zurückkehren muss ist kein Verbündetet, sondern eher eine Belastung. Hightech benötigt hohe staatliche Summen für Forschung und Entwicklung. Die hohen Summen sind dann hier in Europa nicht mehr vorhanden, wegen Sparwahn der Deutschen. Die ehemalige Deutsche Bundesbank hat nach der DM-Schöpfgeldausgabe in die DDR den Diskontsatz erhöht, in den Bereich von ca. 9%, und damit Europa in eine anhaltende Rezession gestürzt. Nun wird der Deutsche Sparwahn dazu führen, dass Europa den technischen Anschluss an die aufstrebenden Nationen verlieren wird. Wieder mal ein deutscher Großfehler, der dann am Ende auch den Euro zerstören wird. Die darauf folgende Kleinstaaterei wird weiter schwächen - Abstieg ist angesagt.