Fethullah Gülen im Interview „Art und Ausmaß der Verfolgung in der Türkei sind beispiellos“

Der in den USA lebende Prediger wird von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putschversuch verantwortlich gemacht. Seine religiöse Bewegung wird im Land radikal verfolgt.
Saylorsburg Nach dem Putschversuch vom Juli ist die Lage in der Türkei schwierig. Die Regierung greift mit harter Hand unter anderem gegen die Hizmet-Bewegung durch. Die war einst von Fethullah Gülen ins Leben gerufen worden - der heute von Ankara als Terrorist und Staatsfeind betrachtet wird. Die Deutsche Presse-Agentur traf Gülen in seinem Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania. Dort lebt er seit 1999 auf dem Gelände einer ehemaligen Jugendherberge.
Herr Gülen, die Regierung von Präsident Erdogan ist dabei, einen großen Teil Ihrer Hizmet-Bewegung zu zerschlagen. Ist sie am Ende?
Diese Bewegung begann vor Jahrzehnten, als einige wenige Leute gemeinsame Ideen hatten. Die Idee war, dabei zu helfen, soziale Probleme wie Armut, Intoleranz und Ignoranz zu bekämpfen und internen Aufstieg über Bildung zu ermöglichen. 1990 haben Sympathisanten damit begonnen, Schulen außerhalb der Türkei zu gründen. Heute sind sie in 170 Ländern aktiv. Die Kernidee von Hizmet lebt und Menschen, die sie vertreten sind am Leben. Auch wenn die Bewegung in der Türkei einer Hexenjagd ausgesetzt ist, wächst sie im Rest der Welt weiter, mit Gottes Hilfe.
Wie sehen Sie die Lage Ihrer Anhänger in der Türkei, aber auch in anderen Ländern. Sind die Leute sicher?
Art und Ausmaß der Verfolgung in der Türkei sind beispiellos. Sogar nach vollzogenen Militärcoups hat es bisher keine Schließungen von Privatunternehmen oder Medien gegeben. Mir schmerzt das Herz und ich fühle ihre Leiden im Innersten meines Wesens. In Deutschland glaube ich, dass die Regierung Recht und Gesetz achtet. Hinsichtlich der Hizmet-Anhänger in Deutschland fühle ich mich besser.
Was sagen Sie denn Ihren Leuten in dieser Situation?
Ich kann Ihnen gar nichts sagen. Sie werden unter Druck gesetzt, weil sie Prinzipien haben. Sie haben ihre Ethik und ihre Werte. Obwohl ihr Hab und Gut konfisziert wurde, ihre Häuser durchsucht wurden, diese Leute geschlagen und ins Gefängnis geworfen wurden. Viele von ihnen gefoltert wurden, ihre Bankkonten eingefroren und Eigentum weggenommen wurden: Selbst unter diesen harschen Bedingungen haben sie nicht die Waffen erhoben. Das liegt an den Prinzipien, die sie verinnerlicht haben.
Sie selbst leben seit vielen Jahren in den USA. Ist das ihre Heimat geworden?
Ich respektiere Menschen aus allen Ländern, aber das Heimatland hat einen speziellen Platz im Herzen. Ich fühle Heimweh und ich spüre das Verlangen, in die Türkei zurückzukehren. Ich habe oft gesagt, dass ich, wenn ich hier sterben sollte, in der Heimaterde begraben werden möchte, neben meiner Mutter, zu ihren Füßen. In den USA bin ich immer mit Respekt behandelt worden. Ich habe mich entschlossen hier zu bleiben, solange, bis sie sagen, ich soll gehen. Hier finde ich Frieden.
Erhalten Sie oder haben sie jemals Unterstützung von der Regierung oder von Geheimdiensten in den USA erhalten?
Absolut nicht. Dies ist eine Art von Verleumdung, die Herr Erdogan und seine Sprachrohre in den Medien gegen mich ins Feld führen. Meine Freunde haben andere Beispiele für Lügen und Verleumdungen gesammelt – sie sagen mir, die Zahl liegt über 1000.
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