Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Exportzahlen Wer rettet die Weltwirtschaft – China oder die USA?

Die Volksrepublik überrascht mit sehr starken Außenhandelszahlen. Doch weil Rückschläge drohen, dürfte das Land kaum die Weltwirtschaft stützen.
07.09.2021 - 17:14 Uhr Kommentieren
Die zwischenzeitliche Teilschließung des wichtigen Containerhafens in Ningbo infolge eines lokalen Corona-Ausbruchs hat Chinas Außenhandel nicht belastet. Quelle: imago images/Xinhua
Reger Betrieb

Die zwischenzeitliche Teilschließung des wichtigen Containerhafens in Ningbo infolge eines lokalen Corona-Ausbruchs hat Chinas Außenhandel nicht belastet.

(Foto: imago images/Xinhua)

Düsseldorf Regulierungswahnsinn, schlechte Stimmung in der Industrie, eine Pandemie, die die Regierung immer wieder zu Teilstilllegungen der Wirtschaft zwingt - die Zweifel an China als Hort der ökonomischen Stabilität wachsen seit Wochen. Der einstige Wachstumsstar schien seinen Ruf als Rettungsanker für eine pandemiegeplagte Weltwirtschaft schon zu verspielen.

Doch am Dienstag dann überraschte die zweitgrößte Volkswirtschaft mit Außenhandelsdaten, die auch die größten China-Skeptiker aufhorchen ließ. Die Exporte legten im August auf Dollarbasis um mehr als 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Die Importe wuchsen sogar um mehr als 33 Prozent. Experten waren davon ausgegangen, dass höhere Kosten für Rohstoffe und Transporte, sowie die Corona-bedingte Teilschließung des wichtigen Containerhafens in Ningbo und die damit verbundene Unterbrechung globaler Lieferketten, die Im- und Exporte belasten würden.

Diese Statistik ist gleich aus zwei Gründen bemerkenswert: Die Volksrepublik ist der mit Abstand größte Exporteur der Welt, weshalb der starke Anstieg der Ausfuhren auch auf eine Belebung der globalen Konjunktur schließen lässt. Diese hatten im ersten Halbjahr noch merklich unter den Beschränkungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie gelitten.

Zweitens: Der starke Anstieg der Importe ist vor allem eine gute Nachricht für Deutschland, dessen Wohlstand zu einem großen Teil in China erwirtschaftet wird. Waren und Dienstleistungen im Wert von fast 100 Milliarden Euro führen deutsche Unternehmen in die Volksrepublik aus.

Übergeordnet stellt sich die Frage: Ist China, das in diesem Jahr laut IWF-Prognose 8,4 Prozent wachsen wird, erneut in der Lage, Treiber der Weltwirtschaft zu sein wie nach der großen Finanzkrise? Oder kommt diese Rolle dieses Mal den USA zu, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht zuletzt dank der gigantischen Rettungs- und Konjunkturpakete von Präsident Joe Biden nach IWF-Prognosen 2021 um 6,4 Prozent zulegen wird?

„Die USA und China liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinsichtlich ihrer Beiträge zum globalen BIP Wachstum bis ins Jahr 2022“, prognostiziert IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. China werde „zwar vermutlich einen Vorsprung bei der Wachstumsrate von circa zwei Prozentpunkten im Jahr 2021 und 2022 herausholen, aber die US Volkswirtschaft sei – in Dollar gemessen – immer noch um circa 40 Prozent größer als die chinesische. „In Summe werden beide Länder das globale BIP mit ungefähr jeweils 2000 Milliarden Dollar anschieben, wenn sich der Dollar nicht dramatisch auf- oder abwertet“, erwartet der IfW-Chef. .

