Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Europawahl Verfassungsrichter kippen Sperrklausel

Gute Nachricht für kleine Parteien: Die Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl ist verfassungswidrig – weil sie gegen die Chancengleichheit verstößt. Die großen Parteien reagierten mit Kritik auf das Karlsruhe-Urteil.
26.02.2014 Update: 26.02.2014 - 12:20 Uhr 41 Kommentare

Hoch lebe die Demokratie!

Karlsruhe/Berlin Die Chancen kleiner Parteien bei der kommenden Europawahl haben sich in Deutschland mit einem Schlag drastisch erhöht. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am Mittwoch auch die neue Drei-Prozent-Hürde im deutschen Europawahlrecht für verfassungswidrig. Diese Sperrklausel war im Oktober 2013 eingeführt worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im November 2011 die damals geltende Fünf-Prozent-Hürde für nichtig erklärt hatte.

Mit der leicht abgesenkten Schwelle sollten nur jene Parteien ins EU-Parlament einziehen können, die mindestens drei Prozent der Wählerstimmen erreichen. Doch aus Sicht der Karlsruher Richter verstößt auch die Drei-Prozent-Hürde „unter den gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen“ gegen die Grundsätze der Chancengleichheit der politischen Parteien und der Wahlrechtsgleichheit. Das Prinzip der Wahlrechtsgleichheit besagt, dass grundsätzlich jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben muss.

Bei der nächsten Europawahl am 25. Mai 2014 wird in Deutschland damit – anders als in den meisten anderen EU-Ländern – voraussichtlich gar keine Sperrklausel gelten. Gegen die Drei-Prozent-Hürde hatten zahlreiche kleine Gruppierungen vor dem Verfassungsgericht geklagt, darunter die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Freien Wähler, die Piratenpartei und die rechtsextreme NPD. Die Entscheidung fiel denkbar knapp mit fünf zu drei Richterstimmen.

Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Thorsten Wirth, sagte am Mittwoch, mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei gewährleistet, „dass bei der kommenden Europawahl nicht wieder - wie vor fünf Jahren - ein erheblicher Teil der Wählerstimmen unter den Tisch fällt“. Sebastian Frankenberger, Bundesvorsitzender und Europakandidat der ÖDP, teilte mit: „Das Urteil der Bundesverfassungsrichter stärkt die Demokratie“. Auch der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, begrüßte die Entscheidung. „Die 3-Prozent-Hürde für die Europawahl ist Geschichte. Das ist gut so“, teilte Riexinger via Twitter mit. „Zugangshürden für Parlamente sind Demokratiehürden. Wir freuen uns.“

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. Er „nehme das Urteil zur Kenntnis“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Das Wahlrecht müsse nach der Entscheidung bis zur Europawahl am 25. Mai nicht geändert werden. Aus seiner Sicht habe man mit Sperrklauseln bei Wahlen gute Erfahrungen gemacht, sie stärkten die Handlungsfähigkeit der Parlamente, sagte der Chef des Verfassungsressorts weiter. Sie hätten sich insbesondere bei Bundestagswahlen bewährt. Der Chef des zweiten Verfassungsressorts, Justizminister Heiko Maas (SPD), hob hervor, dass laut Gericht Schutzklauseln weiterhin grundsätzlich möglich seien. Karlsruhe unterscheide hier zwischen Europaparlament und anderen Parlamenten wie dem Bundestag und den Landtagen.

CDU und CSU im EU-Parlament kritisierten dagegen das Urteil umgehend. Das Gericht habe die Chance verpasst, die neuen Realitäten in Europa anzuerkennen, erklärten der Vorsitzende und der Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe, Herbert Reul und Markus Ferber am Mittwoch. Die Legitimation der EU sei mit dem Vertrag von Lissabon schon sehr weit vorangeschritten. Es gebe in allen großen EU-Ländern aus guten Gründen Sperrklauseln. „Nun müssen wir mit den Urteil leben und auch damit, dass wir Splitterparteien und radikale Kräfte aus Deutschland im EU-Parlament haben werden. Das ist keine sehr angenehme Situation.“

Verärgert reagierte auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn: „Es gibt Tage, da möchte man mal die Wahl von Verfassungsrichtern diskutieren“, schrieb er bei Twitter. Der Vorsitzende der Berliner SPD, Jan Stöß, sieht nun die Extremisten gestärkt. „Wir kämpfen trotzdem, um NPD & Populisten rauszuhalten“, erklärte das SPD-Bundesvorstandsmitglied auf Twitter.

Hälfte der EU-Staaten hat keine Sperrklausel
Seite 12Alles auf einer Seite anzeigen
Mehr zu: Europawahl - Verfassungsrichter kippen Sperrklausel
41 Kommentare zu "Europawahl: Verfassungsrichter kippen Sperrklausel"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Und wenn diese Schieflage beseitigt werden würde was würden Sie sich davon versprechen?

  • "One man, one vote" Das EU-Parlament ist Lichtjahre weit entfernt von dieser fundamentalen Regel. Das ist viel schlimmer als eine Sperrklausel von x %.

    Wenn man nachrechnet kommt man auf 97 Sitze, die im EU-Parlament 'schief' verteilt sind. Das sind mehr als die 96 Sitze Deutschlands. Das bedeutet, daß die den anderen Staaten zugeschanzten Sitze ausreichen, D zu überstimmen. Das ist vielleicht etwas weit hergeholt, macht aber die Schieflage umso besser deutlich.

