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EU-Wiederaufbaufonds Ministerpräsident Sánchez: Hilfsgelder sind die größte Chance Spaniens seit dem EU-Eintritt

Der spanische Regierungschef stellt seinen Plan für den Wiederaufbau nach der Coronakrise vor. Zentrale Reformen fehlen darin allerdings – etwa auf dem Arbeitsmarkt.
13.04.2021 - 18:57 Uhr Kommentieren
Spanien erhält 140 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Quelle: AP
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez

Spanien erhält 140 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds.

(Foto: AP)

Madrid Pedro Sánchez wählte große Worte, um die Bedeutung seines Plans für den Wiederaufbau der spanischen Wirtschaft zu verdeutlichen. „Dieser Plan ist die größte Chance für Spanien seit dem Eintritt in die EU“, sagte der spanische Ministerpräsident am Dienstag. Spanien werde diese Jahrhundertgelegenheit nicht verstreichen lassen.

Der Plan ist die Voraussetzung dafür, dass Madrid die gigantische Summe von 140 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds erhält – die Hälfte davon als nicht rückzahlbare Transfers. Nur Italien erhält eine höhere Summe. Sánchez stellte die Grundzüge des Vorhabens vor, am Mittwoch will er den kompletten Plan im Parlament präsentieren, und in der kommenden Woche soll das Kabinett ihn verabschieden.

Die EU-Mitglieder hatten sich in der Pandemie erstmals zu einer gemeinsamen Schuldenaufnahme durchgerungen, um besonders betroffenen EU-Staaten wieder auf die Beine zu helfen. Brüssel bindet die Auszahlung der Gelder aus dem Fonds aber daran, dass die Länder konkrete Ziele erreichen, die sie mit der EU-Kommission in den nationalen Wiederaufbauplänen vereinbaren. Sánchez’ Plan hat deshalb eine enorme Bedeutung – für Spanien selbst, aber auch für den Zusammenhalt der EU. Die übrigen Mitglieder werden genau darauf achten, wie der zweitgrößte Empfänger mit dem Geld umgeht. 

Die Mittel sollen sowohl für Investitionen als auch für Reformen ausgegeben werden. Doch genau dabei hakt es in Spanien: Sánchez zählte zwar zahlreiche Reformen auf, die Teil des Plans sind. Doch bei zentralen Themen wie der Reform des Arbeitsmarkts, des Rentensystems sowie der Fiskalpolitik gibt es bislang keinen Konsens zwischen den Parteien – und zum Teil noch nicht einmal innerhalb der Regierungskoalition.

Sánchez erklärte, der Plan enthalte 212 Maßnahmen, davon seien 110 Investitionsvorhaben und 102 Reformen. Mit 13,3 Milliarden Euro will er in den kommenden drei Jahren das meiste Geld in eine nachhaltige Mobilität stecken. Dazu zählen der Aufbau von Ladestationen ebenso wie Kaufanreize für Elektroautos. Die VW-Tochter Seat hat bereits einen Teil dieses EU-Geldes zur Voraussetzung dafür gemacht, dass sie in Spanien elektrobetriebene Kleinwagen produziert.

Kleinstunternehmen sollen sich digitalisieren und stärker wachsen

6,8 Milliarden Euro sollen in die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden und den nachhaltigen Städtebau fließen, 4,7 Milliarden in die Digitalisierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. „Damit sie wachsen und sich internationalisieren“, so Sánchez. Die Dominanz von Kleinstunternehmen ist ein wichtiger Grund dafür, dass Spaniens Wirtschaft zu den unproduktivsten der EU gehört. Sánchez nannte die niedrige Produktivität die „Achillesferse“ der Wirtschaft und den Grund für die im europäischen Vergleich niedrigen Gehälter in Spanien. 

Insgesamt sieht der Plan Investitionen in Höhe von 70 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren vor. Das entspricht der Summe, die Spanien von der EU als nicht rückzahlbare Transfers erwartet. 39 Prozent des Geldes sollen in die ökologische Wende fließen und 29 Prozent in die Digitalisierung – und damit in die Bereiche, die die EU fördern will. 10,5 Prozent der gesamten Investitionen will Sánchez in das Bildungssystem investieren. Es gehe nicht nur darum, mit den EU-Geldern das Wachstum anzukurbeln, sagte Sánchez. „Sondern wir geben damit unserem Wirtschaftssystem auch die Gelegenheit, die Investitionen anzuschieben, die in den kommenden Jahren die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen werden.“ So soll Spanien etwa zum führenden Land bei erneuerbaren Energien werden.

