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Ex-Ministerin Annette Schavan Buongiorno, Santo Padre

Die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan war tief gefallen. Seit einem knappen Jahr versucht sie sich zu rehabilitieren – als Botschafterin im Vatikan. Der Job ist wie für sie gemacht. Ein Besuch.
14.06.2015 - 08:18 Uhr Kommentieren
Annette Schavan bei ihrem Antrittsbesuch beim Papst Quelle: Imago/epd-bild, Andreas Fischer
Keine Berührungsängste

Annette Schavan bei ihrem Antrittsbesuch beim Papst

(Foto: Imago/epd-bild, Andreas Fischer)

Rom Sie trägt eine buntgeblümte Seidenbluse, helle lässige Hosen, spitze Pumps. Römischer Chic bei 28 Grad. Eigentlich würde sie gar nicht auffallen, mitten auf dem Petersplatz, zwischen all den Menschen. Am Obelisk aber sprechen die 60-Jährige Touristen an, fragen wie es ihr gefällt, wie sie den Papst findet und ob sie auch glaubt, dass die Vatikanbank Mafiageld wäscht. Die Deutschen erkennen die Bundesministerin a.D.

Annette Schavan bahnt sich den Weg durch die Menge und passiert hinter dem Säulengang die Kontrolle der Schweizer Garde auf das eigentliche Gelände des Vatikans, das nur mit Diplomatenpass zugänglich ist. Links vom Petersdom, ganz in der Nähe des Gästehauses, in dem der Argentinier Jorge Mario Bergoglio als Papst Franziskus Quartier bezogen hat, liegt eine lauschige Zuflucht für deutschsprachige Diplomaten und Besucher: der Friedhof „Campo Santo Teutonico“ mit Kapelle.

Hier in der kühlen Oase besucht Schavan eine Ausstellung, die sie organisiert hat: „Göttlich. Eine fotografische Gegenüberstellung“ heißt sie – und zeigt lachende Nonnen in schwarz-weiß, Vinzentinerinnen aus Untermarchtal, in Nahe Ulm. „Die kenn ich alle persönlich“, sagt Schavan, die acht Jahre für den Wahlkreis Ulm im Bundestag saß. 

Acht Jahre Bundesbildungsministerin

Seit einem knappen Jahr hat die gebürtige Rheinländerin eine neue Aufgabe. Sie ist Botschafterin im Vatikan.

Acht Jahre war sie Bundesbildungsministerin, 14 Jahre CDU-Vize, gefühlte Ewigkeiten Vertraute der Kanzlerin. Dann kam der Absturz. Im Mai 2012 tauchte ein anonymer Hinweis im Netz auf, Schavans Doktorarbeit von 1980 zu „Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ enthalte Plagiate. Sie tat das erst als Unsinn ab, schaffte Gegengutachten heran, unterlag aber am Ende doch: Die Universität Düsseldorf erkannte den Titel ab. Schavan trat zurück.

Als sie ihre letzte Rede im Parlament hielt, erhoben sich die Abgeordneten aller Parteien und applaudierten. Manche in Berlin sagen, Schavan sei auch stellvertretend für andere zurückgetreten. Für Norbert Lammert etwa, oder Frank-Walter Steinmeier, deren Doktortitel später ebenso in die Kritik gerieten, aber nicht aberkannt wurden. Vielleicht, weil das Thema schlicht durch war. Vielleicht weil die Öffentlichkeit – ähnlich wie bei Christian Wulff – erschrocken war, welche Dynamik eine Mediengesellschaft entwickeln kann. Denn anders als Verteidigungsminister Franz Josef Jung, der wegen eines verheerenden Luftangriffes in Kunduz gehen musste, anders als Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich, der über die Edathy-Affäre stolperte, beide zur Zeit der Verfehlung gefestigt im Politbusiness, ging es bei Schavan um eine Promotion, geschrieben im zarten Alter von 25.