  • Bronzewalter
    völlige Zustimmung
    Die Richtr fürVerf.-Gericht müßten vom deutschen Richterbund ernannt werden, dafür haben wir ja so etwas.
    Es kann aber nicht gehen, dass die Politik da ihre braven und gehorsamen Vasallen hinschickt

  • Endlich mal wieder ein gutes Urteil
    Die letze Zeit konnte man ja zweifeln, ob das Bundesverf.-Gericht noch deutsche Interssen vertritt.
    Nun muß zur nächsten Bundestagswahl auch die 5%-Hürde fallen

  • Ich würde mir eine 0% Wahlbeteiligung bei allen Wahlen wünschen. Für ein System welches ich für nicht legitim halte gebe ich nicht meine Stimme ab. Damit erkenne ich das was ist an.

    Wer seine Stimme bei einer Wahl abgibt hat kein Recht mehr sich zu beschweren weil in unserem System keine nachträgliche Korrektur durch den Souverän vorgesehen ist. Dies erkenne ich also mit dem Abgeben meiner Stimme an und erkenne an das ich der Willkür der Gewählten nach der Wahl ausgeliefert bin. Wer das noch nicht verstanden hat dem ist zu helfen. Einfach schauen was erzählt wird und was getan wird und wie sich die Positionen ändern.

    Wahlversprechen sind kein Vertrag! Die Gewählten können tuen und lassen was sie wollen. Gesetze sind dabei völlig egal, nur der dumme Plebs könnte wenn man es zu wild öffentlich treibt aufmucken. Daher wird das TTIP auch hinter verschlossenen Türen verhandelt.

    Diese Aufrechterhaltung der Hoffnung auf neue Wahlen, auf Gerichtsentscheide usw. ist ein Spiel auf Zeit was niemals zum Ziel führt, sonst wäre es verboten. Der Durchschnittsbürger hat keine Ahnung und eine Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege. Daher kann diese Spielerei bis in alle Ewigkeit aufrecht erhalten werden.

    Es spielt keine Rolle wo die Hürde zu irgend einem Parlament liegt. Gerade das EU Parlament ist nur eine Quasselbude.

    Die parlamentarische Parteiendemokratur ist der Untergang der Völker.

  • Ich würde mir eine 0% Wahlbeteiligung bei allen Wahlen wünschen. Für ein System welches ich für nicht legitim halte gebe ich nicht meine Stimme ab. Damit erkenne ich das was ist an.

    Wer seine Stimme bei einer Wahl abgibt hat kein Recht mehr sich zu beschweren weil in unserem System keine nachträgliche Korrektur durch den Souverän vorgesehen ist. Dies erkenne ich also mit dem Abgeben meiner Stimme an und erkenne an das ich der Willkür der Gewählten nach der Wahl ausgeliefert bin. Wer das noch nicht verstanden hat dem ist zu helfen. Einfach schauen was erzählt wird und was getan wird und wie sich die Positionen ändern.

    Wahlversprechen sind kein Vertrag! Die Gewählten können tuen und lassen was sie wollen. Gesetze sind dabei völlig egal, nur der dumme Plebs könnte wenn man es zu wild öffentlich treibt aufmucken. Daher wird das TTIP auch hinter verschlossenen Türen verhandelt.

    Diese Aufrechterhaltung der Hoffnung auf neue Wahlen, auf Gerichtsentscheide usw. ist ein Spiel auf Zeit was niemals zum Ziel führt, sonst wäre es verboten. Der Durchschnittsbürger hat keine Ahnung und eine Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege. Daher kann diese Spielerei bis in alle Ewigkeit aufrecht erhalten werden.

    Es spielt keine Rolle wo die Hürde zu irgend einem Parlament liegt. Gerade das EU Parlament ist nur eine Quasselbude.

    Die parlamentarische Parteiendemokratur ist der Untergang der Völker.

  • Jens Spahn ist 2002, 2005, 2009 und 2013 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Steinfurt I – Borken I in den Bundestag eingezogen. Er hat also jedes mal von den Bürgern seines Wahlkreises mehr Stimmen als jeder andere Direktkandidat bekommen. Hatten seine Wähler nur keine bessere Auswahl?

  • "Das Gericht habe die Chance verpasst, die neuen Realitäten in Europa anzuerkennen".
    Wieso soll das Gericht geschaffene Realitaeten denen jegliche Legitimität fehlt anerkennen.

    „Es gibt Tage, da möchte man mal die Wahl von Verfassungsrichtern diskutieren".
    Diesen Spruch muss man nicht weiter kommentieren.

    Warum werden Politiker, deren Verhalten wiederholt als verfassungswidrig eingestuft wird, nicht bestraft, abgemahnt oder öffentlich verwarnt?

  • "Muttis Liebling" Voßkuhle mit seinem "Kasperle-Theater aus Karlsruhe" hat gesprochen- nur: Was hat das Thema beim BVfG verloren? Dafür ist der EuGH zuständig! Umso befremdender das abgehobene, selbstgefällige und selbstgerechte Auftreten in der Sache. Inhaltlich ist die Entscheidung völlig absurd, weil sie quasi eine Legislative komplett lahmlegt. Denn: Will man etwa italienische Verhältnisse? Alle 2 Wochen eine neue Regierung, weil Regierungen mit Splitterparteien gebildet werden? Kaum schert eine Mini-Partei bei einer Sachfrage aus, schon ist die ganze Regierung am Ende. Man ist nur noch mit Regierungsbildungen beschäftigt, aber nicht mehr mit der Politik selber. Absoluter Stillstand: Siehe Italien. Resume: Voßkuhle hat einmal mehr ein politisch motiviertes Urteil abgesondert, ohne Sachkenntnis und fernab jeglicher Lebenswirklichkeit. Man kann das BVfG schon lange nicht mehr ernstnehmen....

  • Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: „Kommentare sind keine Werbeflächen“ http://www.handelsblatt.com/netiquette

Alle Kommentare lesen
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%