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Waffenexporte Europäische Rüstungsprojekte stellen Deutschland und Frankreich vor neue Herausforderungen

Deutschland und Frankreich wollen im Juni erste Verträge für ein neues Kampfflugzeug unterzeichnen. Doch das ehrgeizige Projekt kann noch scheitern.
24.04.2019 - 03:56 Uhr Kommentieren
Die neuen europäischen Luftwaffen sollen ab 2040 zum Einsatz kommen. Quelle: AP
Deutsches Kampfflugzeug

Die neuen europäischen Luftwaffen sollen ab 2040 zum Einsatz kommen.

(Foto: AP)

Paris, Frankfurt, Berlin Es wird ernst für das ehrgeizigste und teuerste Rüstungsprojekt Europas: Deutschland und Frankreich wollen Mitte Juni vier Verträge mit der Industrie für die Entwicklung des neuen europäischen Kampflugzeug-Systems (FCAS) unterzeichnen.

Die neuen Luftwaffen sollen ab 2040 zum Einsatz kommen und der Branche über die Jahre Umsätze bis zu 500 Milliarden Euro bescheren. Die Europäer wollen sich damit die Möglichkeit sichern, rüstungstechnologisch auf Augenhöhe mit den USA, Russland und China zu bleiben. 

Doch vor dem entscheidenden Schritt zum Beginn der Entwicklungsarbeiten, den die Verteidigungsministerinnen Ursula von der Leyen (CDU) und Florence Parly am 17. Juni auf der Luftfahrtschau in Le Bourget gehen wollen, türmen sich zwei hohe Hürden auf: Noch immer fehlen gemeinsame deutsch-französische Rüstungsexportvorschriften.

Und, aktuell noch schwieriger: Das Konsortium für den Bau eines neuen Panzers sorgt für Konflikte statt für Kooperation. Parly ließ kürzlich durchblicken, dass sie die gewünschten gleichzeitigen Fortschritte bei den Projekten Kampfflugzeug und Panzer als nicht gegeben ansieht.

„Wir wollen in den nächsten Wochen die ersten industriellen Verträge für ein Demonstrationsmodell des neuen Kampfflugzeugs abschließen. Was den Kampfpanzer angeht, steht die Architektur für das Projekt noch nicht, wir arbeiten aber daran“, sagte Parly. Das müsste in den nächsten Wochen oder Monaten geklärt werden.

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Im Juni 2017 hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verabredet, technologisch komplett neue Waffensysteme für Luftwaffe und Heer beider Länder gemeinsam zu entwickeln und später weitere europäische Länder einzubeziehen.

Monatelange Wartezeit

Die geplante Unterzeichnung der Aufträge mit der Industrie in Le Bourget würde es der Industrie ermöglichen, mit den Entwicklungsarbeiten zu beginnen. Die Ingenieure der Flugzeughersteller warten seit Monaten darauf, dass es losgehen kann.

Aussagen aus dem Élysée-Palast lassen nun aber erwarten, dass es womöglich doch noch länger bis zur Auftragsvergabe dauern könnte – weil das parallele Panzerprojekt nicht schnell genug vorankommt. „Für uns ist eine Voraussetzung, dass die Balance beim Verbund der Panzerbauer gewahrt wird“, erfuhr das Handelsblatt aus der französischen Regierungszentrale.

Das sei aber nicht mehr der Fall, wenn zu dem Gemeinschaftsunternehmen von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Nexter wie angestrebt noch Rheinmetall hinzustoße. „Wenn Deutschland das wirklich wünscht, müsste auf französischer Seite etwas hinzukommen, damit das Gleichgewicht wieder stimmt“, erläuterte der Élysée-Insider.

Zusammenschlüsse in der Rüstungsindustrie werden in Frankreich vom Staatspräsidenten entschieden, das Verteidigungsministerium kann sie nur begleiten. Tatsächlich plant Rheinmetall-Chef Armin Papperger mit Blick auf das Panzerprojekt, das Aufträge über 100 Milliarden Euro verheißt, die Übernahme von KMW.

Dabei strebt er die Mehrheit an der deutsch-französischen Holding KNDS an, in der die Anteile von KMW und Nexter gebündelt sind. Als Minderheitseigner wäre der Einfluss der Franzosen geringer als bisher. Die Eigentümer von KMW sind wohl grundsätzlich bereit, ihr Unternehmen an Rheinmetall zu verkaufen.

Bei der Umsetzung der Fusion kommt es aber, wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, immer wieder zu Reibereien: Der forsche Rheinmetall-Chef Papperger will die Konsolidierung der Panzerschmieden energisch vorantreiben.

Der bedächtigere Chef des Mittelständlers KMW, Frank Haun, pocht demnach auf Sorgfalt – und Diplomatie gegenüber dem Partner Nexter. Offiziell äußern wollten sich beide Unternehmen auf Handelsblatt-Anfrage nicht. Bis zu einer Fusion werde es aber noch einige Zeit dauern, hieß es.