Ökonomen zweifeln an Nachhaltigkeit der guten Zahlen

Was allerdings die starken Handelsdaten angeht, da sehen Ökonomen auch Sondereffekte - etwa vorgezogene Weihnachtseinkäufe. Aufträge für die Einkaufsaison zum Jahresende haben die Exporte angekurbelt, „und zwar früher als üblich, um den weiterhin längeren Lieferzeiten Rechnung zu tragen“, sagt Francoise Huang, China-Expertin von Allianz Research. Zudem profitierten die chinesischen Exporteure wohl auch von der Umleitung des Handels aus den Ländern, in denen die Epidemie besonders stark ist.

Zwar seien die Handelsdaten für August „einigermaßen beruhigend“, aber Huang rechnet nach wie vor mit einer Verlangsamung des Wachstums in China. Von einem „positiven Signal für die chinesische Konjunktur“, spricht Philipp Hauber, China-Experte beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Dennoch verlangsame sich die Expansion der chinesischen Wirtschaft nach der raschen Erholung von der Pandemie.

Grafik

Auch Ifo-Chef Clemens Fuest ist skeptisch. „Die chinesische Wirtschaft hat sich 2020 erstaunlich schnell erholt, jetzt zeigt die Konjunktur allerdings auch Schwächen“. Das habe vor allem zwei Gründe: Zum einen komme „es durch lokale Covid-Ausbrüche immer wieder zu Lockdown-Maßnahmen und Störungen in der Logistik“. Zum anderen sei „die chinesische Industrie wie die Industrie weltweit von Lieferproblemen bei Vorprodukten betroffen“. „China ist hier deutlich anfälliger als die USA, weil der Industriesektor in den USA für die Wirtschaft insgesamt eine geringere Rolle spielt“, sagte der Ökonom. Insofern spreche „viel dafür, dass die USA kurzfristig die Rolle der Konjunkturlokomotive übernehmen“.

Wie aussagekräftig sind Chinas Daten?

Tatsächlich gab es in der vergangenen Woche auch ernüchternde Daten aus der Volksrepublik. So fiel der staatliche Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Dienstleistungssektor auf 47,5 Punkte – im Vormonat hatte er noch bei 53,3 Punkten gelegen. Ein Wert über 50 zeigt Wachstum an, während alles unter 50 auf Konsolidierung hinweist. Auch der Indikator für das verarbeitenden Gewerbe verschlechterte sich von 50,4 Punkten auf 50,1 Punkte. Das heißt, die Stimmung in der chinesischen Wirtschaft trübt sich stark ein.

Grafik

Anders als bei den Stimmungsindikatoren handelt es sich bei den Import- und Exportzahlen, um harte Daten. Da sie vom chinesischen Zoll zeitnah veröffentlicht werden, geben sie zumindest einen ersten Eindruck, wie sich die chinesische Wirtschaft im August entwickelt hat.

Allerdings gibt es einen Haken, was die Aussagekraft der aggregierten Handelszahlen angeht. Denn es sind nominale Daten, bei denen die gestiegenen Rohstoffpreisen im Moment stützend wirken. „Der kräftige Zuwachs der Einfuhren dürfte die binnenwirtschaftliche Nachfrage überzeichnen, denn hier schlagen auch die im Vorjahresvergleich deutlich teurer gewordenen Rohstoffe wie Rohöl und -gas zu Buche“, betonte IfW-Experte Hauber.

Ein genauerer Blick in die Handelsdaten zeigt, dass sich die chinesischen Importe von Autos und Autoteilen im August abgeschwächt haben. Das spiegelt sich auch in den Einfuhren aus Deutschland wider, die weniger stark zulegten als die kumulierten Importe.
Vor dem Hintergrund von Engpässen bei den Vorprodukten, der Überlastung der Schifffahrt und die Belastung insbesondere der privaten Binnenwirtschaft in China durch Delta-Ausbrüche, „dürften sich die deutschen Exporte nach China in den kommenden Quartalen abschwächen“, prognostiziert Huang.

Exporte stützen Chinas Wirtschaft

Starke Exporte sorgten im vergangenen Jahr nach dem Corona-Einbruch im Februar und März 2020 für eine schnelle Erholung der chinesischen Wirtschaft. Ein Grund dafür waren die Lockdown-bedingten verringerten Produktionskapazitäten in den Industrieländern, sowie die starke Nachfrage aus dem Ausland nach Masken und Elektronikprodukten „Made in China“.