EU-Gelder sollen Defizite des Wirtschaftsmodells beseitigen

Spaniens Wirtschaft weist seit Jahren erhebliche Defizite auf. Neben der geringen Produktivität leidet das Land unter der höchsten Schulabbrecherquote aller Mitgliedsländer sowie einer Jugendarbeitslosigkeit, die Ende 2020 mit 41 Prozent mehr als doppelt so hoch war wie der EU-Durchschnitt. Ein Viertel aller Arbeitsverträge ist zeitlich befristet – mehr als in jedem anderen Land der EU. 
Das Ziel des europäischen Wiederaufbaufonds ist es, solche bestehenden Defizite zu beseitigen und langfristig das Wachstumspotenzial zu erhöhen. Sánchez geht davon aus, dass sein Plan ab dem Jahr 2030 das Wachstumspotenzial um zwei Prozent erhöhen wird.

Doch das sei allein mit Investitionen nicht zu schaffen, mahnen Ökonomen. „Damit das Wachstumspotenzial um zwei Prozent steigt, sind die Reformen viel wichtiger als die Investitionen“, sagt Raymond Torres, Chef für Konjunkturanalyse bei der Stiftung der spanischen Sparkassen, Funcas. Zwar habe die Regierung einige Neuregelungen wie die Einführung einer dualen Ausbildung oder eine Reform der bislang völlig unzureichenden Arbeitsvermittlung beschlossen. „Aber in den wichtigen und umstrittenen Bereichen wie der Reform des Arbeitsmarktes, des Rentensystems und der Fiskalpolitik gibt es noch keinen Plan“, so Torres. Dabei drängt die Zeit: Bis Ende April müssen alle EU-Mitglieder ihre Pläne bei der Kommission eingereicht haben. Die hat dann zwei Monate Zeit, sie zu prüfen.

EU erwartet eine Arbeitsmarktreform – doch die gibt es noch nicht

Der Vizechef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, hat erst Ende März in der spanischen Zeitung „El País“ klargestellt: „Eine umfassende und ehrgeizige Reform des Arbeitsmarktes ist die erste Priorität.“ Doch bis Ende April dürfte es in Spanien nicht zu einer Einigung kommen – derzeit verhandeln die Sozialpartner noch.

Immerhin: „Es gibt in Spanien auch jenseits der EU-Gelder einen Konsens darüber, dass grundlegende Reformen nötig sind. Die Pandemie ist bereits die zweite riesige Krise in wenigen Jahren“, sagt Torres. Gekoppelt mit dem Geld und einem gewissen Druck aus Brüssel glaubt er, dass „es jetzt etwas wahrscheinlicher ist als bisher, dass strukturelle Reformen auch umgesetzt werden“.

Spaniens Wirtschaft ist durch die starke Abhängigkeit vom Tourismus im vergangenen Jahr am stärksten von allen entwickelten Wirtschaftsnationen eingebrochen. Das Minus lag bei elf Prozent. Spanien wird nach den Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) deshalb zusammen mit den USA auch das Land sein, das in diesem Jahr mit am stärksten wächst. Der Währungsfonds rechnet für beide Nationen mit 6,4 Prozent.

Die spanische Regierung hat allerdings ihre Erwartungen in der vergangenen Woche deutlich gesenkt. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño erklärte, die Erholung verzögere sich um ein Quartal, da die dritte Corona-Welle sowie ein Schneesturm im Januar die spanische Wirtschaft zum Jahresauftakt gebremst hätten. Die Regierung rechnet nun mit einem Wachstum von 6,5 Prozent. Zuvor hatte sie 9,8 Prozent erwartet – 2,6 Prozentpunkte davon sollten auf die Effekte der EU-Milliarden entfallen.

Mehr: Krise in Spanien: Warum EU-Milliarden allein nicht zu Wachstum führen

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