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Ex-US-Botschafter im Interview John Kornblum: „Die Welt ist durch Trump gefährlicher geworden“

Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland sieht Amerika und den Westen nach vier Jahren unter US-Präsident Donald Trump tief gespalten.
23.01.2020 - 15:37 Uhr Kommentieren
Gefragter Gesprächspartner zwischen Berlin und Tennessee. Quelle: Steffen Roth für Handelsblatt
Ex-Botschafter John Kornblum

Gefragter Gesprächspartner zwischen Berlin und Tennessee.

(Foto: Steffen Roth für Handelsblatt)

Berlin Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, hat eine kritische Bilanz der ersten Amtszeit von Donald Trump gezogen. „Die Wirtschaftsdaten sind nicht schlecht. Viele der neuen Jobs sind allerdings sehr schlecht bezahlt“, sagt Kornblum in Interview mit dem Handelsblatt. „Gerade der unteren Mittelschicht in Michigan oder Ohio, die Trump 2016 für sich mobilisieren konnte, geht es nicht so gut“, so Kornblum mit Blick auf die amerikanische Wirtschaft.

Als Note für die Wirtschaftspolitik würde der ehemalige Diplomat dem US-Präsidenten nur eine Drei geben, weil er die Ursachen der wirtschaftlichen Probleme nicht angepackt habe. „Trump hat zu wenig in Ausbildung und Infrastruktur investiert. Seine Steuersenkungen haben vor allem den Reichen genutzt. Und seine Handelspolitik hat vielen Unternehmen geschadet.“

Trump habe zudem mit seiner unberechenbaren, nationalistischen Außenpolitik dazu beigetragen, dass die Welt heute gefährlicher geworden sei. Darüber hinaus erwartet Kornblum ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Präsidentschaftswahlen im November.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Botschafter, Präsident Trump hat zu Beginn des Wahljahres eine Zustimmungsrate bei den Amerikanern von rund 44 Prozent. Reicht das für eine Wiederwahl im November?
Das ist weniger, als sein Vorgänger Obama zu diesem Zeitpunkt hatte, aber die Zustimmung ist nicht so gering, dass eine Wiederwahl ausgeschlossen wäre. Wichtiger für ihn ist ohnehin das Wahlkollegium („electoral college“), das sich aus den Wahlleuten der Bundesstaaten zusammensetzt.

Und hier kommt es auf die besonders umkämpften „Swing States“ an.
Ja genau. Bei der letzten Wahl konnte Trump viele kleine Bundesstaaten sowie Florida und einige große industriell geprägte Staaten wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania gewinnen, und das reichte. Im Moment gibt es in diesen „Swing States“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den demokratischen Herausforderern.

US-Wirtschaft und Börse boomen. Wird das für Trump den Ausschlag geben?
Die Wirtschaftsdaten sind nicht schlecht. Viele der neuen Jobs sind allerdings sehr schlecht bezahlt. Gerade der unteren Mittelschicht in Michigan oder Ohio, die Trump 2016 für sich mobilisieren konnte, geht es nicht so gut.

Glaubt man den Umfragen, halten dennoch viele dieser sogenannten „Blue Collar“-Arbeiter dem Präsidenten die Treue. Warum?
Das liegt unter anderem daran, dass sich diese Menschen von den US-Demokraten nicht mehr vertreten fühlen. Ähnlich wie die SPD in Deutschland oder die Labour-Partei in Großbritannien haben auch die Demokraten in den USA ihre Rolle als Partei der kleinen Leute aufgegeben.

Hat das vor allem wirtschaftliche oder eher kulturelle Gründe?
Beides, aber vermutlich mehr kulturelle Ursachen. Für viele einfachen Leute geht der gesellschaftliche Wandel zu schnell, sie sehen ihre Lebenswelt durch neue progressive Lebensweisen bedroht. Die amerikanische Gesellschaft ist heute egalitärer, weniger rassistisch, die Frauen spielen eine viel wichtigere Rolle.

Welche Note würden Sie Trumps Wirtschaftspolitik geben?
Ich würde ihm nur eine Drei geben, weil er die Ursachen der wirtschaftlichen Probleme nicht angepackt hat. Trump hat zu wenig in Ausbildung und Infrastruktur investiert. Seine Steuersenkungen haben vor allem den Reichen genutzt. Und seine Handelspolitik hat vielen Unternehmen geschadet. Viele Amerikaner sehen das allerdings anders, sodass der Präsident mit den Themen Wirtschaft und Handel im Wahlkampf vermutlich punkten kann.