Das und die schnelle Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft führte dazu, dass China 2020 Exportmarktanteile gewinnen konnte. Neben dem starken Exportwachstum sorgten vor allem staatliche Investitionen dafür, dass China als einzige der großen Volkswirtschaften bereits 2020 die Corona-Krise hinter sich lassen und wieder wachsen konnte. Und das obwohl die chinesische Wirtschaft ihre einst sehr starke Exportabhängigkeit seit der Finanzkrise 2008 sukzessive reduziert hat. Der Anteil der Exporte am gesamten realen Bruttoinlandsprodukt sank von 35 Prozent im Jahr 2008 auf 22 Prozent im vergangenen Jahr.

Geht es nach Staatspräsident Xi Jinping soll künftig der Binnennachfrage zur Stütze der chinesischen Wirtschaft werden, und so die Abhängigkeit von Krediten, aber auch Exporten reduzieren. Im Corona-Jahr 2020 schwächelte der Binnenkonsum jedoch.

Allianz-Expertin Huang erwartet deshalb, dass das Vertrauen des privaten Sektors, sowohl der Haushalte als auch der Unternehmen „wahrscheinlich erneut in Mitleidenschaft gezogen wird, was eine Verlangsamung des privaten Verbrauchs und der Investitionen des verarbeitenden Gewerbes, und der Importe, zur Folge haben wird“.

Grafik

Auch IfW-Experte Hauber rechnet in den kommenden Monaten mit einer weiteren Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, auch weil China „wirtschaftspolitische Stützungsmaßnahmen zurückführen und die Kreditexpansion drosseln“ werde.

Auch in den USA gibt es Konjunkturrisiken

Das gleiche gilt allerdings für die USA: „Das Auslaufen des erweiterten Arbeitslosengeldes wird den Konsumboom bremsen“, warnt Ifo-Chef Fuest. Auch in den USA gebe es also „Konjunkturrisiken“. Denn eines gilt für beide Volkswirtschaften, die insgesamt 42 Prozent der globalen Ökonomie repräsentieren: Der Staat spielt eine immer wichtigere Rolle.

Seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 sind staatliche Investitionen die wichtigste Triebfeder des Wachstums in China. Dem damaligen Einbruch der Exporte steuerte Chinas Staatsführung mit dem bis dahin weltweit größten Stimulus von umgerechnet 587 Milliarden Dollar entgegen. Zwar erholte sich China schnell von der Krise. Doch das Land leidet bis heute an den Nebenwirkungen: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hängt am staatlichen Tropf. Auch in der größten Volkswirtschaft , wo „big government“ lange verpönt war, mischt der Staat inzwischen kräftig mit.

Grafik

Die US-Staatsverschuldung hat inzwischen die 30 Billionen Dollar-Grenze überschritten. Das entspricht mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung - Tendenz steigend: Im Jahr 2025 werden es nach IWF-Prognosen fast 36 Billionen Dollar (136 Prozent des BIP) sein.

Vor Ausbruch der Finanzkrise lag die Schuldenquote in den USA noch bei nur 64 Prozent. Eine solche Schuldendynamik kennt die Finanzgeschichte allenfalls in Kriegszeiten. Ein Profiteur des staatlichen Geldsegens Washingtons und Pekings allerdings steht schon jetzt fest: jenes Land, das wie kein anderes den Export zu seinem Geschäftsmodell gemacht hat - Deutschland.

Mehr: Chinas Verbraucher sind verunsichert: Die Stimmung in der zweitgrößten Wirtschaft der Welt trübt sich ein

Startseite
Mehr zu: Exportzahlen - Wer rettet die Weltwirtschaft – China oder die USA?
0 Kommentare zu "Exportzahlen: Wer rettet die Weltwirtschaft – China oder die USA?"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%