Euro-Finanzministertreffen Gaspreiskrise: Frankreichs Energie-Schecks könnten zum Vorbild in der EU werden

Trotz der vielen Kernkraftwerken wird der Strom für die Franzosen sehr teuer.
Luxemburg Den Auftritt des Abends beim Treffen der Euro-Finanzminister hatte Christian Zinglersen. Zinglersen ist Chef einer Behörde, von der die Öffentlichkeit nicht viel weiß, nämlich der „EU-Agentur für die Kooperation der Energieregulierer“, kurz ACER. Er sollte den Ministern der Eurogruppe die Fragen beantworten, zu denen ihnen selbst bislang nicht viel einfällt: Warum steigen die Gaspreise so stark? Und was kann man dagegen tun?
Zinglersen hatte gute Nachrichten dabei. Er sieht die gestiegenen Gaspreise als etwas Vorübergehendes. Dass die Preise nach dem Winter wieder fallen werden, ist ohnehin zu erwarten. Die Kurven, die Zinglersen präsentierte, zeigen aber auch, dass sie in den Jahren danach nicht mehr das gleiche Niveau erreichen.
Grundlage für diese Vorhersage ist die Analyse, dass derzeit einige Sonderfaktoren auf den Preis wirken, die unglücklicherweise gleichzeitig aufgetreten sind. Der wichtigste sei die vorübergehend krass gestiegene Nachfrage, vor allem in Asien, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Der zweite seien Verzögerungen bei Infrastrukturprojekten. Nur 20 Prozent des Preisanstiegs sei auf die Preise im Emissionshandel zurückzuführen – also ein Resultat einer politischen Entscheidung.
Für die Regierungen bedeutet das: Kurzfristige Maßnahmen gegen die Krise sind kein Aktionismus, sondern angemessen. Für eine Situation, die in einigen Monaten ohnehin vorbei ist, muss man seine Energiepolitik nicht grundsätzlich in Frage stellen.
Zum Vorbild könnte darum etwa die Maßnahme Frankreichs werden, Geld an einkommensschwache Haushalte auszuzahlen, damit sie sich die gestiegenen Energiepreise leisten können. In Zinglersen Präsentation werden neben Steuersenkungen vor allem soziale Maßnahmen vorgeschlagen, die unabhängig von den Energiepreisen sind. Denn diese vermeiden das Dilemma: Dass nämlich die Preissignale des Marktes erhalten werden sollen. Wenn der Energiepreis hoch ist, gibt das ja auch einen Anreiz, effizient mit Energie umzugehen oder in neue Technik zu investieren. „Vorübergehend und gezielt“ sollten die Maßnahmen sein und außerdem im Einklang mit dem grünen Umbau der Wirtschaft, sagte Gentiloni. Das trifft auf solche Auszahlungen zu.
Die Sitzung der Eurogruppe diente auch dem Erfahrungsaustausch zu solchen Maßnahmen. Die EU-Kommission will auf dieser Grundlage eine „Toolbox“ vorstellen, die jene geeignete Werkzeuge definiert, mit denen sich die Gaspreiskrise abmildern lässt. Ursprünglich sollte sie in dieser Woche vorgelegt werden, jetzt ist von nächster Woche die Rede. Es stecke viel Arbeit darin, so Kommissar Gentiloni. Die Kommission versuche, neue Lösungen anzubieten, die über die traditionellen Antworten hinausgingen. Auch die Vorschläge aus Frankreich und Spanien würden dazu geprüft.
Auch Maßnahmen für Unternehmen geplant
Auch an Unternehmen soll gedacht werden. Eurogruppenchef Paolo Donohoe wies darauf hin, dass insbesondere kleine und mittlere Firmen betroffen seien. Ihnen müsse schon darum geholfen werden, damit die Energiepreise nicht den wirtschaftlichen Aufschwung bremsen.
Besonders nachdrücklich verlangte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire europäische Antworten. Er verkündete vor dem Treffen eine andere Analyse: Die hohen Preise seien keine Sache von Monaten, sondern von Jahren. Sein Ziel ist, die Strompreise in Frankreich vom Gaspreis zu entkoppeln. Da sich die Franzosen vor allem mit Atomstrom versorgen, sind sie eigentlich kaum abhängig von Gas. Doch Elektrizität wird europaweit gehandelt, darum zahlen nun auch französische Verbraucher hohe Strompreise.
Le Maire hat auch nicht die Zeit, ein sinken der Preise im Frühjahr abzuwarten. Im April wird in Frankreich gewählt. Sein kämpferischer Auftritt in Luxemburg zeigte, dass sich die Regierung das Thema nicht von ihren Konkurrenten aus der Hand nehmen lassen möchte. Auf die Frage, ob Markteingriffe wirklich nötig seien, entgegnete er: „Sagen Sie das mal den Familien, die jetzt 400 oder 500 Euro mehr pro Jahr für ihren Strom ausgeben müssen“.
Nicht auszuschließen ist also, dass es nicht bei kurzfristigen Maßnahmen bleibt, sondern die Krise zum Anlass genommen wird, grundsätzliche Änderungen am Energiemarkt vorzunehmen. Der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war damit gescheitert, eine Energieunion herzustellen, bei der die Regulierung von Strom und Gas EU-weit vereinheitlicht wird. Seitdem geht es nur in Trippelschritten voran.
Der zerstückelte europäische Energiemarkt sei eine Bremse für das Klimaschutzpaket, sagte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber dem Handelsblatt. „Wir brauchen mehr Integration am Energiemarkt, das bedeutet: bessere grenzüberschreitende Verbindungen der Netze, technische und regulatorische Harmonisierung und eine Überprüfung des Wettbewerbsrechts.“
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