Die USA haben jetzt die erste Phase eines neuen Handelsabkommens mit China vereinbart. Ist das ein Erfolg für Trumps Handelspolitik?
Man muss ihm zugutehalten, dass er die Aufmerksamkeit auf die Handelsungleichgewichte mit China und die unfairen Handelspraktiken der Chinesen gelenkt hat. Ich bezweifle aber, dass er dafür einen Handelskrieg vom Zaun hätte brechen müssen. Zudem hat sein aggressives Vorgehen den amerikanischen Farmern schwer geschadet und auch vielen Industriebetrieben, die durch die Strafzölle höhere Importkosten schultern müssen.

In der Außenpolitik hat Trump Verbündete wie Gegner gleichermaßen erschreckt – zuletzt im Iran. Kann er sich mit dieser Schocktherapie durchsetzen?
Trump hat das Atomabkommen mit dem Iran in dem Glauben aufgekündigt, dass er einen besseren Deal aushandeln könne. Er ist ein Immobilienunternehmer und betreibt Außenpolitik, als ob es sich um Immobiliendeals handeln würde. Dabei geht der Präsident sehr aggressiv vor und setzt darauf, dass er am Ende gewinnen wird. Das gilt für Nordkorea, China, Europa und den Nahen Osten – immer hat Trump versucht, mit seinen Kontrahenten einen Deal zu machen. Nicht immer hat das geklappt.

Zugleich hat er den Amerikanern versprochen, sich aus den Krisenregionen der Welt zurückzuziehen. Dient das langfristig den Interessen der USA?
Trump hat eine Entwicklung fortgesetzt, die schon Obama begonnen hatte. Syrien hat er den Russen überlassen, obwohl die dort keine gute Rolle spielen. Dass er dies oft im Alleingang macht, ohne die Verbündeten der USA einzubinden, ist selbst in seiner eigenen Partei umstritten.

Auch wenn Trump verlieren sollte, bleibt das Land zutiefst gespalten.

Widerspricht der Anschlag auf den iranischen General Soleimani dem Rückzugsversprechen?
Nicht unbedingt. Trump hat immer wieder betont, dass kein Land Amerika bedrohen oder herumschubsen dürfe. Dazu passt die jüngste Militäraktion. Auf diese Weise will er die Iraner auch zum Einlenken im Atomstreit bewegen. Ich glaube allerdings, dass er damit falsch liegt.

Im Verhältnis zu Europa hat er eine stärkere Lastverteilung in der Nato durchgesetzt. Ist das aus Ihrer Sicht ein Erfolg?
Seit Clinton drängen alle US-Präsidenten die Europäer, mehr Verteidigungslasten zu übernehmen. Als ich mit den Europäern vor 25 Jahren darüber sprach, ging es sogar um drei Prozent und nicht wie jetzt um zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Trump hat es nun geschafft, dass einige europäische Länder mehr für ihre Sicherheit ausgeben, aber es gibt keinen transatlantischen Konsens mehr über den Einsatz von militärischer und diplomatischer Macht. Sein Fokus auf das Geld hat die Allianz strategisch geschwächt.

Sind die USA, ist die Welt durch Trumps Außenpolitik sicherer geworden?
Trump hat mit seiner unberechenbaren, nationalistischen Außenpolitik dazu beigetragen, dass die Welt heute gefährlicher geworden ist.

Wer von den Demokraten kann Trump im November schlagen?
Ich unterstütze Joe Biden, aber noch ist es zu früh, einen eindeutigen Favoriten zu erkennen. Viele Kandidaten versuchen sich dadurch von Trump zu unterscheiden, dass sie politisch weit nach links rücken. Elisabeth Warren und Bernie Sanders sind zwei Beispiele, und sie haben sehr engagierte Anhänger. Man muss sie deshalb sehr ernst nehmen. Die große Mehrheit der Amerikaner, auch viele Afroamerikaner und Latinos unterstützen die linken Positionen allerdings nicht.

Warum ist Biden die bessere Wahl?
Er kommt aus einer Arbeiterfamilie und ist auch für die einfachen Leute attraktiv. Zudem bekommt er viel Unterstützung von Afroamerikanern und Latinos.

Was würde es für die Welt bedeuten, wenn Trump im November gewinnt.
Trump würde außenpolitisch seine nationalistische Politik fortsetzen und innenpolitisch Amerika noch weiter polarisieren. Länder wie Deutschland sollten sich aber auch in diesem Fall nicht von Amerika abwenden und nach neuen Partnern suchen. Das wäre ein fataler Fehler.

Und wenn Trump verliert?
Auch wenn er verlieren sollte, bleibt das Land zutiefst gespalten. Die Ursachen für seinen Wahlsieg 2016 sind immer noch nicht behoben. Ein demokratischer Präsident oder eine Präsidentin müsste also zunächst versuchen, das Land wieder zusammenzuführen.

Herr Botschafter, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Wie Ivanka Trump die Politik ihres Vaters weiterdenkt.

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