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Exportstopp-Drohung Warum die EU den Impfstoff-Streit mit Großbritannien eskaliert

Von der Leyen droht, kein Vakzin mehr auf die Insel zu lassen – ein Verhalten „wie von Gangstern“, heißt es in London. Doch die EU wähnt sich am längeren Hebel.
18.03.2021 - 16:16 Uhr Kommentieren
Die Kommissionspräsidentin will keine Mittel ausschließen, wenn es darum geht, Druck auf Impfstoff produzierende Staaten auszuüben. Quelle: REUTERS
Ursula von der Leyen

Die Kommissionspräsidentin will keine Mittel ausschließen, wenn es darum geht, Druck auf Impfstoff produzierende Staaten auszuüben.

(Foto: REUTERS)

Brüssel, London Ein einziges Mal hat die EU bisher den Export von Impfstoffen untersagt. Sie blockierte eine Lieferung des Herstellers Astra-Zeneca nach Australien mit der Begründung, dass das Unternehmen seine Lieferverträge mit der EU nicht einhält.

Die Drohung, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch aussprach, geht weit darüber hinaus. Sie kündigte an, Lieferungen in Länder zu hinterfragen, die ihrerseits keine Impfstoffexporte zulassen. Gemeint ist damit Großbritannien.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Begründungen für Exportverbote: Im ersten Fall zielt die EU auf eine vertragsbrüchige Firma. Im zweiten Fall zielt sie auf einen Staat.

Der Ärger in der EU ist gewaltig. „Wir wollen eine gute partnerschaftliche Nachbarschaft“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary dem Handelsblatt. „Aber zum Deppen lassen wir uns nicht machen.“

Der Ansatz der Kommission sei, dass die Pandemie am besten gemeinsam bekämpft werde. „Leider sehen das Länder wie die USA und auch das Vereinigte Königreich offensichtlich anders“, sagte Caspary.

Warum Astra-Zeneca Großbritannien zuverlässiger beliefert als die EU, hat der Konzern nie schlüssig erklärt. London pocht genau wie Brüssel auf die Einhaltung der Lieferverträge.

Ein offizielles Exportverbot gibt es nicht. Dass die Regierung die Ausfuhr von Impfdosen auf andere Weise verhindere, bestreitet sie.

Entsprechend heftig reagierte die britische Regierung auf die Attacke von der Leyens. „Ich bin überrascht, dass wir diese Diskussion führen“, sagte Außenminister Dominic Raab. So etwas würden normalerweise „Länder mit weniger demokratischen Ansichten“ betreiben. Außerdem hätten ihm der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und EU-Kommissar Valdis Dombrovskis versichert, dass sie von keinem Plan für ein Exportverbot wüssten.

Wohnungsminister Robert Jenrick sagte im Sender „Sky News“, er sei „enttäuscht“ von der EU. Von der Leyen habe Boris Johnson vor Kurzem noch persönlich zugesichert, dass Verträge eingehalten würden. „Wir erwarten, dass die EU sich an die Abmachung hält.“ Alle Beteiligten brauchten „freien Handel mit Impfstoffen“.

Und der konservative Abgeordnete David Jones, einer der Brexit-Hardliner in der Unterhausfraktion, sagte dem „Daily Telegraph“: „Diese Art von Verhalten würde man von Gangstern erwarten, nicht von einer respektablen internationalen Organisation wie der EU.“

EU genehmigte 38 Anträge für Exporte nach Großbritannien

Die Überlegungen der EU sind mindestens heikel. Sie könnte Biontech am Export seiner Impfstoffe hindern oder das Unternehmen dazu drängen, seinen Vertrag mit Großbritannien nicht einzuhalten. Aber beides würde die Frage aufwerfen, ob die EU damit die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) bricht, solange sie nicht ihrerseits ein Exportverbot aus London nachweisen kann.

„Es wird sicherlich überprüft werden, ob die EU-Maßnahmen WTO-konform sind“, warnt der Europa-Handelspolitiker Bernd Lange (SPD). An Glaubwürdigkeit habe die EU durch den Streit bereits verloren. Er hält die Drohung für falsch. Der Grünen-Außenpolitiker Reinhard Bütikofer sagt sogar: „Ich halte die Drohung von Frau von der Leyen für ein bedauernswertes Beispiel schlechter politischer Kommunikation.“

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Was genau die Kommission vorhat, sagt sie nicht. Offiziell heißt es, bisher würden nur die vorhandenen Werkzeuge daraufhin überprüft, ob sie zum Erreichen des Ziels ausreichten. Möglich wäre also auch, neue Mechanismen einzuführen.

Die EU-Kommission wähnt sich am längeren Hebel. Denn die Versorgung der Briten mit Impfstoffen beruht zum großen Teil auf Importen: Bisher wurden in Großbritannien insgesamt gut 25 Millionen Dosen verabreicht. Seit Februar hat London zehn Millionen Dosen von Biontech/Pfizer aus Belgien bezogen.

Allein in den vergangenen zwei Wochen erreichten die EU-Kommission 20 Anträge auf Ausfuhr, insgesamt 38. Das geht aus Zahlen der Kommission hervor, die dem Handelsblatt vorliegen. Keiner der Anträge wurde abgelehnt.

Impftempo verlangsamt sich

Ohne den Impfstoff von Biontech/Pfizer hätte Großbritanniens Premier Boris Johnson ein Problem. Der Gesundheitsdienst NHS warnte am Mittwoch vor einem Lieferengpass aus Indien.

Das dortige Serum Institute sollte im März eigentlich zehn Millionen Astra-Zeneca-Dosen nach Großbritannien liefern, nun kommt aber aufgrund von Produktionsverzögerungen nur die Hälfte. Das führt dazu, dass Hausärzte und Krankenhäuser das Tempo bei den Erstimpfungen vorerst verlangsamen müssen.

Hinzu kommt, dass der vom deutschen Unternehmen Biontech entwickelte Impfstoff auf der neuen mRNA-Technik beruht. Deswegen wird erwartet, dass er sich leichter auf neue Virusvarianten anpassen lässt. Im Umfeld von der Leyens glaubt man deswegen, dass mittelfristig andere Länder noch stärker auf Lieferungen aus der EU angewiesen sein werden.

Die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung stehen im engen Kontakt mit Biontech. Die Firma ist dabei, eine eigene Produktionsstätte in Marburg aufzubauen und sich so auch unabhängiger vom amerikanischen Partner Pfizer zu machen.

Für die ab Herbst wahrscheinlich notwendigen Zusatzimpfungen sieht man sich in der EU darum gut gerüstet. Jetzt geht es aber erst einmal um die erste Immunisierung.

Da es dabei nur sehr langsam vorangeht, steht die Kommission unter enormem Druck. Es sei wichtig, dass die EU von den Herstellern mit der gleichen Priorität behandelt werde wie Großbritannien und die USA, heißt es um Umfeld von der Leyens.

MehrDiese zwei Ideen könnten die Immunisierung beschleunigen.

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