Facebook, Netflix und Co. Der Machtkampf zwischen Washington und dem Silicon Valley geht in die heiße Phase

So unbestritten die wirtschaftliche Macht der fünf Konzerne auch ist, so umstritten sind die Auswirkungen auf Gesellschaft und Demokratie.
Brüssel, München Auch in den USA sind die Zeiten vorbei, in denen die Tech-Konzerne als unantastbare nationale Champions galten. Im Kongress bringt ein Unterausschuss fünf Gesetzesentwürfe ein, um die Macht von Amazon, Google und Co. zu begrenzen. Und mit Lina Khan wurde jüngst ausgerechnet eine Antikartell-Aktivistin zur Chefin der Regulierungsbehörde FTC befördert – ein „starkes Signal“, lobt Zuboff.
Besonders große Hoffnung setzt die Big-Tech-Kritikerin jedoch auf die EU. Ihr Augenmerk gilt dem geplanten „Digital Services Act“ und „Digital Markets Act“. Diese Gesetze würden „mit der Denkweise brechen, dass die Tech-Unternehmen alle Macht haben“.
Auf ihrem jüngsten Gipfel haben die USA und die Union beschlossen, ihre Regulierungsinitiative künftig abzustimmen. Einen „Council on Trade and Technology“ haben sie dafür gegründet. Die neue transatlantische Politik-Allianz macht sich auf, die Supermächte des digitalen Kapitalismus zu zähmen. Kann das gelingen? Der europäische Grünen-Abgeordnete Sven Giegold ist noch skeptisch: „Die bisherige Missbrauchsaufsicht reicht da nicht aus. Kaum ist ein Fall erledigt, kommen die drei nächsten“
Derzeit geht EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen Facebook und Google vor. Apple steht wegen der Praktiken beim Musikstreaming am Pranger. Und das Bundeskartellamt legt sich in vier Verfahren mit Google, Facebook, Apple und Amazon an – auf der Basis eines verschärften Wettbewerbsrechts. Die US-Konzerne bestreiten die Vorwürfe, man sei nur im Dienst der Kunden unterwegs. Zur Not werden sie aus der Portokasse Bußgelder zahlen.
Doch der Umschwung weg vom Laissez-faire, hin zu mehr Kontrolle der digitalen Großkonzerne ist unbestreitbar. Zuboff ist keine Kassandra mehr. Ihre Warnung, das Geschäftsmodell der Internetfirmen bedrohe die Demokratie, wird auf beiden Seiten des Atlantiks ernst genommen. „Leider haben wir hier in Deutschland niemand mit ähnlicher Durchschlagskraft“, sagt der Grünen-Politiker Giegold über Zuboff, niemand bringe „die Kritik an den Datenkraken so sehr auf den Punkt wie sie“.
In Chinas Windschatten
Der Machtkampf mit dem Silicon Valley hat begonnen – doch entschieden ist er noch lange nicht. Denn da ist doch der Systemkonflikt des Westens mit dem aufstrebenden China. Hier agieren Börsengiganten wie Amazon, Google und Facebook, die private Daten ausschlachten, dort die von der Kommunistischen Partei tolerierten Konzerne wie Alibaba und Tencent, die sich der staatlichen Überwachungspolitik der Bürger unterordnen.
Dass China zum öffentlichen Fixpunkt der sicherheitspolitischen Debatte wurde, nutzten die US-Konzerne geschickt aus, so Zuboff: „Es heißt nun, die militärische Macht Chinas hänge von Künstlicher Intelligenz ab – und daher dürfe die US-Regierung die Forschung und Entwicklung von KI durch die Tech-Unternehmen jetzt nicht einschränken.“
Dass dieses Argument verfängt, mag ein Grund dafür sein, warum sich die Börsen unbeeindruckt vom politischen Protest zeigen. Die Kurse von Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft steigen und steigen.
Was tun? Immer lauter werden Rufe nach einer Zerschlagung, auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer spricht sich dafür aus. Doch Kartellkontrolle reiche nicht, mahnt Zuboff. Die Regulierer müssten tiefer ansetzen: „Die Lösung des Problems beginnt damit, wie wir die illegitime Gewinnung von Verhaltensdaten verbieten.“ Und damit beginnt für die streitbare Professorin die Arbeit erst: „Wir brauchen eine neue Grundrechtscharta, neue Gesetze und eine ganze Reihe demokratischer Institutionen.“
Mehr: EU gegen Big Tech – die Kommission reagiert spät, aber wirkungsvoll.
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Es wäre toll gewesen, mindestens 2 Sätze zu Shoshana Zuboff in das erste Drittel des Artikels einzubauen. ;)