Versuch der Rehabilitation

Von all dem ist hier, in der Frühlingssonne Roms, nichts zu spüren. Der diplomatische Posten ist der Versuch der Rehabilitation. Angela Merkel persönlich hatte sich mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und SPD-Chef Sigmar Gabriel geeinigt, dass Schavan den Botschafterjob im Vatikan bekommt, den ihr Vorgänger altershalber aufgab.

Sie hat italienisch gelernt, ist schlanker geworden. Die Haare sind in der Zeit der Krise weiß geworden, aber das stört sie nicht. Schavan scheint angekommen im neuen Job. Es gefällt ihr, sich hier, fern der Heimat, um Gäste zu kümmern.

Schavan betrachtet die Fotos und sagt zu einem Pfarrer aus Franken, der so mutig war, die „Frau Botschafterin“ anzusprechen: „Sieht doch klasse aus: Hinten die Grabplatten, rechts und links lachende Nonnen und in der Mitte der leidende Jesus.“ Der Pfarrer ist unsicher, denn für diesen Blick müsste er – verbotenerweise – dem Altar den Rücken zuwenden. „Ach was“, beruhigt ihn Schavan, „das gilt doch nur für den Tabernakel“. 

Schavan ist wie gemacht für den Job

Sie zündet noch schnell eine Kerze für die verstorbene Mutter eines Freundes an und nimmt den Pfarrer mit in den Petersdom. Sie zeigt ihm, wo das diplomatische Corps sitzt, wenn zur Messe Bänke aufgestellt werden: Direkt unterhalb der Kuppel schräg links vor dem Papstaltar, unter dem laut Überlieferung das Grab des heiligen Petrus liegt.

Schavan genießt die Rolle der gläubigen Gastgeberin. Sie ist wie gemacht für den Job. Sie war die erste in der Familie, die studierte. Sie reüssierte als ledige Rheinländerin im konservativen Schwaben, schaffte es in der männerdominierten CDU ganz nach oben, sekundierte bei Merkels Aufstieg, wurde „Die Vertraute der Kanzlerin“. Unvergessen das Foto, auf dem beide grinsend – vermutlich – die SMS vom Rücktritt Karl-Theodor zu Guttenbergs lesen.

Doch genau wie in der Politik ist Schavan tief verwurzelt in der katholischen Kirche, hat neben Erziehungswissenschaften und Philosophie auch Katholische Theologie studiert, arbeitete im Generalvikariat Aachen, leitete die bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk und war Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

„Es schließt sich ein Kreis“

„In meinem Leben schließt sich ein Kreis“, sagt sie. „Zu meinen Studienzeiten war die Kirche in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils im Aufbruch – das ist jetzt wieder so.“ Papst Franziskus krempelt die Kirche kräftig um: Er hat Mafiosi exkommuniziert, der Geldwäsche in der Vatikanbank den Kampf angesagt und dem Pomp abgeschworen.

Beflügelt erwägen nun sogar die deutschen Bischöfe, Geschiedene und Verpartnerte Homosexuelle nicht länger automatisch zu kündigen – und sogar Gewerkschaften zu erlauben. 

Den Papst hat Schavan in den vergangenen Monaten mehrfach getroffen. Berührungsängste kennt die Botschafterin da nicht. „Buon Giorno, Santo Padre“, hat sie beim Antrittsbesuch im September 2013 gesagt. Und er, er habe schlicht „Guten Tag“ geantwortet.

Zuvor hatte Kurienerzbischof Georg Gänswein sie durch den Petersdom geleitet, wo eine überraschende Aufgabe auf die Neu-Diplomatin wartete: An drei eigens aufgestellten Bänken musste sie – wie alle katholischen Diplomaten – zum Beten niederknien. 40 Minuten unterhielten sie sich danach, die Rheinländerin und der Argentinier. Über die Zukunft der jungen Generation, Verantwortung in Europa, das Verhältnis von Politik und Religion. 

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