Im Verteidigungsministerium würde man eine Konsolidierung unter einer klaren industriellen Führung begrüßen, betont aber, dies sei Sache der Unternehmen. Eine Rheinmetall-Mehrheit an KNDS – in Rede stehen 50 Prozent plus eine Aktie – wird auf deutscher Seite indes nicht als Widerspruch zu den Regierungsvereinbarungen gesehen: Danach übernimmt Frankreich beim Kampfflugzeugsystem FCAS („Future Combat Air System“) die Führung und Deutschland bei den Panzern.

Kommende Woche sind zwischen den Regierungen Gespräche zum weiteren Vorgehen geplant. Beim Kampfflugzeugsystem, das neben einem völlig neuen Flugzeug aus Drohnenschwärmen, Satelliten, Aufklärern und Tankflugzeugen besteht, sind Berlin und Paris schon weiter als beim Panzer.

„Wir haben einen ersten Vertrag über die allgemeine Architektur abgeschlossen, weil die Bedarfe perfekt abgestimmt sein müssen zwischen Deutschland und Frankreich, bevor neue Partner dazustoßen können“, sagte Parly. Mittlerweile hat sich Spanien angeschlossen. 

„Wir wollen in den nächsten Wochen erste industrielle Verträge für den Bau eines Demonstrationsmodells des Kampfflugzeugs unterzeichnen“, sagte Parly dem Handelsblatt. Insgesamt sollen nach Aussagen aus Industriekreisen in Le Bourget vier Verträge unterzeichnet werden: einer mit Dassault über das Flugzeug, einer mit Airbus für die unbemannten Begleitflieger.

MTU und Safran sollen die Motoren entwickeln. Und zudem sollen Airbus sowie voraussichtlich Thales mit der Entwicklung des „System of Systems“, also der Gesamtintegration des Waffensystems, beauftragt werden.  Es wäre die erste Phase, in der beide Staaten relevante Geldbeträge einsetzen müssen, damit die Industrie loslegen kann.

Nicht nur der Streit über das Panzerkonsortium droht nun den Zeitplan zu zerschießen. Im schwelenden Konflikt über die Vorschriften für Rüstungsexporte hat Parly jetzt aber etwas Druck aus dem Kessel gelassen. „Die Exportvorschriften sind noch kein Handicap in dieser Phase“, sagte sie vor Ostern dem Handelsblatt.

Kritik an deutscher Zurückhaltung

In der jüngsten Vergangenheit hatten französische Politiker und Diplomaten harsche Kritik an einer als uneuropäisch empfundenen deutschen Zurückhaltung bei Exporten in Krieg führende Länder wie Saudi-Arabien geübt. Im März hatte die Bundesregierung beschlossen, Lieferungen deutscher Firmen an französische Waffenschmieden befristet wieder zuzulassen, selbst wenn diese die Endprodukte an Saudi-Arabien exportieren.

Parly klingt wohl auch deshalb verbindlicher, lässt in der Sache aber keinen Zweifel aufkommen: „Wir müssen das Thema rasch lösen, weil es verantwortungslos wäre, Milliarden an Euro auszugeben, ohne die Exportvorschriften geklärt zu haben.“

Außerdem sei eine Einigung im neuen Aachener Vertrag über die deutsch-französischen Beziehungen vorgesehen. „Wir verstehen, dass es schwierig ist für die deutsche Regierung, vor allem wegen des Koalitionsvertrags; das ignorieren wir nicht, dennoch müssen wir vorankommen“, verlangte Parly.

Beide Länder stünden vor einem wirtschaftlichen Zwang: „Wir müssen gemeinsam die Kosten für den Endverbraucher senken.“ Das gehe nur durch die Möglichkeit, auch in nichteuropäische Länder zu exportieren, „denn leider ist der europäische Markt zu klein, weil drei Viertel der Europäer amerikanisches Material kaufen“. Die Deutschen sollten nicht vergessen, dass auch Frankreich anspruchsvolle Bedingungen an Rüstungsexporte stelle.

In Frankreich sind Ausfuhren von Waffen prinzipiell untersagt und benötigen jeweils eine spezielle Genehmigung. Dabei ist die Regierung oft großzügig. Parly räumte jetzt erstmals ein, dass französische Waffen im Jemen zum Einsatz kommen.

„Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate werden von Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen. Man kann ihnen nicht verdenken, dass sie sich wehren“, sagte Parly. Ihr lägen jedoch keine Informationen vor, dass mit französischen Waffen Zivilisten getötet würden. „Wir haben kein anderes Ziel, als diesen dreckigen Krieg zu beenden“, beteuerte die Ministerin. Bis vor Kurzem hatte sie versichert, französisches Rüstungsgut finde sich nicht im Jemen.

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